Herr Mücke, es ist noch recht früh am Tag. Sind Sie ein Frühaufsteher?

Ja, und das hat natürlich auch mit meinen Kindern zu tun.

An Neujahr sind Sie in einem Improvisations-Tatort „Das Team“ zu sehen. Ihre Karriere als Tatort-Kommissar liegt ja nun schon ein paar Jahre zurück. Wie kam es zur Rückkehr in das Format?

Das war eine ganz klassische Anfrage. Regisseur Jan Georg Schütte hatte die Idee zu einem Ensemble-Film, hatte die Figuren vor Augen und kam dann auf mich zu. Das Erste, was ich ihn damals gefragt habe, war, ob er Kommissar Henry Funck, den ich im Erfurter Tatort gespielt habe, wiederbeleben will. Aber darum ging es ihm nicht, denn ich habe von Vornherein gesagt: Wenn ich wieder einen Tatort-Kommissar spiele, dann muss es ein völlig neuer Charakter sein, den wir gemeinsam erfinden.

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Bei so einem Angebot – mussten Sie da überlegen?

Natürlich nicht! Ich habe sofort gesagt, dass ich große Lust habe, das zu machen. Auch weil es schon so lange her ist, dass ich improvisiert habe. An der Schauspielschule wird das den Studenten ja beigebracht. Diese Improvisations-Seminare liegen bei mir ja nun mehr als zehn Jahre zurück, aber ich hatte daran damals immer sehr viel Gefallen gefunden. Wenn man als Schauspieler eine Rolle in einer Reihe wie dem Tatort hat, ist man es ja gewohnt, in seinem Feld zu agieren. Und dann wird man in diese unkomfortable Zone gebracht, hat kein Drehbuch, sondern nur ein Datenblatt zu der jeweiligen Figur. Das ist das Spannende daran.

Apropos unkomfortabel: Haben Sie den Improvisations-Tatort als positive Herausforderung empfunden oder hatten Sie auch Angst?

Angst wäre zu viel gesagt, aber man ist vor so einem Dreh natürlich schon extrem aufgeregt, weil ja alles unvorhersehbar ist. Ich hatte trotzdem immer ein gutes Gefühl, auch wenn man als Schauspieler bei so einem Projekt wenig Sicherheit hat, weil man sich eben nicht aufs Drehbuch berufen kann. Aber da das in dem Fall ja alle Kollegen gleichermaßen betroffen hat, war es eine tolle Erfahrung.

Gab es Momente beim Dreh, in denen Sie das Gefühl hatten, dass etwas in die falsche Richtung läuft oder Sie diese Situation doch lieber anders gespielt hätten?

Ja, immer mal wieder. Wir haben an zwei Tagen jeweils fünf Stunden lang improvisiert – am Stück. Man glaubt gar nicht, wie schnell fünf Stunden vergehen können! In der Zeit geht einem natürlich ganz viel durch den Kopf, Privates wie Berufliches, und vor allem natürlich die Rolle. Es gibt Phasen, da ist man richtig drin in der Rolle, dann lässt man mal los, sitzt vielleicht auch mal nur da, hört zu und beobachtet, und muss sich danach wieder neu orientieren. Es geht einfach immer hoch und runter. Im besten Fall agiert man tatsächlich nicht so viel – man hat ja quasi einen Patronengürtel voll mit den Informationen und Ideen, die man für die Rolle gesammelt hat und die man rauslassen kann, wann immer man will.

Sie spielen den Kommissar Sascha Ziesing aus Paderborn, der als „Ehrgeizling aus der Provinz“ gilt. Wie konkret war denn das Rollenprofil, das Sie bekommen haben?

Es war ein tabellarischer Steckbrief mit sehr, sehr vielen Details. Also nicht nur Name, Alter und Beruf, sondern auch Familienstand, Wohnort, berufliche Laufbahn, politische Einstellung, Auffälligkeiten … Also schon eine recht umfangreiche Biografie. Das habe ich dann mit dem Regisseur noch konkretisiert und angereichert und mir Geschichten aus Saschas Leben überlegt, auf die ich in der Rolle Bezug nehmen kann. Jan Georg Schütte hat das alles miteinander verwoben, weil es auch Geschichten gab, die nicht nur eine Figur betroffen haben, damit Bewegung reinkommt. Aber das war alles immer nur Möglichkeiten, nichts war festgelegt.

Franz Mitschowski (Nicholas Ofczarek, von links), Peter Faber (Jörg Hartmann), Martin Scholz (Bjarne Mädel), Martina Bönisch (Anna ...
Franz Mitschowski (Nicholas Ofczarek, von links), Peter Faber (Jörg Hartmann), Martin Scholz (Bjarne Mädel), Martina Bönisch (Anna Schudt), Marcus Rettenbach (Ben Becker), Sascha Ziesing (Friedrich Mücke), Christoph Scholz (Charly Hübner), Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) und Nadine Möller (Elena Uhlig) im Tatort „Das Team“. | Bild: WDR / Tom Trambow

Wenn Sie jemand fragen würde, warum er sich den Film anschauen sollte, was würden Sie sagen?

Zum einen natürlich, weil er vom üblichen Schema abweicht. Zum anderen, weil man die Kommissare, von denen einige ja schon aus dem Tatort bekannt sind, in einer ganz neuen Konstellation sieht. Und nicht zuletzt, weil wirklich große Spielfreude herrscht. Das ist mir persönlich am wichtigsten, denn wenn man die Schauspieler Spaß bei der Arbeit haben, überträgt sich das auch.

