Ralf Nestler

Schwerkraftmonster, kosmische Fressmaschinen, Höllenschlünde. Bei der Beschreibung von Schwarzen Löchern erscheinen selbst Superlative noch zu niedlich. Albert Einstein hatte sie vor gut 100 Jahren in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Seither will man diese Objekte ergründen. Gesehen hatte sie niemand.

Jetzt gibt es ein Bild von einem dieser Mega-Phänomene. Forscher haben einen Verbund von Radioteleskopen auf das Zentrum unserer Milchstraße und auf das der Riesengalaxie M 87 gerichtet, weil sie an beiden Orten supermassive Schwarze Löcher vermuteten, quasi die XXL-Variante eines Schwarzen Lochs. Nach einer aufwendigen Datenanalyse erhielten die Wissenschaftler erstmals ein Porträt eines Schwarzen Lochs, das am Mittwoch der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde.

Auf sechs Pressekonferenzen präsentierten die Forscher des «Event Horizon»-Teleskopnetzwerks (EHT) zeitgleich die Aufnahme von acht ...
Auf sechs Pressekonferenzen präsentierten die Forscher des «Event Horizon»-Teleskopnetzwerks (EHT) zeitgleich die Aufnahme von acht Einzelobservatorien auf vier Kontinenten, die rechnerisch zu einem Superteleskop zusammengeschlossen wurden. | Bild: Zhang Cheng (XinHua)

Licht kann gerade noch fliehen

Streng genommen ist es kein Bild des Schwarzen Lochs selbst. Das ist physikalisch ausgeschlossen, denn diese Objekte haben eine so extreme Masse, dass es nicht einmal Licht gelingt, der Schwerkraft zu entkommen. Man konnte den Massekörper aber indirekt sichtbar machen – nämlich über seinen Rand. Von dort können Licht und alle anderen Arten von Strahlung gerade noch davonjagen. Das hat das Team des „Event Horizon Telescope“ (EHT) ausgenutzt. Das EHT ist ein Konsortium aus 14 Instituten mit 250 Mitgliedern in Europa, Asien, Afrika und Amerika. Von deutscher Seite sind das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn und die Goethe-Universität in Frankfurt/Main beteiligt.

Das Bild zeigt das Schwarze Loch im Zentrum von M 87, rund 55 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Der helle Ring geht zurück auf heiße Materie, die um das Loch herum rotiert und dabei auf Millionen Grad Celsius aufgeheizt wird, sodass sie intensiv strahlt. Aufgrund der extremen Schwerkraft des Schwarzen Lochs werden die Strahlen um das Objekt herumgelenkt und somit verstärkt, so dass eine Seite heller erscheint. Der schwarze Fleck im Zentrum ist der Schatten des Schwarzen Lochs selbst.

Schwarzes Loch 2

Wie das Objekt in M 87 und seine Umgebung aussehen könnte, das hatten die Forscher in Simulationen abgeschätzt. Dahinter steckt die Überlegung: Im Inneren eines Schwarzen Lochs, hinter dem sogenannten Ereignishorizont, enden Raum und Zeit, so wie wir sie kennen. Die Physik spielt dahinter verrückt. Kurz zuvor sollten jedoch noch die Regeln der Allgemeinen Relativitätstheorie gelten. Auf dieser Grundlage wurden die Simulationen gerechnet. Wenn die Realität aber ein deutlich anderes Bild zeigt, wäre das ein Hinweis darauf, dass Einsteins Meisterwerk hier schwächelt. Womöglich wäre dort der Schlüssel, um endlich die Relativitätstheorie – zuständig für den Makrokosmos – mit der Quantentheorie – zuständig für den Mikrokosmos – zusammenzubringen.

Doch diese Hoffnung wurde bislang enttäuscht. „Wir waren verblüfft, wie gut der beobachtete dunkle Fleck mit der aus unseren Computersimulationen vorhergesagten Struktur übereinstimmt“, sagt Anton Zensus vom MPIfR in Bonn. Aus dem Schatten selbst ließen sich etwa die Masse, die Rotation und das Magnetfeld des schwarzen Lochs ableiten. Demnach vereinige es 6,5 Milliarden Sonnenmassen.

Vom zweiten Protagonisten, dem Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße, gelang bisher keine Abbildung. Laut Zensus liegt das daran, dass das Zentrum der Milchstraße in einem Nebel aus geladenen Teilchen liegt. Das führt zu einem Flimmern der Radiostrahlung und damit zu unscharfen Bildern. „Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Problem auch noch lösen können“, sagt Anton Zensus.

