Mr. Serkis, schon klar, „Planet der Affen: Survival“ ist ein Film über Primaten. Aber irgendwie hat die Geschichte auch viel mit aktueller Politik zu tun, oder?

Tatsächlich fällt mir, ehrlich gesagt, aktuell kein passenderer Film ein. Anhand von Caesar, dem von mir gespielten Schimpansen, und Woody Harrelsons Armee-Colonel wird so vieles verhandelt: Polarisierung etwa oder das Abhandenkommen der Fähigkeit, die Folgen des eigenen Handelns abzusehen. Es geht um isolierte Fundamentalisten, die ihre Empathie ausgeschaltet haben und ihre eigenen Interessen über alles andere stellen. Die Affen als Metapher der conditionhumaine sind natürlich ausgesprochen ergiebig. Deswegen war schon der erste Film damals, 1968 mit Charlton Heston, nichts anderes als ein Gesellschaftskommentar, der sich mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung auseinandersetzte. Die Tradition lebt in unseren Filmen weiter.

Sie verkörpern zum dritten Mal den Schimpansen Caesar. Verliert diese Rolle nicht irgendwann ihren Reiz?

Davon kann keine Rede sein. Auch beim dritten Mal war es kein bisschen langweilig, Caesar zu spielen. Ich liebe diese Rolle und würde sogar sagen, dass es eine der besten ist, die ich in meiner Karriere je gespielt habe. Selten habe ich mir eine Figur so sehr zu Eigen machen können. Caesar und ich – wie haben uns gemeinsam weiterentwickelt. Abgesehen davon gab es bei jedem Film neue Herausforderungen, von allem, was Caesar emotional durchmacht, bis hin zu seiner Sprache, die immer menschlicher wurde, aber trotzdem glaubwürdig bleiben musste.

Die technische Seite, das so genannte Performance- oder Motion-Capture-Verfahren, ist dagegen vermutlich längst ein Kinderspiel für Sie, oder?

Schauspielerei ist nie ein Kinderspiel. Und genau das ist der springende Punkt: Um nichts anderes als Schauspielerei geht es bei einem Job wie diesem. Daran ändert sich nichts, nur weil man mit Motion Capture arbeitet. Sicher, ich trage am Set einen hautengen Ganzkörperanzug mit lauter Sensoren drauf und habe eine kleine Kamera direkt vor meinem Gesicht. Aber ansonsten spiele ich die Rolle genauso wie jede andere auch; da gibt’s keinen Unterschied in der Herangehensweise. Sicherlich mache ich mir Gedanken darüber, was es in Sachen Mimik und Gestik bedeutet, einen Affen zu spielen. Aber die Technik selbst kann man im Moment des Spielens getrost ausblenden.

Sie hatten noch nie die Schnauze voll?

Wirklich kein bisschen. Denken Sie doch mal an die alten „Planet der Affen“-Filme. Damals trugen die Schauspieler, die die Affen darstellten, Zentimeter-dickes Make-up im Gesicht. Für ein klein wenig Mimik mussten die echte Gesichts-Akrobatik leisten. Anderenfalls sah das aus wie eine Totenmaske. Ich bin wirklich enorm froh, dass ich dank der modernen Technik auch als Affe noch die subtilste Emotion in meinem Gesicht darstellen kann, statt übertrieben pantomimisch tätig werden zu müssen. Für Schauspieler und Filmemacher ist Motion Capture ein großes Geschenk.

Seit dem Vorgänger „Planet der Affen: Revolution“ sind drei Jahre vergangen. Hat die Technik seither noch einmal einen großen Sprung gemacht?

Nicht so sehr in dem Sinne, dass sich meine Arbeit vor der Kamera sonderlich verändert hätte. Mit nichts als einem dünnen Elastan-Anzug bekleidet tagelang im Schnee zu drehen, ist immer noch kein Vergnügen. Aber natürlich gab es im Kleinen allerlei technische Verbesserungen.

Die erfreuliche Begleiterscheinung für Sie als Schauspieler dürfte sein, dass die Menschen Sie in der Öffentlichkeit vermutlich gar nicht erkennen, richtig?

Das sollte man meinen. Aber erstaunlicherweise werde ich ziemlich oft angesprochen. Manchmal natürlich aufgrund von Rollen, in denen ich ganz herkömmlich mit meinem eigenen Gesicht zu sehen bin. Oft aber erkennen mich Fans tatsächlich als Caesar. Vermutlich gucken sie sich eben doch das Hinter-den-Kulissen-Material auf den DVDs an. Am häufigsten angesprochen werde ich aber bis heute immer noch auf Gollum. Sie glauben gar nicht, wie oft ich „Mein Schatz!“ und solche Sachen sagen muss. Diese Rolle wird mich bis an mein Lebensende verfolgen.

Fragen Sie sich manchmal, wo Sie heute wären, hätten Sie damals nicht bei „Der Herr der Ringe“ zugesagt?

Nicht wirklich. Denn ich hätte vermutlich einfach das gemacht, was ich auch vor dem Film getan habe: Rollen in Film und Fernsehen spielen und am Theater auf der Bühne stehen. Vor allem Letzteres vermisse ich sehr, das muss ich unbedingt mal wieder machen.

Ihr echtes Gesicht hat man seit Jahren nicht mehr auf der Leinwand gesehen. Haben Sie manchmal das Gefühl, Sie bekommen keine Angebote, die nichts mit Motion Capture zu tun haben?

Ach, das wäre vollkommen übertrieben. Es ist wirklich nicht so, dass mir nicht auch andere Jobs angetragen würden. Aber die haben mich in letzter Zeit nicht annähernd so sehr überzeugt wie andere Jobs. Mit Peter Jackson oder den neuen „Star Wars“-Filmen kann eben kaum jemand mithalten. Trotzdem muss ich noch einmal betonen: Diese Unterscheidung zwischen Motion-Capture-Rollen und vermeintlich normalen machen Sie, nicht ich. Für mich ist das beides das gleiche – und von der Eitelkeit, mein Gesicht auf der Leinwand sehen zu wollen, habe ich mich schon lange verabschiedet.

 

Zur Person

Andy Serkis (53) bekann seine Karriere am Theater und stand seit den 90er-Jahren auch vor der Kamera. Durch seine Darstellung des Gollum in Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Filmen wurde der Brite 2001 schlagartig international bekannt. Seitdem spielt er vorwiegend Rollen (zum Beispiel in „King Kong“ oder „Star Wars“), in denen sein Gesicht nicht zu sehen ist – bei der so genannten Motion-Capture-Technik ist er quasi das Bewegungsmodell für seine Figuren, so wie nun zum dritten Mal als Caesar in „Planet der Affen“. Serkis ist verheiratet und hat drei Kinder.

 

Der Trailer zum Film