Susanne Güsten, Istanbul

Kurz vor der türkischen Kommunalwahl im März meldete sich Ali Ihsan Yavuz, Vizechef der türkischen Regierungspartei AKP, mit einer beruhigenden Botschaft an die Wähler zu Wort. Die Türkei habe das wohl sicherste Wahlsystem der Welt, erklärte Yavuz.

Wahl soll wiederholt werden

Wenige Tage später klang der Politiker ganz anders. Über angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl am 31. März klagte Yavuz nun plötzlich: Die Wahl sei ein „dunkler Fleck“ in der Geschichte der Demokratie. Jetzt will die AKP die Wahl in der Metropole Istanbul ganz wiederholen lassen.

Sieg mit 20 000 Stimmen Vorsprung

Die März-Wahl hatte der AKP eine historische Niederlage in Istanbul eingebracht. Mit einem hauchdünnen Vorsprung von weniger als 20 000 Stimmen schlug Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu den AKP-Bewerber Binali Yildirim. Mit immer neuen Einsprüchen bei der zentralen Wahlkommission in Ankara versucht die Partei von Präsident Erdogan seitdem, das Ergebnis zu ihren Gunsten zu wenden. Yavuz kündigte einen Antrag auf Wiederholung der Wahl in Istanbul an. Sollte die Wahlkommission zustimmen, würden die zehn Millionen Istanbuler Wähler im Juni erneut zu den Urnen gerufen.

Anders als in der Hauptstadt Ankara, wo der zur Oppositionspartei CHP gehörende Bürgermeisterkandidat Mansur Yavas mit großem Vorsprung siegte und in dieser Woche sein neues Amt antreten konnte, will die AKP in Istanbul nicht aufgeben. Schließlich ist Istanbul an symbolischer und wirtschaftlicher Bedeutung für die türkische Politik nicht zu überbieten: Die Stadt ist Erdogans politische Heimat und der Standort von 40 Prozent der türkischen Wirtschaftskraft – und damit vieler Möglichkeiten, Posten und Wohltaten an AKP-Gefolgsleute und an regierungsnahe Firmen zu verteilen.

Bei den Einsprüchen gegen das Istanbuler Ergebnis musste Erdogans Partei einen schweren Rückschlag einstecken. Die Wahlkommission lehnte den Antrag der AKP auf Neuauszählung aller Stimmen in 31 von 39 Istanbuler Stadtbezirken ab. Nur 51 Wahlurnen mit weniger als 20 000 Stimmen sollen überprüft werden. Das wird nicht reichen, um Imamoglu den Sieg zu nehmen. Polizisten durchkämmten einen Istanbuler Vorort, in dem die AKP angebliche Unregelmäßigkeiten beklagt.

Erdogan wolle mit den Einsprüchen nur eine Botschaft an die eigene Anhängerschaft schicken, nehmen Kommentatoren an: Die AKP solle als Opfer einer feindlichen Verschwörung präsentiert werden, um die Niederlage besser verdaulich zu machen. Am Ende werde er das Ergebnis akzeptieren.