Im März 2024 hat der damalige Arbeitsminister Hubertus Heil eine besonders scharfe Leistungsminderung für sogenannte „Totalverweigerer“ angestoßen. Im Rahmen dieser können Bürgergeldbeziehende, die in der Theorie langfristige Arbeit verweigern, die Leistung für zwei Monate vollständig gestrichen bekommen. Bis zu 170 Millionen Euro Einsparungen beim Bürgergeld versprach sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales davon.
Auch die aktuelle Regierung problematisiert häufig die sogenannten „Totalverweigerer“ und „Bürgergeld-Betrüger“, die Staat und Steuerzahler laut den Aussagen von Friedrich Merz und anderen CDU-Politikern viel Geld kosten würden. Eine wissenschaftliche Untersuchung hat nun ergeben, dass die 100-Prozent-Sanktionen kaum greifen und auch eine kaum relevante Zahl der Bürgergeldempfänger betrifft.
Auch interessant: Um das Bürgergeld zu bekommen, ist ein Antrag mit verschiedenen Nachweisen und Unterlagen notwendig, die Berechtigte einreichen müssen. Seit Januar 2023 kann man in Deutschland Bürgergeld auch digital beantragen.
Bürgergeld-Sanktionen: Warum sind sie kaum umsetzbar?
In der Sanktionierungsregelung von 2024 wird definiert, welche Bürgergeldempfangenden für die 100-Prozent-Sanktionen infrage kommen: Personen, bei denen Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme laut Gesetz „tatsächlich und unmittelbar bestehen und willentlich verweigert werden“. Außerdem geht es um Personen, die zuvor bereits aus speziell festgelegten Gründen Bürgergeldkürzungen hatten.
Laut einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist es unter anderem aus diesem Grund unwahrscheinlich, dass die 100-Prozent-Sanktionen verhängt werden: „Insgesamt handelt es sich um eine sehr voraussetzungsvolle Regelung, sodass solche Fälle in der Praxis nur selten vorkommen dürften.“ Laut dem IAB lag die Gesamtzahl dieser Leistungsminderungen zwischen April 2024 und Juni 2025 im niedrigen zweistelligen Bereich.
Übrigens: Die geplante Neue Grundsicherung bringt einige Änderungen im Vergleich zum Bürgergeld mit sich. Auch das Vermögen und dessen Prüfung sind betroffen. Um Kosten zu senken, könnte die umgangssprachliche „Zwangsverrentung“ 2027 zurückkehren.
Bürgergeld-Sanktionen: ist davon kaum jemand betroffen?
Die zweite große Erkenntnis des IAB im Bezug auf 100-Prozent-Sanktionen ist, dass eine verschwindend geringe Zahl von Menschen überhaupt zu der Gruppe der sogenannten „Totalverweigerer“ gehört. Laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) lag 2024 die Zahl der Bürgergeldempfangenden, die von Leistungsminderungen betroffen sind, weil sie Arbeit oder Ausbildung verweigern, bei nur 20.000 Fällen. Das sind weniger als 0,3 Prozent der Gesamtzahl der über 5,43 Millionen Bürgergeldempfangenden. Ein Großteil der Bürgergeldempfangenden sind laut Caritas entweder Arbeitslose oder Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung, oder Personen, die Angehörige pflegen oder ihr geringes Gehalt aufstocken, weil es so nicht zum Überleben reicht, oder Menschen mit Migrationshintergrund oder nicht-erwerbsfähige Kinder in Bedarfsgemeinschaften.
Laut IAB ist wiederum auch nur ein Bruchteil der 0,3 Prozent „Totalverweigerer“ unter den Bürgergeld-Empfangenden für die 100-Prozent-Sanktionen geeignet. Das IAB stellt auch fest: Ein überdurchschnittlicher Teil dieser winzigen Gruppe von Menschen sind Männer, Jüngere, Ostdeutsche, Alleinlebende und deutsche Staatsbürger.
Das IAB urteilt deshalb über die Sinnhaftigkeit der 100-Prozent-Sanktionen: „Angesichts der extrem geringen Fallzahlen sind die im Gesetzentwurf erwarteten Minderausgaben beim Bürgergeld in Höhe von 170 Millionen Euro jährlich nicht zu erwarten.“ Weil diese zahlenmäßig winzige Gruppe von Menschen überdurchschnittlich in den Fokus genommen wird, kritisiert die Oppositionspartei Die Linke diese Rhetorik als „Kampagne der CDU gegen Bürgergeld“ und kritisiert, dass die Regierungspartei versuche, „eine menschenwürdige Grundsicherung als Ausdruck des Sozialstaatsprinzips auf Almosen“ zu reduzieren.
Auch interessant: Personen, die Bürgergeld beziehen, bekommen vom Jobcenter einige Kosten bezahlt. Dazu gehören sogar solche, mit denen nicht unbedingt gerechnet wird. Auch Schulden können in manchen Fällen vom Jobcenter übernommen werden.