Mithilfe von Generationenbilanzen lassen sich die langfristigen Wirkungen der Fiskal- und Sozialpolitik eines Staates quantifizieren. So können wissenschaftlich tragfähige Analysen über die Nachhaltigkeit politischer Entscheidungen und ihre intergenerativen Verteilungswirkungen erstellt werden. Würde eine Regierung im Stil eines ehrbaren Kaufmanns handeln, dann würde sie alles daran setzen, die Nachhaltigkeitslücke möglichst gering zu halten, um künftigen Generationen keine untragbaren Lasten aufzubürden.
In den gängigen Schuldenstandsstatistiken ist fast immer nur von der expliziten Staatsverschuldung die Rede. Zum Jahresende 2017 beliefen sich die Kredite des Gesamtstaats auf 1 965 438 000 000 Euro, also fast zwei Billionen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ergab das einen Wert von 64,1 Prozent. Gegenüber dem Höchststand der Staatsschuldenquote im Jahr 2010 mit 81 Prozent nähert sich Deutschland damit endlich wieder dem Maastricht-Höchstwert von 60 Prozent. Die jetzt schon fast zehn Jahre währende Wachstumsphase samt hoher Beschäftigungsquote beschert Fiskus und Sozialversicherungen Jahr für Jahr neue Einnahmenrekorde.
Politiker zu übermütig
Das macht Politiker übermütig, lässt sie auf der Suche nach Wählerzustimmung immer neue soziale Wohltaten ausrufen. Volle Kassen waren immer schon Gift für solide Politik. Denn nicht im Blick steckt die implizite Verschuldung, die sich aus den Leistungszusagen der Rentenversicherung, der Beamtenversorgung, der Kranken- und Pflegeversicherung, aber auch einer ungesteuerten Zuwanderung ergibt. Deren Nachhaltigkeitslücke beträgt aktuell 4,1 Billionen Euro, immerhin 132 Prozent des BIP. Erfreulicherweise ist laut der von der Stiftung Marktwirtschaft und dem Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg vorgelegten Update 2018 der Generationenbilanz die gesamte Nachhaltigkeitslücke gegenüber dem Vorjahr von 224 auf 200 Prozent gesunken. Selbstverständlich ist dieser ehrliche Gesamtschuldenstand nach wie vor viel zu hoch – zumal in dieser guten Konjunkturlage!
Verantwortungslose Regierung
Doch jetzt setzt sich eine verantwortungslose Regierung in Szene, die im Kampf gegen „Populismus und Radikalismus“ (O-Ton Bundesarbeitsminister Hubertus Heil) ohne Rücksicht auf den demografischen Wandel ein höheres Rentenniveau und mehr Mütterrente verspricht. Allein die Festschreibung des heutigen Rentenniveaus auf 48 Prozent wird unter der Annahme, dass der Beitragssatz nicht über 22 Prozentpunkte steigen darf, die Nachhaltigkeitslücke um 52 Prozentpunkte erhöhen. Zum Vergleich: Die geplante Ausweitung der Mütterrente trägt mit sechs Prozentpunkten zur Nachhaltigkeitslücke bei.
Es ist ein Irrsinn, was die Berliner Koalition hier auf den Weg bringen will. Binnen einer Legislaturperiode macht sie die gewaltigen positiven Effekte zunichte, die der Nachhaltigkeitsfaktor der rot-grünen Rentenreform im Jahr 2003 sowie die Erhöhung des Renteneintrittsalters 2006 in der Großen Koalition I bewirkt hatten. Das Duo Angela Merkel und Olaf Scholz steht für die teuerste Große Koalition aller Zeiten. Ihr Motto lautet wohl: Nach uns die Sintflut!
Der Verfasser war bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags. Heute lebt er als freier Autor in Ravensburg.