Anja Semmelroch, dpa

Kunden können sich mit dem Kauf ihrer Sonntagsbrötchen künftig Zeit lassen. Bäckereien dürfen sie nach höchstrichterlichem Urteil auch außerhalb der vorgeschriebenen Öffnungszeiten bedienen – allerdings nur in Filialen, in denen der Thekenverkauf mit einem Café kombiniert ist. Solche Bäckereicafés zählten als Gaststätten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Als „zubereitete Speisen“ dürften Brot und Brötchen dort von früh bis spät abgegeben werden.

Die Wettbewerbszentrale hatte bei verschiedenen Bäckereien Verstöße beobachtet. Um die Frage ein für alle Mal klären zu lassen, verklagte sie einen bayerischen Backwaren-Hersteller bis vor den BGH.

„Es ist absoluter Schmarrn, dass wir jemandem die Sonntagssemmel verbieten wollen“, stellte Andreas Ottofülling aus dem Münchner Büro der Wettbewerbsschützer auf gut Bayrisch klar. Aber der Sonntag sei im Bäckereiwesen inzwischen einer der stärksten Verkaufstage. „Umso mehr müssen hier gleiche Marktbedingungen herrschen.“

Wie lange Bäckereien sonntags ihre Brötchen verkaufen dürfen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Am großzügigsten sind die Vorschriften in Berlin, dort dürfen sie von 7 bis 16 Uhr öffnen, bis zu neun Stunden. In Baden-Württemberg und Bayern sind nur drei Stunden erlaubt.

Der bayerische Backwaren-Hersteller hielt sich nicht daran, weshalb ihn die Wettbewerbszentrale verklagte. Schon vor den Münchner Gerichten zog sie dabei den Kürzeren. Denn die betroffenen Bäckerei-Filialen sind gleichzeitig ein Café, mit Tischen und Stühlen für die Kundschaft. Für das Oberlandesgericht (OLG) München kam damit das Gaststättenrecht ins Spiel. Es erlaubt dem „Schank- oder Speisewirt“, auch außerhalb der Sperrzeit „zubereitete Speisen“ abzugeben, sofern diese „zum alsbaldigen Verkehr oder Verbrauch“ bestimmt sind. Und Brot und Brötchen seien „verzehrfertige Nahrungsmittel, deren Rohstoffe durch den Backvorgang zum Genuss verändert worden sind“, so das OLG.

Ähnlich sah das nun der BGH in Karlsruhe. Brot und Brötchen würden aus Mehl, Wasser, Hefe und Salz gemacht und dann noch gebacken, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch bei der Urteilsverkündung. Damit handele es sich um „essfertig gemachte Lebensmittel“. Dabei kam es für den Senat nicht darauf an, ob die Waren direkt im Café oder woanders gebacken werden. Brot darf auch im ganzen Laib abgegeben werden. Wichtig war den Richtern nur, dass der Kunde „zum sofortigen Verbrauch“ einkaufe. Das Urteil gilt bundesweit.

Die Wettbewerbszentrale sieht mit dem Urteil Rechtsklarheit hergestellt. Jetzt müssten sich die Landesgesetzgeber fragen, ob sie etwas ändern wollen, sagte Ottofülling. Noch liege die schriftliche Begründung nicht vor. Aber es sehe so aus, als ob kleinere Bäcker nun nur ein paar Tische und Stühle aufstellen und ein Café anmelden müssten, um länger Sonntagsbrötchen verkaufen zu dürfen.

„Das Urteil ist hervorragend“

Stefan Körber, Hauptgeschäftsführer des Bäckerinnungsverbands Baden, begrüßt die Verlängerung der Bäckerei-Öffnungszeiten an Sonntagen.

Herr Körber, bisher durften Bäckereien im Südwesten sonntags nur drei Stunden öffnen. Nun wird diese Beschränkung aufgehoben, sofern die Bäckerei den Thekenverkauf mit einem Café kombiniert. Wie finden Sie dieses Urteil?

Das Urteil ist hervorragend und bildet die Realität in vielen Betrieben ab. Wir haben keine genauen Zahlen, aber fast die Hälfte aller Bäckereien verfügt über ein Bistro. Diese Zahl wächst, weil sich das Konsumverhalten der Kunden ändert. Der zusätzliche Umsatz am Sonntag ist wichtig, da wir in einem scharfen Wettbewerb mit Supermärkten und Discountern stehen. Und der BGH hat recht, wenn er Brot und Brötchen als zubereitete Speisen bezeichnet.

Wäre es dann nicht konsequent, gleich alle Beschränkungen der Öffnungszeiten am Sonntag aufzuheben?

Nein. Das Bäckerhandwerk möchte die Sonntage nicht zu normalen Werktagen machen. Auch unsere Mitarbeiter benötigen mal einen freien Tag. Man braucht einen Fixpunkt in der Woche, um zur Ruhe zu kommen.

Fragen: Thomas Domjahn