Von außen betrachtet, mutet es wie ein Wunder an, dass der von Korruptionsvorwürfen geplagte Jacob Zuma so lange Präsident von Südafrika sein konnte. Sein Afrikanischer Nationalkongress (ANC), die frühere Widerstandsbewegung, hat in den vergangenen Jahren, als immer mehr Beweise für die Unterwanderung des Staates durch Freunde des Präsidenten auftauchten, mehr als genug Gründe für Zumas sofortige Entmachtung gehabt. Aber bis gestern war es dem 75jährigen immer wieder gelungen, alle Rücktrittsaufforderungen und Misstrauensanträge souverän abzuschmettern.

Mit der jetzt vom ANC-Vorstand beschlossenen Abberufung Zumas sind dessen Tage als Staatschef gezählt. Es gibt für den Überlebenskünstler kein Entrinnen mehr, auch wenn der endgültige Rausschmiss aus rechtlichen Gründen noch ein paar Tage dauern dürfte. Nur Zuma selbst will das alles offenbar noch nicht wahrhaben – und gibt sich stur. Offenbar leidet er an einem besonders schweren Fall von Realitätsverlust, glaubt er doch noch immer an seine fortgesetzte Popularität in der eigenen Partei – und daran, nichts wirklich falsch gemacht zu haben.

Zumas parteiinterner Widersacher Cyril Ramaphosa, ein pragmatischer Geschäftsmann, der im Dezember zum neuen ANC-Chef gewählt wurde, ist ein Verhandlungsexperte und Verfechter eines juristisch einwandfreien Übergangsprozesses. Ganz selbstlos ist das nicht: Zum einen fürchtet Ramaphosa im Zuge einer direkten Konfrontation eine Spaltung des ANC wie dies schon vor zehn Jahren nach einer ähnlichen Palastrevolte gegen den damaligen Präsidenten Mbeki der Falll war.

Dies könnte den ANC entscheidende Stimmen bei den allgemeinen Wahlen im nächsten Jahr kosten und womöglich unter die 50-Prozent-Marke drücken, die der ANC seit der Machtübernahme 1994 bislang bei jeder Wahl deutlich übertraf. Zum anderen fürchtete Ramaphosa, seine Popularität in einer Kraftprobe zu messen, nachdem er sich auf dem ANC-Parteitag nur hauchdünn gegen Zumas Kandidatin durchsetzen konnte. Die Rede ist von Zumas Ex-Frau Nkosazana Dlamini Zuma. Von ihr hatte sich der Staatschef, weil sie Mutter von vier seiner mehr als 20 Kinder ist, Schutz gegenüber einer strafrechtlichen Verfolgung versprochen.

Dass Zuma, der im Widerstand Geheimdienstchef des ANC war, trotz immer neuer, oft ungeheuerlicher Vorwürfe so lange im Amt bleiben konnte, liegt aber vor allem an seiner raffinierten Klientelpolitik und einer, wie die gegenwärtige Verwirrung um seinen Abgang zeigt, weitgehend handlungsunfähigen Regierungspartei. Unter seiner Führung ist Südafrika zu einem gigantischen Selbstbedienungsladen des ANC geworden – und seine Partei von innen heraus verfault.

Ein wenig müssen sich die Südafrikaner bis zum endgültigen Sturz des Präsidenten gedulden, schon weil Zuma offenbar an eine derart tiefe Spaltung des ANC glaubt, dass er erneut glaubt, das nun fällige Misstrauensvotum im Parlament zu überleben. Allerdings ist dies zum einen wegen der Unterstützung des Antrags durch die Opposition sehr unwahrscheinlich, zum anderen aber deshalb, weil die ANC-Spitze ihrer Basis nun erstmals empfehlen wird, Zuma das Vertrauen zu entziehen.

Eine letzte Option wäre, dass Zuma bis zu seiner Abwahl durch das Parlament doch noch freiwillig zurücktritt. Bislang hat er in jeder für ihn heiklen Lage ein Maximum an Angst und Unsicherheit geschürt, um am Ende doch klein beizugeben. Ein freiwilliger Abgang ist auch deshalb möglich, weil Zuma bei einer Amtsenthebung all seine Pfründe verlieren würde.

Zu Jubel besteht dennoch kein Anlass. Als Abrissbirne der jungen Demokratie am Kap hat Zuma ganze Arbeit geleistet und dem Land politisch und wirtschaftlich schwersten Schaden zugefügt. Schon deshalb dürften die Aufräumarbeiten mühsam sein – und der notwendige Neuanfang viel schwerer und zeitaufwendiger werden als viele glauben.