Von ihrem eigenen Tod sprach Jeanne Moreau abgeklärt und poetisch zugleich, direkt und ohne Tabu – so, wie es ihre Art war. Das Leben sei „wie ein brachliegender Garten, der uns bei der Geburt anvertraut wird“, sagte sie einmal. „Man muss ihn schön lassen zu dem Zeitpunkt, an dem man die Erde verlässt.“ Jetzt ist das passiert: Am 31. Juli 2017 starb die französische Schauspielerin in ihrer Pariser Wohnung. 89 Jahre wurde sie alt – 65 davon prägte sie das französische und internationale Kino. Die Erinnerung, die sie hinterlässt, ist durchaus mit einem blühenden und sehr vielseitigen Garten zu vergleichen.
In fast 60 Theaterstücken stand Jeanne Moreau auf der Bühne, mehr als 110 Filme drehte sie (zuerst 1949 „Letzte Liebe“, zuletzt 2015 „Das Talent meiner Freunde“). Dazwischen war „La Moreau“, wie Bewunderer sie nannten, die Muse (manchmal auch mehr) von Regisseuren von Orson Welles, François Truffaut, Louis Malle, Jean-Luc Godard, Rainer Werner Fassbinder oder Wim Wenders. Sie war eine der wenigen Charakterdarstellerinnen, die sich über Jahrzehnte hielten. „Gefährliche Liebschaften“, „Fahrstuhl zum Schafott“, „Jules und Jim“ sind nur einige der Klassiker, die sie zu einer Leinwand-Ikone machten. Sie spielte Nonnen, Prostituierte, Liebende, Ehebrecherinnen – und verkörperte in „Viva Maria!“ auch die verführerische Femme fatale.
Die in Paris geborene Tochter einer englischen Tänzerin und eines französischen Gastwirts begann gegen den Willen ihrer Eltern eine klassische Theater-Ausbildung. „Wenn man von seiner Familie nicht ermuntert wird, treibt einen eine große Entschlossenheit, Energie“, erklärte Moreau dazu einmal.
Mit 21 Jahren heiratete sie den Regisseur Jean-Louis Richard und gebar nur einen Tag nach der Hochzeitsfeier den gemeinsamen Sohn, Jérôme. Später schockierte sie mit der für sie so typisch ehrlichen Aussage, sie habe kein Kind gewollt und sei kein mütterlicher Typ. Nach zwei Jahren ging die Beziehung zu Richard zu Bruch, ebenso wie eine spätere Ehe mit dem US-Regisseur William Friedkin. Liebesbeziehungen sollten viele weitere folgen, oft mit berühmten Männern wie Schauspieler Marcello Mastroianni, Schriftsteller Peter Handke oder Modemacher Pierre Cardin. „Ich habe viele Männer verführt. Ich war immer von Männern angezogen, die Talent haben“, sagte Moreau 2012.
Als freie und moderne Frau trat die Französin im Leben wie in ihren Filmen auf, wurde zum Star der intellektuell-experimentellen Nouvelle-Vague-Bewegung und weit darüber hinaus. Ihre tiefe Stimme nutzte sie bisweilen auch zum Singen. Bis zu ihrem Tod werde sie spielen, sagte sie vor ein paar Jahren: „Ich habe anderes zu tun als mir zu sagen: Merde, ich werde alt.“
Zu den vielen Persönlichkeiten, die betroffen auf Jeanne Moreaus Tod reagierten, gehörte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. „Man könnte sagen, dass ein Teil der Kino-Legende von uns geht“, sagte er. „Aber ihre ganze Arbeit zielte ja genau darauf ab, niemals ihre Kunst in einer Mythologie erstarren zu lassen.“ Und so gibt es einen Teil des Mythos, der bleibt.