Christoph Fischer

Hansi Müller hat wirklich schon viel erlebt in seinem Leben. Der Europameister von 1980, inzwischen 64 Jahre jung, sitzt oft in der Stuttgarter Arena, wenn sich sein Ex-Club um ansehnlichen Fußball und Tore bemüht. Aber dieser Bundesliga-Klassenerhalt des VfB Stuttgart in der vorletzten Minute der Nachspielzeit am letzten Spieltag gegen den 1. FC Köln hat den Ex-Nationalspieler dann doch heftigst mitgenommen. „So etwas habe ich, glaube ich, noch nie erlebt. Unglaublich, das ganze Stadion vibrierte“, sagt Müller sichtlich beeindruckt.

Grenzenloser Jubel beim VfB Stuttgart

Nach dem entscheidenden Kopfballtor von Kapitän Wataru Endo kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Die Fans stürmten nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Robert Schröder das Spielfeld, die Organisation brach zusammen, erst eine Stunde nach Spielschluss wagte sich die feiernde Mannschaft wieder auf den inzwischen völlig zerstörten Rasen. Der VfB Stuttgart rettete sich mit dem 2:1 (1:0) über den 1. FC Köln auf den 15. Rang, Hertha BSC muss nach dem 1:2 bei Borussia Dortmund in die Relegation.

Köln in der Conference League dabei

Kölns Trainer Steffen Baumgart flüchtete als einer der ersten in die Stadionkatakomben, zwei Niederlagen zum Saisonende ärgerten ihn, aber den Eindruck einer großartigen Saison konnte das nicht mehr schmälern. Auch wenn es nicht mehr die Europa League wurde sondern bei den Playoffs für die Conference League blieb.

„Wir haben in dieser Saison unsere Art, Fußball zu spielen, entwickelt und gezeigt, die letzten beiden Spiele sind nicht schön, aber zu verkraften. Wenn wir das Erreichte mit in die nächste Saison nehmen, dann ist das alles absolut okay“, sagte Baumgart.

Kölns Torwart Marvin Schwäbe hielt den FC „mit unfassbaren Paraden“ (Mislintat) im Spiel, von Vorgänger Timo Horn spricht keiner mehr, seine Zukunft ist offen. Ohne Schwäbe hätten die Stuttgarter bereits zur Halbzeit klar führen können. Nachdem er den Strafstoß von Sasa Kalajdzic in der 11. Minute großartig pariert hatte, war er eine Minute später bei dessen Kopfball ohne Chance.

Kölns Keeper mit überragender Leistung

Dafür verwehrte er aber hundertprozentigen Chancen von Orel Mangala (16. Minute), Kalajdzic (21.), Wataru Endo (32.) und Tiago Tomas (44.) den verdienten Erfolg, erst in der Nachspielzeit musste er Endos Kopfball chancenlos passieren lassen. Kölns Anthony Modeste kam erst in der 45. Minute zu seiner ersten Chance, er war es dann aber auch, der im zweiten Durchgang in der 59. Minute den Ausgleichstreffer erzielte, als VfB-Torwart Florian Müller eine harmlose Flanke von Florian Kainz nicht festhalten konnte. Es war der 20. Saisontreffer des Franzosen, der trotz Millionenofferten aus Saudi-Arabien in Köln bleiben wird.

VfB-Boss wie von Sinnen

Alexander Wehrle, jetzt Vorstandsvorsitzender in Stuttgart und bis Ende März als langjähriger Finanzgeschäftsführer in Köln neun Jahre lang ein Erfolgsgarant, hatte sich bei aller Dramatik auf das Duell in Stuttgart gefreut. Und sich optimistisch geäußert. Nach dem Spiel war es aber auch mit der Beherrschung von Wehrle vorbei. Die Emotionen konnte auch er nicht mehr kontrollieren. Völlig außer sich sprang er Sky-Reporter Patrick Wasserziehr in die Arme und schrie wie von Sinnen: „Klassenerhalt, jaaaa!“ In Stuttgart hatte er noch am Donnerstag die Zukunft von Mislintat und Trainer Pellegrino Matarazzo („Das war die aufreibendste Begegnung, die ich bisher erlebt habe, weil soviel auf dem Spiel stand.

Freude pur bei VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo (von links nach rechts), Sasa Kalajdzic und Hamadi Al Ghaddioui.
Freude pur bei VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo (von links nach rechts), Sasa Kalajdzic und Hamadi Al Ghaddioui. | Bild: dpa

Und dann entscheidet sich alles in den letzten Minuten“) offen gelassen. Nun geht der VfB mit der alten sportlichen Leitung in die neue Saison. Die wieder schwer werden wird. „Bei allem Emotionen gibt es Analysebedarf, es ist nicht alles gut gelaufen, aber Zweifel hatte ich nie, ich habe nie an die 2. Liga gedacht“, sagt Mislintat. Das Schlusswort des tages gehörte dann dem Torschützen: „Es war eine harte Saison“, sagte Endo und ergänzte. „Ende gut, alles gut.“