Die Schweizerinnen und Schweizer haben bei einer Volksabstimmung einer neuen Regelung für eine Erhöhung der Organspenden zugestimmt. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis sagten 60,2 Prozent der Stimmbürger Ja zu einer Änderung des Transplantationsgesetzes.

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Mit der eingeführten Widerspruchslösung sollen laut Regierung die Chancen jener Menschen verbessert werden, die auf ein Spenderorgan warten. Neu gilt nun für alle ab 16 Jahren: Wer seine Organe nicht spenden möchte, muss dies zu Lebzeiten festhalten. Liegt kein dokumentierter Wille vor, wird davon ausgegangen, dass die oder der Verstorbene mit der Organspende grundsätzlich einverstanden ist.

Die Angehörigen der Verstorbenen sollen auch künftig einbezogen werden, falls jemand seinen Willen zu Lebzeiten nicht festgehalten hat. Familienmitglieder werden gefragt, ob ihnen der Wille der oder des Verstorbenen bekannt ist.

Angehörige haben das Recht, eine Organentnahme abzulehnen, wenn sie wissen oder auch vermuten, dass die oder der Betroffene nicht damit einverstanden gewesen wäre. Liegt der festgehaltene Wille nicht vor und sind keine Angehörigen erreichbar, dürfen laut Regierung keine Organe entnommen werden. Bei unter 16-jährigen Mädchen und Jungen entscheiden gemäß den Angaben weiter die Eltern.

72 Wartende sterben pro Jahr

In der Deutschschweiz sagten die meisten Kantone nur knapp Ja zum Organspendegesetz. Einige Kantone lehnten es ganz knapp ab. In der Westschweiz dagegen machten die Ja-Stimmen teilweise über 80 Prozent (Waadt) aus. Und auch im Tessin stimmten noch 65,5 Prozent mit Ja.

Regierung und Parlament hatten der neuen Regelung bereits zugestimmt. Gegner warfen ein, viele Menschen wüssten nicht, dass sie sich gegen eine Organspende aussprechen müssen. So würde hingenommen, dass Organe ohne vorherige Einwilligung entnommen würden. „Der Staat darf Sterbende nicht wie ein Ersatzteillager behandeln und sich bedienen, ohne gefragt zu haben“, argumentierten sie. „Einem Menschen dürfen keine Organe entnommen werden, wenn dieser nicht ausdrücklich zugestimmt hat.“

In der Kampagne „Nein zum Transplantationsgesetz“ hatten sich Mediziner, Pfleger, Journalisten, Philosophen und Juristen zusammengeschlossen. Bislang galt in der Schweiz die Zustimmungslösung. Die Spende von Organen, Gewebe oder Zellen konnte nur dann erfolgen, wenn eine Zustimmung vorlag. Oft war der Wille nicht bekannt. In diesem Fall mussten die Angehörigen entscheiden.

In Deutschland scheiterte ein Spahn-Vorstoß

Seit 2017 haben in der Schweiz nach Regierungsangaben jährlich im Schnitt rund 450 Menschen eines oder mehrere Organe einer verstorbenen Person erhalten. Der Bedarf sei allerdings deutlich größer: Ende 2021 befanden sich den Angaben nach 1434 Menschen auf der Warteliste. Je nach Organ betrage die Wartezeit mehrere Monate, manchmal sogar Jahre. 72 Menschen, die auf der Warteliste standen, aber kein Organ erhielten, starben im vergangenen Jahr.

In Deutschland war im Jahr 2020 ein Vorstoß des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) zur Einführung der Widerspruchslösung gescheitert. Laut einem damals beschlossenen Gesetz sollen die Bürgerinnen und Bürger bei Behördengängen und Arztbesuchen aber stärker zu einer Entscheidung ermuntert werden. In der Bundesrepublik kommen nach einem Bericht der Bundeszentrale für politische Bildung auf 10 000 Patientinnen und Patienten, die eine Organspende benötigten, nur knapp 1000 Organspender.

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