„Grüß Gott und hallo, Manfred Buchmann“ – die sonore Stimme auf dem Anrufbeantworter spricht nicht, sie singt. Und das passt auch. Denn dieser Manfred Buchmann, der Vater des momentan überragenden deutschen Rennradfahrers bei der Tour de France, Emanuel Buchmann, ist ein freundlicher Mensch. Bescheiden sei er, sei die ganze Familie, heißt es in der Heimatstadt Ravensburg, und als der Herr Buchmann dann selbst dran ist und nicht mehr nur seine AB-Stimme, plaudert es sich denn auch sehr angenehm mit ihm.

In der Ruhe liegt die Kraft

Obwohl der 65-Jährige ganz schön im Stress ist! Er mag ja Rentner und nur noch auf 450-Euro-Basis tätig sein, aber Arbeit ist Arbeit, Arbeit will erledigt sein, und zwar gut. „Ich habe gerade noch einen Auftrag für eine gute Kundin abwickeln müssen“, sagt Manfred Buchmann, der auf der Internetseite der Schreinerei Buchmann im 14 Kilometer entfernten Vogt weiterhin als Inhaber eingetragen ist. Türen, Betten und Schränke auf Wunsch produziert die Schreinerei, sehr gelungene Objekte lassen sich in einer Fotogalerie begutachten. Für dieses Handwerk muss man sich Zeit nehmen, auch wenn der Sinn aktuell sehr nach Frankreich steht, nach der Tour de France. „Bettenmachen dauert bei uns leider etwas länger als im Märchen“, lautet der Leitspruch des Schreinermeisters Buchmann – umgedeutet heißt das: Abfahrt Richtung Tour, wenn alles erledigt ist.

Hoch hinauf auf den Galibier

Immerhin lässt Manfred Buchmann das Ravensburger Rutenfest aus. Dieses zu erklären, würde hier den Platz sprengen, Fakt ist, an fünf Tagen von Freitag bis Dienstag rund ums dritte Juli-Wochenende, spinnt auf jeden Fall die ganze Stadt, wie ein Einheimischer zu berichten weiß. „Das hab‘ ich dieses Jahr fahren lassen müssen“, sagt Buchmann. Erst Arbeit, jetzt Frankreich. Mit seinem Freund Ignaz Krug wird er unterwegs und von Donnerstag bis Samstag bei den Etappen 18, 19 und 20 vor Ort sein.

Erstes Ziel ist der Galibier, der 2645 Meter hohe Berg mit seiner kargen Mondlandschaft, je näher man dem Gipfel kommt. Dort oben will Buchmann seinem Emanuel zuwinken. „Ich sehe ihn halt durchfahren“, sagt er, „das hoffe ich doch.“ Der kurze Nachsatz birgt zweierlei in sich, zum einen ein Stück Gelassenheit mit sanfter Ironie, zum anderen Besorgnis. „Man macht sich immer diese Gedanken: Hoffentlich stürzt er nicht, hoffentlich kommt er gesund an“, sagt Manfred Buchmann. Vor dem Fernseher hat er miterleben müssen, wie Emanuels Zimmerkollege Maximilian Schachmann beim Einzelzeitfahren in Pau zu Fall gekommen ist. Drei Knochen der Mittelhand gebrochen, Zwangspause bis in den Spätherbst, „das ist sehr schade für den Max“, sagt Manfred Buchmann und fügt nach kurzer Denkpause hinzu, „und schade für Emanuel, weil der Max ihm jetzt als Unterstützer fehlt“.

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Aber prinzipiell ist es ja so, dass Vater Buchmann an Sohn Buchmann glaubt. „Ein ganz starkes Jahr“, sagt Manfred Buchmann, „aber wie er jetzt bei der Tour fehlerfrei fährt, das ist grandios.“ Also geht‘s Richtung Podest? Es ist, als ob Buchmann Senior über seine eigene Wortwahl erschrocken ist, fehlerfrei, grandios – den Gedanken an eine Platzierung unter den ersten drei bei der Tour de France schmettert er sofort ab. „Das ist nicht vorhersehbar, ich würde nie vom Podium reden“, sagt Manfred Buchmann, „da müsste ja weiterhin jeder Tag perfekt laufen. Wo gibt‘s das schon?“ Und damit eines klar ist: Sehr gut ist und bleibt die Tour-Performance von Emanuel Buchmann sowieso, weshalb zu gelten habe, was vorher als Ziel formuliert worden war: „Wenn er unter die ersten zehn kommt, ist alles bestens.“ Und vor allem: „Wenn er gesund nach Paris kommt.“

Ein schnelles Hallo – oder doch ein Treffen?

Manfred Buchmann hat keine Pläne entworfen, Emanuel an den Etappenzielen zu treffen. „Er weiß, dass ich komme“, sagt er, „wir werden uns schon sehen und Hallo sagen können, aber ob wir zu einem richtigen Gespräch kommen, ist fraglich.“ Er hat so eine Ahnung, was einem Vater-Sohn-Treffen dazwischen kommen kann. „Er wird erschöpft sein. Er wird abgeschirmt von seinem Team. Er muss essen und trinken. Er muss massiert werden. Und er muss zur Presse.“ Was Emanuel nicht muss: zum Vater gehen. Und der wiederum wird auch nicht unbegrenzt Zeit haben. „Nehmen wir den Galibier, wenn du da oben bist, musst du ja auch erst mal runterkommen“, beschreibt Manfred Buchmann seine persönliche Tortur de France, „das dauert bestimmt zwei Stunden und wir müssen dann ja auch noch gleich weiter an den nächsten Etappenzielort.“ Paris am Sonntag sei viel zu weit weg, „da müsste man ja fliegen“. Stattdessen geht‘s am Samstagabend nach Hause.

Erst Erholung, dann Familienfest

Der wesentliche Kontakt wird bleiben wie er ist: Botschaften über WhatsApp. „Das ist schnell und einfach“, meint Manfred Buchmann, „und man kommt auch nicht vom Hundertsten ins Tausendste.“ Schwäbisch knapp eben.

Ein Familientreffen, dann auch mit Mutter Inge und Schwester Jasmin, wird es einige Tage nach der Tour geben. „Unabhängig von der Platzierung und erst, wenn er ein bisschen erholt ist“, sagt Manfred Buchmann. Ob in Lochau, im österreichischen Vorarlberg, wo Emanuel lebt, oder im Elternhaus in Ravensburg, ist nebensächlich. Wenngleich der Vater über den Sohn und jetzt auch im oberschwäbischen Dialekt sagt: „Er bleibt en Raveschburger.“