Der Aufruhr war groß: Eine 17-köpfige Besuchergruppe vom Bodensee verursachte im Sommer bundesweit Schlagzeilen, als sie in der Gedenkstätte Sachsenhausen, ein Ortsteil der Stadt Oranienburg nördlich von Berlin, die Naziverbrechen verharmloste. „Von Manifest rechten und geschichtsrevisionistischen Einstellungen und Argumentationsstrategien“ war da die Rede, wie die Stiftung Brandenburgischer Gedenkstätten die Situation später beschrieb. Die Gruppe war auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Alice Weidel nach Berlin gereist. Doch die will nichts von dem Vorfall gewusst haben, bis er durch die Presse an die Öffentlichkeit geriet.
Weidel wollte von der Besuchergruppe nichts gewusst haben
Schon damals geriet Weidel in die Kritik, distanzierte sich auf Anfrage des SÜDKURIER jedoch nicht vom Benehmen der Besuchergruppe. Für eine Stellungnahme stand Weidel damals „leider nicht zur Verfügung“, wie der Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth, mitteilte. Weidel habe „weder von der Gedenkstätte noch vom Bundespresseamt, welches die Besuchergruppe begleitet hat“, entsprechende Informationen erhalten.
Tatsächlich hatten weder die Gedenkstätte noch das Bundespresseamt Anzeige erstattet. Die Polizei holte dies nach dem Bericht, der zuerst im Berliner „Tagesspiegel“ erschienen war, von Amts wegen nach. Hans Hausberger, Beisitzer im AfD-Kreisvorstand, sagte dem SÜDKURIER, dass ihm kein neuer Sachstand bekannt sei. „Die Polizei hat sich mit uns in Verbindung gesetzt, aber was dabei herausgekommen ist – keine Ahnung.“ Bei der 17-köpfigen Besuchergruppe seien nur vier Mitglieder des Kreisverbands dabei gewesen, „alles andere waren Fremdmitglieder“, betonte Hausberger. Zwei davon, ein Ehepaar, seien „betagt“ gewesen und hätten den Rundgang in der Gedenkstätte deshalb gar nicht angetreten.
Vorsitzender des Kreisverbandes Bodensee war Teil der Gruppe
Einer der beiden Mitglieder, die bei der Führung dabei waren, war nach Angaben Hausbergers pikanterweise Detlev Gallandt – der Vorsitzende des Kreisverbands Bodensee. Dieser war trotz mehrfacher Kontaktversuche des SÜDKURIER bis Redaktionsschluss nicht erreichbar. Hausberger sagte, er habe ihm empfohlen, die Teilnehmerliste der Besuchergruppe der Polizei zu übergeben. Seiner Kenntnis nach sei diese aber „verschollen“. Eine Anfrage an das Bundespresseamt über den Sachstand der Angelegenheit blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Die Bundesregierung hatte nach Bekanntwerden des Vorfalls damals scharf reagiert und hatte „jede Relativierung und Verharmlosung der Verbrechen von Nationalsozialisten, des von Deutschland ausgegangenen Vernichtungskrieges und des Holocausts entschieden und unmissverständlich“ zurückgewiesen. Im Konzentrationslager Sachsenhausen wurden zwischen 1936 und 1945 mehr als 200 000 Menschen inhaftiert, Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen um oder wurden Opfer der systematischen Vernichtungsaktionen der SS.