Herr Guenther, die ARD zeigt zwei neue Wien-Krimis. Es sind bereits die Folgen sechs und sieben aus der Reihe „Blind ermittelt“. Wie fühlt sich das für Sie an?
Verdammt gut, um ehrlich zu sein. Es ist ein tolles und beruhigendes Gefühl zu wissen, dass wir auch dieses Jahr wieder zwei Filme drehen werden. Der Donnerstags-Krimi im Ersten und sein Blick in andere Länder sind im TV nicht mehr wegzudenken. Tatort oder „Polizeiruf 110“ – das sind Institutionen am Sonntag, die einfach jeder kennt. Aber der Donnerstag-Krimi ist auf dem besten Weg dahin.
Entwickelt sich Niko Falk, den Sie spielen, nach Ihrem Geschmack?
Ehrlich gesagt war er mir zuletzt ein bisschen zu brav. Für mich ist er frecher, physischer, er ist einer, der auch mal Grenzen überschreitet und einen ordentlichen Schalk im Nacken hat. (lacht) Das Pendant zum gutbürgerlichen, braven Alex Haller mit seinen strengen Regeln. Die Beziehung zwischen den beiden funktioniert deshalb, weil Niko das genaue Gegenteil von Alex ist.
Für die Zukunft wünsche ich mir und den Zuschauern, dass wir Niko besser kennenlernen. Über Alex‘ Vergangenheit weiß man viel, über Nikos wenig – noch. Warum ist er wirklich von Berlin nach Wien gekommen? Wieso kennt er sich so gut in der Unterwelt aus? Was genau ist Berlin passiert? Da steckt sehr viel mehr dahinter als die Spielschulden, die er anfangs hatte …
Für „Blind ermittelt“ arbeiten Sie regelmäßig in Österreich. Ist ein Dreh dort anders als zum Beispiel für den „Polizeiruf 110“?
Hier wie dort sind alle immer sehr gut vorbereitet. Was in Österreich aber tatsächlich anders ist: dass ich abends auch mal essen gehe und nicht direkt ins Hotel, dort Text lerne, den nächsten Tag vorbereite und schlafen gehe. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich für „Der Wien-Krimi: Blind ermittelt“ zehn bis elf Wochen am Stück in Wien bin und es sich wie zu Hause anfühlt, während es beim „Polizeiruf 110“ mehr so ist, dass ich anreise, abreise, anreise, abreise … oder dass ich im Hotel bin, Text lerne, den nächsten Tag vorbereiten und schlafe. Die Anzahl der Drehtage ist viel geringer.
In die österreichische Lebensart habe ich mich genauso schnell verliebt wie in die Stadt Wien. Wenn ich nach einem Zehn-Stunden-Tag, den Kopf noch voll mit den verschiedensten Szenen, mit Thomas Hroch, meinem Produzenten, essen gehe, kann ich den Drehtag schneller loslassen. Im Hotelzimmer zermartere ich mir das Hirn, weil ich das Gefühl habe, eine Szene nicht auf den Punkt gespielt zu haben. Aber das führt nirgendwohin, loslassen muss man so oder so – und dann doch lieber bei einem guten Essen.
Im ersten der zwei neuen Filme, „Tod im Prater“, gibt es eine Szene, in der Niko versucht, einen Kaffee zu bestellen. Aber welcher soll‘s sein? Kleiner Schwarzer, großer Brauner, Verlängerter, Einspänner, Kapuziner … Geht es Ihnen in Wien auch so?
Es ist schon verrückt, was es da alles gibt. Ich kenne mich da immer noch nicht aus. Deshalb bestelle ich immer Espresso. (lacht)

Für den Film haben Sie auch in der Geisterbahn gedreht. Wie oft mussten Sie denn fahren?
Ziemlich oft … Ich hatte mit Geisterbahnen ja noch nie was am Hut. In Konstanz, wenn auf dem Döbele Messe war, bin ich als Jugendlicher immer zum Auto-Scooter und habe versucht, einen auf cool zu machen und Mädchen anzusprechen. Aber ich bin tatsächlich nie in der Geisterbahn gewesen. Im Prater ist die Geisterbahn richtig oldschool, also Angst hat man da nicht.
Der Prater ist auch in die Jahre gekommen, aber genau das macht seinen Charme aus. Früher ist der Kaiser dort jagen gegangen, später wurde er zum Erholungsgebiet, dann zum Vergnügungspark. Heute ist das riesig und kommerziell ohne Ende. Es ist unfassbar laut. Ein Stand neben dem anderen und überall läuft laute und noch lautere Musik. Da wird man verrückt! Das war in dem Moment echt anstrengend.

