Unternehmen legen Karten auf den Tisch: Wie gut geht es unserer Industrie?
Die Firmen aus unserer Region wirtschaften erfolgreich – nur ein Konzern bleibt ein Sorgenkind. Ein Rückblick auf die abgelaufene Bilanzsaison:
Ein künstliches Hüftgelenk des Medizintechnikherstellers Aesculap. Bild: dpa
| Bild: Felix Kästle
Thomas Domjahn
und Walther Rosenberger
Spätestens zu Beginn des Frühlings legen die meisten Unternehmen ihre Karten auf den Tisch und rechnen vor, wieviel Geld sie im Vorjahr verdient haben. Nachdem nun fast alle Unternehmen aus unserer Region diesem Ritual Rechnung getragen haben, ziehen wir Bilanz und stellen für Sie zusammen, wie sich die großen Industrieunternehmen im Jahr 2016 geschlagen haben. Grundsätzlich kann man sagen: Es geht ihnen gut.
Digitalisierung ist wichtiges Thema für alle Unternehmen
Die meisten Unternehmen können steigende Umsätze und Gewinne vermelden. Einzig der Küchenhersteller Alno aus Pfullendorf bleibt ein Sorgenkind. Das Unternehmen schreibt seit Jahren Verluste. Wegen der laufenden Restrukturierungsmaßnahmen und des damit verbundenen Personalabbaus stellt Alno seine Bilanz erst am 9. Juni vor, weshalb das Unternehmen nicht in unserem Überblick auftaucht. Ein Thema zieht sich übrigens durch fast alle Branchen: Die Digitalisierung. Vor allem die Autozulieferer befinden sich in einem Transformationsprozess, um auch im digitalen Zeitalter zur Weltspitze zu gehören. Auch dazu haben wir die Unternehmenslenker der großen Konzerne befragt.
ZF knackt 35-Milliarden-Euro-Marke:
Das Logo der ZF Friedrichshafen Aktiengesellschaft.
| Bild: Felix Kästle (dpa)
Beim Autozulieferer aus Friedrichshafen läuft es derzeit rund. Der Umsatz knackte erstmals die 35-Milliarden-Euro-Marke, was allerdings vor allem darauf zurückzuführen ist, dass der im Jahr 2015 übernommene Konkurrent TRW erstmalig voll in den Geschäftszahlen berücksichtigt wurde. Operativ (Ebit) verdiente ZF fast 2,2 Milliarden Euro. Außerdem konnte der Stiftungskonzern seine Schulden reduzieren. Großthemen bei ZF sind derzeit die Digitalisierung, die Elektrifizierung des Antriebs und das autonomes Fahren. Dazu kaufte ZF weiter Know-how ein: Mit rund 45 Prozent steigt ZF bei dem Radarsensor-Spezialisten Astyx (Ottobrunn) ein. Beim Bedarf nach Arbeitskräften in Deutschland sieht der Konzern, der weltweit 137 000 Mitarbeiter beschäftigt, eine stabile Tendenz. Vielleicht sehe man auch „eine leicht rückläufige Entwicklung“, sagte Konzernchef Stefan Sommer. Seine Kraft will der Konzernlenker vor allem in die Beseitigung von technologischen weißen Flecken legen. "In der Sensorik sind wir heute noch nicht am Ziel", sagte er.
IMS Gear wächst und baut neues Werk in Villingen-Schwenningen:
Das Technikzentrum des Autozuliefers IMS Gear in Donaueschingen. Bild: IMS Gear
Der Autozulieferer aus Donaueschingen ist 2016 um neun Prozent gewachsen und hat einen Vorsteuergewinn (Ebt) von 41 Millionen Euro eingefahren (Vorjahr: 40 Millionen). Wie ZF auch steht IMS Gear vor der Herausforderung, die Digitalisierung des Automobilsektors zu meistern. Bisher hat sich das IMS-Management aber optimistisch geäußert, dass dem Traditionsunternehmen aus Südbaden der Wandel gelingen wird.
"Durch neue Technologien wie Elektromobilität fällt für uns kein Umsatz weg, sondern wir bekommen noch etwas dazu", sagte Forschungsvorstand Bernd Schilling. Ein Großteil der diesjährigen Investitionen von 45 Millionen Euro fließt in die Ausweitung der Produktion im Heimatmarkt Deutschland. 27 Millionen Euro werden in Donaueschingen, Eisenbach und Trossingen investiert. Außerdem wird ein neues Werk in Villingen-Schwenningen errichtet. Nach Fertigstellung verfügt IMS über zehn Standorte in Deutschland.
RRPS ist zuversichtlich trotz rückläufiger Zahlen:
Blick in die Produktion des Motorenbauers RRPS in Friedrichshafen. Bild: Domjahn
Seit fünf Jahren stagnieren die Umsätze von Rolls-Royce Power Systems. Die Gewinne des Motorenbauers aus Friedrichshafen sind sogar rückläufig. Da liegt es auf der Hand, dass die Umkehrung dieses Negativtrends ganz oben auf der Agenda des neuen RRPS-Chefs Andreas Schell steht. RRPS wolle sich in Zukunft digitaler, agiler, dezentraler und noch internationaler aufstellen, kündigte der Vorstandsvorsitzende an. Im Jahr 2016 erwirtschaftete RRPS einen Erlös von 3,25 Milliarden Euro. Das war ein Prozent weniger als im Vorjahr. Noch stärker ging der Gewinn zurück. Er sank wechselkursbereinigt um 14 Prozent auf 234 Millionen Euro. Auch die Umsatzrendite – also das Verhältnis zwischen Gewinn und Umsatz – ging um knapp einen Prozentpunkt auf 7,2 Prozent zurück. Diese für die Rentabilität eines Unternehmens wichtige Kennzahl möchte RRPS mittelfristig wieder in den zweistelligen Bereich treiben.
