Es klingt nach Schlaraffia, was sich die links- (Cinque Stelle) und rechtspopulistischen (Lega) Regierungsparteien für das kommende Jahr ausgedacht haben. Nach den Vorgaben der EU-Stabilitätsregeln dürfte Italien im kommenden Jahr nur ein Haushaltsdefizit von 0,8 Prozent vorweisen. Italien ist mit 131 Prozent Staatsverschuldung in Relation zur Wirtschaftsleistung der am höchsten verschuldete EU-Mitgliedsstaat. Doch der unmittelbar vor Ablauf der Vorlagefrist am 15. Oktober in Brüssel eingereichte Etatentwurf Italiens sieht jetzt ein Haushaltsdefizit von 2,4 Prozent vor.

Dass die EU-Kommission diese Budgetvorlage nach Gesprächen von Haushaltskommissar Moscovici in Rom womöglich an die italienische Regierung zur Korrektur zurückgeben will, ist erfreulich. Denn wie nachlässig in Brüssel, aber auch in Paris und Berlin, in der Praxis die Stabilitätsregeln gebeugt werden, ist geradezu sprichwörtlich. Doch Italiens Regierung scheint den Bogen überspannt zu haben. Schon als die Bundeskanzlerin wenige Stunden vor dem aktuellen EU-Gipfel im Bundestag in ihrer Regierungserklärung etwas kryptisch „solide öffentliche Finanzen“ in Europa anmahnte, von „Verantwortung und Solidarität, von Haftung und Kontrolle als den zwei Seiten einer Medaille“ sprach, konnte man daraus einen Appell an Italien heraushören: „Zunächst ist jeder Staat für sich selbst verantwortlich!“ Kaum zwei Stunden später bestätigte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger dann, dass Italien nach heutigem Stand Korrekturen am Budgetentwurf vornehmen muss. Sollte es so kommen, hat Rom dafür dann drei Wochen Zeit.

Man darf gespannt sein, wie sich etwa Innenminister Matteo Salvini, der starke Mann in der Lega, zu den Brüsseler Einwänden positioniert. Denn er polemisierte ja schon in den vergangenen Wochen, dass ihm die EU-Vorgaben „sch....egal“ seien. Italiens Bevölkerung jedenfalls scheint der scharfe Anti-Europakurs der Lega anzusprechen. Salvinis rechtspopulistische Partei vergrößerte in den Umfragen ihre Zustimmung gegenüber der letzten Wahl deutlich.

Abstufung auf Ramschstatus

Italien droht aber nicht nur Ärger mit Brüssel. Am 26. Oktober bereits verkünden die Ratingagenturen „Standard & Poor’s“ sowie „Moody’s“ ihre neuen Kreditratings für Italien. Eine Abstufung auf Ramschstatus würde fast automatisch höhere Refinanzierungskosten für die italienische Staatsschuld bedeuten. Am selben Tag ist übrigens die nächste italienische Anleihen-Auktion terminiert. Im Moment liegen die Durchschnittszinsen für die Staatsschulden bei 3,21 Prozent. Schon bei diesem Wert wachsen die Kosten der italienischen Staatsverschuldung deutlich schneller als seine Wirtschaftsleistung.

Es könnte also wieder zum Showdown für den Euro kommen. Denn entweder beugt sich die italienische Regierung den EU-Vorgaben oder die EU gibt klein bei, weil man auf die Europäische Zentralbank (EZB) und ihre Möglichkeiten setzt, die Zinsen mit weiteren unorthodoxen Maßnahmen niedrig zu halten. Statt eines Euro-Exits Italiens erleben wir dann endgültig die „Liraisierung“ der Weichwährung Euro.

Der Autor war bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er lebt als freier Publizist in Ravensburg.