Bundesarbeitsminister Hubertus Heil macht mit seinem Rentenreformentwurf Front gegen die künftigen Rentnergenerationen. Statt die gesetzliche Rente demografiefest auszugestalten, belastet er allein mit der von der CSU in der kleinen „Großen Koalition“ eingeforderten weiteren Erhöhung der Mütterrente das System um jährlich rund vier Milliarden Euro. Dabei profitieren von diesem späten Erziehungslohn besonders ältere Mütter mit mehr als zwei Kindern, die oft gut abgesichert sind. Vor allem mit seiner geplanten Haltelinie beim Rentenniveau untergräbt er einen Automatismus der Rentenreform von 2003, mit der die Lasten zwischen den Generationen fairer verteilt werden, wenn weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen.
Die heutigen Rentner und die rentennahen Jahrgänge stehen im Fokus der Politik. Sie stellen das Gros der Wähler bei Union wie SPD. Weil sich die AfD in der Rentenpolitik programmatisch eher an der Freigebigkeit der Linkspartei orientiert (50-Prozent-Rentenniveau!), hat Heil die Dreistigkeit, seine „Haltelinie“ von 48 Prozent Rentenniveau bis 2025 als Heilsversprechen gegen Rechts zu verkaufen.
Die heutigen Beitragszahler dagegen lässt die Bundesregierung die Zeche bezahlen. Denn nach geltendem Recht müsste der gesetzliche Rentenversicherungsbeitrag zum 1. Januar 2018 um 0,3 Prozentpunkte sinken. Doch davon will der Arbeitsminister nichts wissen. Immerhin 3,6 Milliarden Euro im Jahr werden so den beitragszahlenden Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern vorenthalten, damit die Bundesregierung ihre Kernwähler bei Laune halten kann.
Überhaupt ist es angesichts der Beschäftigungslage im Land unverfroren, die Angst vor einem Absinken des Rentenniveaus zu schüren. Denn tatsächlich entwickelte sich das Rentenniveau in den vergangenen Jahren deutlich besser als vorausberechnet. Mit einiger Wahrscheinlichkeit würde es auch im Jahr 2025 kaum unter der mit so viel sozialdemokratischem Tamtam vorgetragenen Haltelinie von 48 Prozent liegen. Voraussetzung allerdings: Die Regierung verzichtete auf die neuen Rentnergeschenke. Da baut eine Regierung eine Haltelinie zu einem Popanz auf, die sie selbst durch ihr eigenes Handeln schleift.
Ein Absinken des Rentenniveaus sagt übrigens nichts über die Kaufkraft im Alter aus. Axel Börsch-Supan, Mitglied der Rentenkommission der Bundesregierung, geht von einer weiteren Kaufkraftsteigerung der Renten um etwa 17 Prozent bis zum Jahr 2035 aus. Doch realistische Prognosen von Fachleuten nützen nichts, wenn die große Mehrheit der Wähler der Ansicht ist, dass die Nettorenten in Zukunft sinken.
Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey glauben 73 Prozent aller Befragten, dass die Kaufkraft der Renten bis zum Jahr 2035 sinken wird. 40 Prozent befürchten gar einen Kaufkraftverlust von mehr als zehn Prozent. Nur zwei Prozent aller Befragten glauben an eine steigende Kaufkraft von mehr als zehn Prozent. Das politische Dauerbombardement von links, mit dem systematisch die Angst vor Verelendung im Alter geschürt wurde, hat offensichtlich gefruchtet.
Der Verfasser war bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestags. Heute lebt er als freier Autor in Ravensburg.