Der Exportanteil der deutschen Wirtschaft liegt bei rund 46 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, weit vor Ländern wie Frankreich und Italien mit jeweils rund 30 Prozent. Der internationale Druck wird immer stärker, dass Deutschland seine enormen Leistungsbilanzüberschüsse reduziert. US-Zölle auf Autoimporte hängen immer noch wie ein Damoklesschwert über dieser deutschen Paradedisziplin. Doch auch aus ökonomischem Eigeninteresse müssen wir umsteuern. Denn Deutschland zahlt einen hohen Preis für seine Exportstärke. Im ersten Jahrzehnt nach der Euroeinführung stagnierten die Realeinkommen. Die Tarifmacht der Gewerkschaften war wegen der hohen Arbeitslosigkeit niedrig (Februar 2005: 5,2 Millionen Arbeitslose!). Sinkende Lohnstückkosten erhöhten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Sie machte auf den Auslandsmärkten mehr als wett, was aufgrund der stagnierenden Binnenkonjunktur im Inland an Umsätzen verloren ging.
Während der Euro im politischen Narrativ für Deutschland ein Segen gewesen sein soll, hat er sich längst zu einer strukturellen Belastung der deutschen Volkswirtschaft entwickelt. Denn der schwache Euro und die EZB-Rettungspolitik mit ihrem historischen Zinstief haben den Wettbewerbsdruck für die deutsche Volkswirtschaft massiv gesenkt. Wirkte der permanente Aufwertungsdruck zu DM-Zeiten wie eine Produktivitätskeule für die Volkswirtschaft, fiel die Produktivitätsentwicklung in Deutschland seit der Euroeinführung hinter die Entwicklung in den meisten Industrieländern zurück. Die Investitionen sanken, die Qualität der Arbeitskräfte hat sich verschlechtert und das Wachstum auf weniger produktive Bereiche verlagert.
Fatal waren auch die politischen Reaktionen auf die Euro-Einführung. Die vor allem im ersten halben Jahrzehnt gedämpften Steuereinnahmen und die hohen Kosten für sozialstaatliche Leistungen wurden dadurch kompensiert, dass die Politik die Investitionsausgaben des Staates massiv reduzierte. Infrastruktur verrottete in großem Stil und es entstand die riesige Investitionslücke, die sich zur Wachstumsbremse auszuwachsen droht. Ohne den Windfall-Profit der niedrigen Zinsen wäre längst klar, dass Deutschland sozialpolitisch prasst und investiv „spart“.
Sozialpolitisch geprasst
Hohe Außenhandelsüberschüsse bedeuten immer auch Kapitalexport. Weil in Deutschland Privathaushalte (5,1 Prozent vom BIP), Unternehmen (2,6 Prozent) und Staat (0,8 Prozent) im vergangenen Jahr positive Finanzierungssalden aufwiesen, entstand im Gegenzug aus diesen Nettoersparnissen der drei Sektoren ein hoher Leistungsbilanzüberschuss von 8,5 Prozent des BIP.
Dass Exportüberschüsse aber nicht gleichbedeutend mit einer Mehrung des Auslandsvermögens Deutschlands sind, belegen die nackten Zahlen. Die Auslandsvermögen sind deutlich schwächer gewachsen als die Handelsüberschüsse. Allein in der Finanzkrise, so lautet eine Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hat Deutschland zwischen 400 und 600 Milliarden Euro verloren – also fast den aktuellen Überschuss zweier Jahre.
Der Autor war bis 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. Er lebt als freier Publizist in Ravensburg