Neue Besen kehren gut, neue Manager kaufen gern. Bei der Deutschen Börse hat es ganz sechs Wochen gedauert, bis Carsten Kengeter als neuer Vorstandschef die kleinere, konkurrierende Londoner Stockexchange gekauft und den Sitz des neuentstandenen globalen Konzern nach London verlegt hat. Und jetzt Bayer. Keine zwei Wochen im Job und der frischgebackene Bayer-Chef Werner Baumann will den Saatguthersteller Monsanto kaufen. Manches spricht dafür: Bayer ist groß im Pflanzenschutz, Monsanto erschafft die später von Bayer zu schützenden Pflanzen, und zwar mittels Gen-Technologie. Bayer hat seine dementsprechende Saatgutforschung schon 2012 in die USA verlagert: Gentechnik ist in Deutschland geächtet.

Aber die Welt dreht sich bekanntlich weiter und die Forschung sowieso. Der Kauf von Monsanto würde die Flucht aus Deutschland für die Agrochemie vollenden. Bayer setzt auch gegen den Widerstand der deutschen und europäischen Politik auf moderne Agarindustrie, schließlich muss eine wachsende Weltbevölkerung ernährt und nicht Greenpeace mit Spenden gepäppelt werden.

Ohne Gentechnologie geht nichts mehr in der Agrarindustrie, so wie es auch Pharmaforschung über weite Bereiche ohne Gentechnologie kaum mehr gibt: Hier sind zwar die deutschen Gesetze nachsichtiger mit der Forschung. Aber in der Wissenschaft ist zwischen geduldeter Genforschung für die Pharmaindustrie und Genforschung für die Agrarindustrie schwer zu unterscheiden. Und so hat Deutschland längst keine bedeutende Rolle mehr in beiden Bereichen.

So weit die Umrisse des Planspiels bei Bayer. Allerdings ist Monsanto weltweit ein wenig beliebtes Unternehmen. Seine Vertreter gelten als arrogant, seine Geschäftspraktiken sollen zu Lasten kleiner Bauern in den Entwicklungsländern gehen. Schlägt der böse Ruf von Monsanto auf das Pharmageschäft von Bayer durch? Es könnte gut sein, dass auch diese Reste deutscher Pharmaherrlichkeit, die noch beim Aspirin-Erfinder Bayer vorhanden sind, verscherbelt werden, um den Monsanto-Deal zu finanzieren. Denn die Verschuldung des Bayer-Monsanto-Konzern erhöht sich um viele Milliarden Euro. Und Spezialisierung ist ohnehin eines der Werkzeuge aus der Kiste moderner Management-Techniken. Kommt es zu dieser Rochade, ist Bayer faktisch die längste Zeit ein deutsches Unternehmen gewesen: Längst sind sowohl Aktionäre wie Kunden zu rund vier Fünfteln außerhalb Deutschlands beheimatet. Mit dem kürzlichen Kauf eines Teils der US-Pharmafirma Merck und mit Monsanto wäre auch die Produktion mehrheitlich in den USA und Leverkusen nur noch Geschichte – so wie Frankfurt gerade das Ende seiner Wertpapierbörse erlebt. Die in Leverkusen vor sich hinmüffelnde Industrieherrlichkeit der Chemie von Bayer wurde längst abgestoßen und in neue Unternehmen wie Lanxess und Covestro ausgegliedert.

Ich bin mir allerdings sicher: Das Bayer-Kreuz wird weiter zwischen Köln und Leverkusen die Nacht erleuchten. Sicherlich bildet sich dann ein Verein "Bayer-Kreuz muss ewig bleiben", denn in Sachen Industriedenkmäler ist Nordrhein-Westfalen ganz einsame Spitze.

.Roland Tichy ist Vorsitzender der Ludwig Erhard-Stiftung.