Vor allem beim Thema Elektromobilität will der Spezialist für die Herstellung von Diesel- und Gasmotoren in die Offensive gehen.
Aesculap hat einen neuen Vorstandsvorsitzenden, der ein gesundes Unternehmen übernimmt:
Ein künstliches Hüftgelenk des Medizintechnikherstellers Aesculap. Bild: dpa
| Bild: Felix Kästle
Beim Medizintechnikhersteller aus Tuttlingen treten die Geschäftszahlen ausgerechnet im Jubiläumsjahr 150 Jahre der Firmengründung in den Hintergrund. Hauptthema war der überraschende Rücktritt der langjährigen Vorstandsvorsitzenden Hanns-Peter Knaebel. Das Unternehmen begründete den Rücktritt ohne weitere Erläuterungen mit "persönlichen Gründen". In unternehmensnahen Kreisen hieß es, dass Knaebel sich zuletzt verstärkt mit dem Management der Konzernmutter B. Braun gerieben hatte. Knaebels Nachfolger ist Joachim Schulz, der bisher im Vorstand für die Bereiche Produktion und Logistik zuständig war. Schulz hat ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen übernommen. 2016 erwirtschaftete der Spezialist für Operationstechnik und Gesundheitsgüter einen Umsatz von rund 1,73 Milliarden Euro – gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 3,7 Prozent. Um innovativ zu bleiben, forciert Aesculap seine Zusammenarbeit mit Start-ups.
Georg Fischer wächst stetig und kauft mehrere Unternehmen auf:
Ein Schmelzofen in der Produktion von Georg Fischer in Singen. Bild: Tesche
Der Schweizer Industriekonzern wächst unbeirrt weiter. GF konnte sowohl beim Umsatz als auch beim Gewinn zulegen. Der Erlös wuchs bereinigt um Übernahmen und Wechselkurseffekte um 2 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro. Das Ergebnis konnte GF sogar um 14 Prozent auf 210 Millionen Euro steigern. Auch für das laufende Jahr rechnet Georg Fischer damit, seinen Wachstumskurs fortsetzten zu können.
Trotz politischer Unsicherheiten erwarte er ein Umsatzwachstum zwischen 3 und 5 Prozent, sagt GF-Chef Yves Serra. Die Fokussierung auf Geschäftsfelder mit höheren Gewinnmargen beginne Früchte zu tragen. Bei seiner Wachstumsstrategie erwägt der Konzernlenker auch weitere Übernahmen. Bereits 2016 hatte GF zwei Firmen aus China und jeweils ein Unternehmen aus Indonesien und den USA aufgekauft. "Übernahmen können uns helfen, in bisher schwachen Märkten Fuß zu fassen oder neue Technologien zu erwerben", sagt Serra. Zudem setzt GF auf die Automatisierung der Produktion durch den Einsatz von Robotern.
Hügli setzt in der Zukunft vor allem auf Bio-Produkte, um wettbewerbsfähig zu bleiben:
Hügli, im Bild der Standort in Radolfzell, gehört künftig zur Bell Group. Bild: Jarausch
Der Schweizer Lebensmittelkonzern, der in Radolfzell 600 Mitarbeiter beschäftigt, musste 2016 einen Dämpfer hinnehmen. Nach mehreren Jahren mit einem soliden organischen Umsatzwachstum ging der um Zukäufe und Wechselkurseffekte bereinigte Erlös um 2,6 Prozent auf umgerechnet 360 Millionen Euro zurück. Beim Ergebnis war der Rückgang sogar noch größer. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sank um 6,4 Prozent auf 26,7 Millionen Euro. Vor allem in Deutschland hatte der Spezialist für Suppen und Soßen zu kämpfen. "Wir waren einem starken Wettbewerbsdruck ausgesetzt", erklärt Endrik Dallmann, Deutschland-Chef von Hügli. Für die Zukunft setzt Hügli vor allem auf Bio-Produkte. "Biologische Lebensmittel bleiben ein Wachstumsmarkt", sagt Dallmann. Auch weitere Zukäufe außerhalb des Kerngeschäfts mit Trockenmischprodukten schließt der Konzern nicht aus.
Für das laufende Jahr erwartet Hügli ein Umsatzwachstum von bis zu 2 Prozent.
Geberit weist gute Geschwäftsentwicklung vor und erfreut Anleger mit erhöhten Dividenden:
Blick auf den Produktionsstandort von Geberit in Pfullendorf. Bild: Geberit
Der Schweizer Sanitärkonzern, der in Pfullendorf 1500 Mitarbeiter beschäftigt, wuchs um Übernahmen und Währungsschwankungen bereinigt um 6,4 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Der Gewinn (Ebit) stieg sogar um 16,2 Prozent auf 640 Millionen Euro. Rückenwind bekam Geberit durch relativ niedrige Rohmaterialpreise für Industriemetalle wie Kupfer, Zink oder Aluminium. Auch bei der Integration des finnischen Porzellanherstellers Sanitec, den Geberit 2015 übernahm, kommt das Unternehmen voran. Ein Großteil der Synergieeffekte sei bereits früher als erwartet realisiert worden, sagte Geberit-Chef Christian Buhl. Für das laufende Jahr ist Geberit optimistisch. Die Bauindustrie, von der die Geberit-Auftragslage stark abhängt, werde sich voraussichtlich positiv entwickeln. Von der guten Geschäftsentwicklung profitieren auch die Geberit-Aktionäre. Der im Schweizer Börsenindex SMI gelistete Konzern mit Sitz in Rapperswil-Jona (Kanton St. Gallen) hat seine Dividende um 19 Prozent auf zehn Schweizer Franken pro Aktie erhöht.