Hat es Ihnen trotz allem Spaß gemacht, in der Geisterbahn zu drehen?
Klar! Es ist schon toll, so etwas zu erleben. Niko geht ja auch zu Fuß durch die Geisterbahn. Hinter die Kulissen zu blicken, das ist schon schräg. Aber das ist das Tolle am Schauspielern: Man darf Dinge tun, die sonst nicht möglich sind. Wer darf schon durch eine Geisterbahn rennen? Durch so ein Erlebnis bekommt man einen besonderen Einblick.
Im Film will Alex mit Niko Achterbahn fahren, er lehnt ab. Wären Sie gefahren?
Das würde ich niemals machen! Da kotze ich mir die Seele aus dem Leib! (lacht) Das macht bestimmt Spaß, aber für mich ist das absolut nichts.
Wegen der Corona-Pandemie konnten Sie Ihre alte Heimat Konstanz zuletzt ja nicht so oft besuchen wie in anderen Jahren. Soll sich das nun ändern?
Mein Plan ist, im Sommer wieder nach Konstanz kommen. Ich vermisse es total, meine Familie zu sehen, und es fehlt mir auch, mit meinen Jungs auf dem Boot zu sein. Ich hoffe wirklich, dass man den Sommer endlich mal wieder entspannt genießen kann. Entschuldigung, dass ich das so sage, aber Corona geht mir langsam echt auf den Sack. Und es ist mir auch an die Nieren gegangen, dass das Leben so lange eingeschränkt war.
Ich konnte vieles nachvollziehen, aber vieles irgendwann nicht mehr. Die Menschen haben auf so viel soziales Miteinander verzichtet, ich glaube, das wird uns noch lange beschäftigen. Ich sehe das auch an mir selbst: Man richtet sich in der Situation ein. Früher bin ich gefühlt jeden zweiten Tag mit Freunden essen gegangen, inzwischen mache ich das ganz selten, obwohl es ja problemlos wieder möglich ist. Corona hat einfach was mit unserer Gesellschaft gemacht.
Haben Sie vor den Veränderungen Angst?
Ich habe keine Ahnung, wohin das führt oder wie gefährlich das vielleicht ist. Ob es dazu führt, dass die Menschen sich zurückziehen und nicht mehr aufeinander zugehen. Dann dieser komplett sinnlose und zutiefst erschreckende Krieg in der Ukraine – manchmal denke ich: Was ist los? Wir sind eine Menschheit, eine!
Apropos Veränderungen: Anfang des Jahres hat Charly Hübner den Rostocker „Polizeiruf 110“ verlassen. Wird Ihr Anton Pöschel bleiben?
Auf jeden Fall! Der nächste Film – der erste mit Lina Beckmann – kommt diesen Sonntag. Ab Mai drehen wir zwei weitere Folgen, es wird spannend werden, wie sich die Konstellation innerhalb des Teams verändert. Pöschel und der wilde Hund Niko sind beide Figuren, die ich sehr liebe. Sie sind so wunderbar unterschiedlich, haben aber beide mit mir zu tun. Das Schöne ist, der Mensch darf alles fühlen, auch gleichzeitig, wir müssen es uns nur erlauben.
Sie hatten zuletzt selbst mit der Polizei zu tun, Sie waren Opfer von Identitätsdiebstahl. Hat sich das alles aufgeklärt?
Das war wirklich eine krasse und teilweise auch zermürbende Zeit. Dass jemand meine Identität stiehlt, mit meinem Namen einkaufen geht und Verträge abschließt … Wie geht so etwas?! Ich musste einen Anwalt einschalten, weil ich jede Woche Post von einem Inkasso-Unternehmen bekommen habe und mir auch mit Zwangsvollstreckung gedroht wurde. Letztendlich bin ich an die Öffentlichkeit gegangen, weil das Inkasso-Unternehmen weder meinem Anwalt noch mir zugehört hat.
Aber um auf die Frage zurückzukommen: Ich glaube und ich hoffe, dass der Spuk vorbei ist und dass das Thema beendet ist. Aber wer kann schon sicher sagen, dass es nicht vielleicht wieder passiert? Ich glaube, das Thema wird uns allen noch richtig zu schaffen machen, da müssen wir uns alle ganz schön warm anziehen. Man muss im Internet einfach wahnsinnig vorsichtig sein.