Schwarzes Loch 1

Fackeln aus Plasma und Strahlung

Zwar gibt es faszinierende Bilder aus dem Umfeld von Schwarzen Löchern, etwa die Jets: gewaltige Fackeln aus Plasma und Strahlung, die aus zwei gegenüberliegende Seiten des Schwarzen Lochs ins All hinausschießen. Doch diese Strukturen sind riesig. An den Rand eines Schwarzen Lochs konnten Astronomen bisher nicht blicken. Denn er ist sehr klein. Bei einem Schwarzen Loch, das zehnmal so viel Masse hat wie die Sonne, hätte der Ereignishorizont einen Radius von 30 Kilometern. Keine Chance auf Sichtkontakt.

Bei einem Schwergewicht wie dem supermassiven Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße (vier Millionen Sonnenmassen) ist der Ereignishorizont zwar viel größer. Aber bei einer Distanz von 27 000 Lichtjahren erscheint der Ereignishorizont winzig. Wie ein Senfkorn auf dem New Yorker Times Square, das man von Konstanz aus sucht. Selbst mit dem besten Teleskop nicht zu schaffen. Es sei denn, man schaltet mehrere Geräte zusammen, wie es nun gemacht wurde. In Zukunft wollen die Forscher auch Teleskope in Frankreich, Grönland und Arizona nutzen. Dann gelingt vielleicht ein Bild des Killers in der Milchstraße.

Das könnte Sie auch interessieren

 

Wie die sensationelle Aufnahme gelang

  1. Wie konnte man das Schwarze Loch aufspüren? Im April 2017 haben die Astrophysiker des EHT-Verbunds acht Teleskope – auf Hawaii, in Chile, Mexiko, Spanien, den USA und am Südpol – sechs Tage lang auf verschiedene Ziele ausgerichtet und die empfangenen Radiowellen aufgezeichnet. Intensiv beobachtet wurde das mutmaßliche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, auch als Sagittarius A* bezeichnet, sowie das der Riesengalaxie M 87. Die Signale wurden an Superrechnern am MPIfR in Bonn sowie am amerikanischen Haystack Observatory in Haystack, Bundesstaat Massachusetts, ausgewertet, um das erste Bild eines Schwarzen Lochs zu erhalten.
  2. Kann uns ein Schwarzes Loch auf der Erde gefährlich werden? Nein. So faszinierend Schwarze Löcher für die Wissenschaft sind, eine ernste Gefahr stellen sie wohl kaum dar, schon deshalb, weil sie unheimlich weit entfernt sind. „Prinzipiell besteht natürlich die Möglichkeit, dass ein kleines Schwarzes Loch auf uns zugeflogen kommt. Aber das ist extrem unwahrscheinlich“, sagt Forscher Heino Falcke. „Wir können sie also entspannt aus der Ferne beobachten und viel interessante Physik daran machen.“
  3. Warum sind Schwarze Löcher für die Physik so interessant? Weil sie zur Erklärung des Kosmos beitragen. „Am Ereignishorizont kollidieren die beiden großen Theorien unserer Welt, die Makrotheorie von Raum und Zeit und die vom Mikrokosmos und der Quantentheorie“, sagt er. „Ich bin sicher, irgendwas geht da schief, eine der beiden Theorien muss da einige Grundsätze aufgeben.“ Wie das „Gefecht“ ausgeht, sei aber noch völlig offen.
  4. Warum nutzen die Astronomen Radioteleskope? Radiowellen sind genau wie sichtbares Licht elektromagnetische Wellen, sie haben nur eine sehr viel größere Wellenlänge. Ihr Vorteil ist, dass sie von Gas und Staub nicht so stark geschluckt werden. Schwarze Löcher sind meist von großen Mengen Gas und Staub umgeben. Nur mit Radiowellen konnten die Astronomen bis zum Ereignishorizont vordringen.
  5. Was lernen die Astronomen aus dem ersten Bild eines Schwarzen Lochs? Die Aufnahme zeigt, dass die Allgemeine Relativitätstheorie selbst unter diesen extremen Bedingungen Bestand hat. Außerdem erlaubt sie, manche alternative Erklärungen für das Phänomen wie Wurmlöcher oder sogenannte Boson-Sterne auszuschließen.
  6. Warum leuchtet der Ring um das Schwarze Loch nicht gleichmäßig? Auch das entspricht der Erwartung, die die Forscher hatten. Die unterschiedliche Helligkeit des Rings ist eine Folge der Rotation – entweder des Schwarzen Lochs oder der Scheibe oder von beidem. (ran/dpa)