Es ist nicht weniger als ein Tabubruch. AfD, CDU und FDP haben in Thüringen gemeinsam einen Ministerpräsidenten gewählt. Es geht auch nicht um irgendeine AfD, die da zum Königsmacher wurde. Es geht um die AfD des Björn Höcke, die besonders weit rechts steht. Höcke ist Wortführer der AfD-Gruppierung „Flügel“, die vom Verfassungsschutz als Prüf- und Verdachtsfall eingeschätzt wird. Er hatte etwa das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet.
Ramelow ist nicht ganz unschuldig
Wahltaktische Spielchen, Prinzipienreiterei und konsequente „Ausschließeritis“ haben einen in der Thüringer Bevölkerung hoch geschätzten Ministerpräsidenten verhindert. Einen, dessen Politik mit den extremen Forderungen der Bundes-Linkspartei kaum etwas zu tun hat und eher sozialdemokratisch daherkommt. Im neuen, nun wertlosen Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen sind etwa Zuschüsse für Handwerksmeister vorgesehen, die eine eigene Firma gründen. Auch von einer möglichen personellen Aufstockung der Polizei ist die Rede.
Ganz unschuldig ist Ramelow an dem Debakel indes nicht. Trotz der fehlenden Mehrheit für eine Fortsetzung seiner rot-rot-grünen Koalition ist er allzu siegesgewiss, ja mitunter selbstherrlich aufgetreten. Ramelow hat es nicht geschafft, CDU oder FDP eine Brücke zu bauen. Nun ist der Frust groß im Ramelow-Lager.
Empörung herrscht auch bei SPD und Grünen, deren schwaches Abschneiden bei der Landtagswahl ja erst zu der vertrackten Lage geführt hat. Die Erkenntnis, wie begrenzt doch die eigenen Möglichkeiten in Thüringen sind, ist bitter. Dass SPD und Grüne nun in irgendeiner Form mit dem neuen FDP-Ministerpräsidenten zusammenarbeiten könnten, scheint schwer vorstellbar.
CDU-Chefin politisch unter Druck
Größte Verliererin aber ist CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hat die Thüringer Parteifreunde immer wieder davor gewarnt, auch nur darüber nachzudenken, von der Parteilinie, die Bündnisse mit der Linkspartei ebenso kategorisch ausschließt wie mit der AfD, abzuweichen. Die Thüringer CDU-Landtagsfraktion hat den Hamburger Beschluss am Ende buchstabengetreu umgesetzt. AKK hatte ihr die Möglichkeit genommen, ihre Entscheidung an den besonderen Verhältnissen in Thüringen auszurichten.
So mag bei manchem Christdemokraten aus dem Freistaat eine gehörige Portion Trotz im Spiel gewesen sein, Zorn gegenüber den Besserwissern im Konrad-Adenauer-Haus im fernen Berlin. Keinen linken Kandidaten durften sie wählen, sei er auch noch so pragmatisch. Und natürlich keinen von der AfD aufgestellten. Von einem FDP-Mann war keine Rede und so wählten sie eben den. Den Geist der Unvereinbarkeitserklärung haben sie dadurch aber mit Füßen getreten und damit der AfD einen Triumph ermöglicht.
AfD-Kandidat als Bauernopfer
Dass die Höcke-Truppe den eigenen Kandidaten eiskalt fallen lässt, um am Ende den verhassten Ramelow zu stürzen, der stets klare Worte gegen die Rechtspopulisten gefunden hatte, damit mussten alle rechnen.
Die treuherzigen Beteuerungen der FDP, es sei ihnen ja nur darum gegangen, einen Kandidaten der Mitte zu stellen, haben mehr als einen faden Beigeschmack. Nun müssen sich die Liberalen fragen lassen, ob sie sich zum Werkzeug der AfD gemacht haben. Ob es Bundesparteichef Christian Lindner gelingt, den Imageschaden, der ähnlich hoch wie beim Jamaika-Rückzieher vor zwei Jahren sein dürfte, zu begrenzen, ist ungewiss.
Verloren haben auch die Wähler in Thüringen. Ihr Wille wird mit Füßen getreten. Sie bekommen nun mit Thomas Kemmerich einen Ministerpräsidenten aus einer Fraktion, die es nur hauchdünn in den Landtag geschafft hat. Wie der Betreiber einer Friseurkette das von vielen Problemen geplagte Land nun voranbringen will, ist unklar. Das Fiasko von Erfurt hat so viel Porzellan zerbrochen, dass am Ende Neuwahlen nicht ausgeschlossen scheinen. Es wäre kein Wunder, würden CDU und FDP dabei die Quittung für ihre völlig missglückten taktischen Ränke bekommen.