Managua – Das kleine mittelamerikanische Land kommt nicht zur Ruhe. Immer wieder gehen Hunderte gegen Staatschef Daniel Ortega, 72, auf die Straße, der einstige Anführer der linken sandinistischen Revolution, die 1979 den Diktator Anastasio Somoza stürzte.

Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Ortega – der seit 12 Jahren ununterbrochen im Sattel sitzt, und dessen Frau, Vize-Präsidentin Rosario Murillo. Vergangene Woche wurde in Nicaragua ein Gesetz verabschiedet, das sich offenbar gegen Regierungsgegner richtet. Für nur vage Handlungen, die als „Terrorismus“ eingestuft werden, sieht es 15 bis 20 Jahre Haft vor. Die Opposition sieht darin einen weiteren Beleg, dass Ortegas Regierung zunehmend undemokratisch handele. Die Regierung argumentiert hingegen, sie kämpfe gegen einen Umsturzversuch von „teuflischen Terroristen“, die von den USA finanziell unterstützt würden.

Ortega, der ehemalige Rebell, ist nun selbst dabei, ein autoritärer Herrscher zu werden. Er lässt Barrikaden räumen und Gegner festnehmen. Rund 400 Menschen wurden seit April bei Protesten von seinem Sicherheitsapparat erschossen. Vor allem junge Leute flüchten aus dem Land, viele über die Grenze nach Costa Rica. „Alle haben Angst, gehen abends nicht mehr aus dem Haus“, berichtet der Journalist Yader Luna. Mit der Repression hat das Regime aber nur eine Friedhofsruhe hergestellt.

In der Stadt Jinotepe, wo Luna sich derzeit aufhält, sind zuletzt mindestens 15 Menschen gestorben, in Masaya mindestens zwölf Menschen, in Managua mindestens zwei Studenten. Es ist die blutigste politische Krise in Nicaragua seit fast 30 Jahren, als die rechten Todesschwadronen den Kampf gegen die Sandinisten aufgaben.

Dabei hatten sich die Proteste zunächst gegen die Reform der Sozialvorsorge gerichtet. Sie sah eine Kürzung der Renten und eine Steigerung der Beiträge vor und wurde gestoppt. Hinzu kam eine Unzufriedenheit der Bewohner der Karibikregion, wo Tausende Bauern opponieren, weil die Regierung einen chinesischen Konzern beauftragte, einen Kanal zum Pazifik zu graben und sie sich davon bedroht fühlen.

Aber die Demonstrationen wandten sich, auch wegen der Gewalt, die Ortega hatte anwenden lassen, gegen den Präsidenten, seine Frau und Vize-Präsidentin Rosario Murillo. Mindestens 41 Menschen waren in nur fünf Tagen gestorben, ermordet von Sicherheitskräften und Paramilitärs.

Daniel Ortega weist die Vorwürfe zurück, er will an der Macht bleiben. Er besetzte Schlüsselpositionen mit Familienmitgliedern und Freunden. „Die Situation ist tragisch”, erklärt die weltweit bekannte Schriftstellerin und ehemalige Freiheitskämpferin Giaconda Belli. „Wir haben nicht nur jetzt Daniel Ortega, sondern wir hatten vorher auch den Diktator Somoza“, sagt Belli. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich so etwas noch mal erleben würde. Es fühlt sich an wie ein schreckliches Déjà-vu.”

Die Unterstützung der katholischen Kirche hat der einstige Hoffnungsträger Ortega verloren. Selbst ehemalige Weggefährten wie Giaconda Belli haben sich von ihm abgewandt.