Der Titel klingt harmlos. „Zentrum Automobil“ nennt sich eine Gruppe, die bei den anstehenden Betriebsratswahlen gleich in vier Werken des Autokonzerns Daimler antritt. Aber die Mitglieder des eingetragenen Vereins mit Sitz in Stuttgart haben viele Kontakte in die rechte Szene. Der langjährige Vorsitzende Oliver Hilburger spielte bei der Rechtsrock-Band Noie Werte. Noch im November 2017 trat er zusammen mit Pegida-Chef Lutz Bachmann und dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke in Leipzig auf.
Das Problem ist nicht neu, wächst aber. Im Daimler-Stammwerk Stuttgart-Untertürkheim wurde Hilburger bereits 2010 in den Betriebsrat gewählt. Seit 2014 stellt das Zentrum Automobil dort vier der 45 Arbeitnehmervertreter, fast 10 Prozent der Räte. Das Quartett ist von der Arbeit freigestellt. Bei den im März beginnenden Betriebsratswahlen tritt das Zentrum zusätzlich in den Werken Sindelfingen, Wörth und Rastatt mit eigenen Listen an.
„Wir verfolgen diese Entwicklung mit Sorge“, sagt Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender des Daimler-Konzerns. Aber die Einflussmöglichkeiten sind begrenzt. Sein Appell: „Ich fordere die Mitarbeiter zu einer hohen Beteiligung bei der Wahl auf.“ Er könne nur für die Werte des Unternehmens werben, so Zetsche weiter.
Im betrieblichen Alltag treten Hilburger und seine Mitstreiter als ganz normale Beschäftigte auf. „Sie outen sich nicht als rechtsradikal“, heißt es bei der Konkurrenz von der IG Metall. Geschickt nutzt der Verein den besonderen Schutz des Grundgesetzes und achtet darauf, sich im betrieblichen Alltag nichts zuschulden kommen zu lassen. Sein Rechtsstatus schützt ihn auch vor einer Beobachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz. „Zu den Mitgliedern liegen keine Erkenntnisse vor, die über öffentlich zugängliche Informationen hinausgehen“, erklärt der Amtschef des Innenministeriums, Julian Würtenberger, auf eine Anfrage der Landtags-Grünen.
Eindeutige Vergangenheit
Dabei kann es an Hilburgers rechtsextremer Vergangenheit keinen Zweifel geben. Der 48-Jährige war viele Jahre lang Bassist der rechten Kultgruppe Noie Werte, die er erst kurz vor der Auflösung 2010 verließ. Als Vorstand der Christlichen Gewerkschaft Metall musste er zurücktreten, als diese Musikerkarriere bekannt wurde. Auch das Arbeitsgericht hatte danach keine Verwendung mehr für ihn als ehrenamtlichen Richter. Seine Vergangenheit tat er als „Jugendsünden“ ab.
Das Zentrum präsentiert sich in Werbefilmen – ähnlich wie die AfD – als verfolgte Minderheit. Menschen würden wegen ihrer politischen Überzeugung entlassen, heißt es da. „Es trifft die kleinen Leute, weil sie AfD wählen“, sagt einer ihrer Vertreter in einem Video. Auf der Internetseite wird die IG Metall angegriffen: „Die großen Gewerkschaften sind heute mit den Funktionseliten der Politik so eng verbunden, dass sie Teil des Problems sind.“ Anfragen wurden weder telefonisch noch per E-Mail beantwortet.
Umso offener dokumentierte Hilburger seinen politischen Standpunkt im November des vergangenen Jahres als Redner bei der Jahrestagung des rechtsgerichteten Magazins Compact in Leipzig. Dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer hat danach eine Offensive des Zentrums angekündigt: Bei den bundesweiten Betriebsratswahlen im Frühjahr 2018 werde man „den Erfolg seiner Liste in anderen industriellen Zentren wiederholen“.
Davon haben weder die IG Metall noch der Deutsche Gewerkschaftsbund bisher viel mitbekommen. „Rechtspopulistische Listen treten unserer Kenntnis nach nur in einer kleinen Zahl der 11 000 Betriebe, die im Promillebereich liegt, zur Wahl an“, betont Jörg Hoffmann, Vorsitzender der IG Metall. Unter anderem Namen sind die Rechten bei BMW in Leipzig aktiv und bei Opel in Rüsselsheim. Dagegen betont ein Sprecher des Audi-Betriebsrates, dass weder im Werk Neckarsulm noch in Ingolstadt eine rechte Liste zur Wahl stehen wird.