Haben Sie eigentlich einen Lieblingskommissar – im Tatort oder einem anderen Krimi?

Ich schaue eigentlich relativ wenige Krimis. Und einen Lieblingskommissar? Da muss ich passen.

Vielleicht Henry Funck, den Sie im Erfurter Tatort gespielt haben?

Nein, dafür gab es ihn zu kurz. Das war halt ein Versuch, mal etwas anderes zu machen.

Apropos Versuch – als solchen könnte man ja auch den Improvisations-Tatort bezeichnen. Würden Sie sagen, dass es sich immer lohnt, etwas Neues auszuprobieren?

Für Schauspieler lohnt sich das allemal. Aber auch die Macher solcher Projekte verdienen Respekt, weil sie sich trauen, andere Wege gehen. Ich finde nichts langweiliger, als immer das Gleiche zu sehen. Es gibt ja immer wieder Debatten um das Format Tatort und darum, wie innovativ man sein kann und will. Ich habe da als Schauspieler eine klare Meinung: Für mich ist es total wichtig, dass sich so ein Format immer wieder neu erfindet, dass es unterschiedliche Erzählformen gibt – gerade bei der Vielzahl der Teams. Die Welt dreht sich schließlich auch immer weiter.

Können Sie sich Ihre Rollen inzwischen eigentlich aussuchen und machen nur noch das, was Sie wirklich wollen? Oder spielen Sie auch mal in Filmen mit, damit Geld in die Familienkasse kommt?

Ich achte auf jeden Fall darauf, was ich spiele. Es gibt Zeiten, da kommen lauter tolle Angebote und ich kann mir das interessanteste aussuchen. Aber manchmal sieht es eben auch anders aus, da hat man keine große Auswahl. Aber prinzipiell ist es schon so, dass ich nur das machen will, was ich für Qualität halte – und das ging bisher eigentlich sehr gut.

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Sie sind auch auf Instagram unterwegs. Aus Neugier? Um sich als Schauspieler zu vermarkten? Weil man das halt heute so macht?

Ich mache das schon eine ganze Weile, wurde allerdings mal gehackt – danach waren alle Bilder weg. Vor kurzem habe ich dann also quasi noch mal von vorn angefangen. Mir macht das auf jeden Fall Spaß, und ich betreibe das ja auch in einem vertretbaren Rahmen, weil ich merke, wie schnell man im Internet zu viel Zeit verbringt.

Nutzen Sie es auch als Plattform, um mit Ihren Fans in Kontakt zu kommen, oder Werbung für Ihre Filme zu machen?

Auf jeden Fall. Gerade dafür ist Instagram ein sehr nützliches Werkzeug. Und weil mir persönlich auch noch Spaß macht, werde ich dort weiter aktiv sein.

Ihre Frau ist auch Schauspielerin, Sie haben drei Kinder – das klingt nach viel Organisation.

Das ist es auch, aber wir sind da inzwischen ein eingespieltes Team und kriegen das alles gut geregelt. Stressig finde ich es mittlerweile nicht mehr.

Stimmt es eigentlich, dass Sie ausgebildeter Erzieher sind?

Ja.

Warum haben Sie sich nach der Ausbildung entschieden, doch etwas anderes zu machen – also Schauspieler zu werden?

Eigentlich war die Erzieher-Ausbildung eine Art Zwischenstation, weil ich schon damals wirklich Bock auf Theater hatte und wusste, dass ich auf die Bühne und dort spielen will – oder auch zum Film. Aber da ich „nur“ einen Realschulabschluss habe, war ich einfach noch zu jung, um direkt auf die Schauspielschule zu gehen, ich hätte also warten müssen. Und ich habe damals ja auch nicht gleich jedes Vorsprechen gewonnen. Meine Eltern haben gesagt: Mach auf jeden Fall eine Ausbildung! Und ich konnte schon immer super mit Kids, also bin ich Erzieher geworden. Ich habe parallel dazu aber immer auch geschauspielert. Nach der Ausbildung habe ich auch noch eineinhalb Jahre als Erzieher gearbeitet, weil es nicht gleich geklappt hat und ich erst mit 23 an einer Schauspielschule aufgenommen wurde. Aber auch wenn ich nichts lieber sein will als Schauspieler, bin ich froh, dass ich noch die Ausbildung habe. Man weiß schließlich nie …

Wenn sich der Jahreswechsel nähert, ziehen viele Menschen ja Bilanz und machen Pläne. Wie ist das bei Ihnen?

Ganz genauso. Leider vergeht der Dezember immer so schnell – und plötzlich ist schon Januar. Aber die Zeit reicht, um ein bisschen runterzukommen und die Gedanken wandern zu lassen, in die Vergangenheit und die Zukunft. Ich habe dieses Jahr zum Beispiel einen sehr schönen Film mit Karoline Herfurth gemacht, der 2020 rauskommt. Da verbinden sich die beiden Jahre irgendwie.

Wie fühlt es sich eigentlich an, wenn Sie eine Schlagzeile wie „Der sympathische Traumtyp des deutschen Films“ über sich lesen? Fühlen Sie sich geschmeichelt, macht Sie das verlegen oder lachen Sie vielleicht sogar darüber?

Ich mag es eigentlich nicht, in eine Schublade gesteckt zu werden – auch wenn ich verstehen kann, dass das Teil meines Jobs als Schauspieler ist, in bestimmte Kategorien eingeordnet zu werden, je nachdem, was ich gerade gedreht habe. Aber: Es könnte mit Sicherheit schlimmere Aussagen über mich geben. (lacht)