Was hat der Rock’n’Roll mit dem Fußball gemeinsam? Nein, nicht das hohe Tempo, nicht die umjubelten Superstars und auch nicht die ekstatischen Fans. Es ist: der Niedergang als Kultur des kleinen Mannes.

Rock’n’Roll, das war einmal eine Musik, die man auf der Straße spielte statt in Konzerthäusern. Instrumente galt es nicht zu beherrschen, sondern zu lieben. Man rebellierte gegen die Eltern-Generation, zeigte sich solidarisch mit den Armen, kritisch gegenüber den Wohlhabenden. Legendär ist John Lennons Provokation bei einem Auftritt in feiner Gesellschaft 1963: Statt zu klatschen, könnten die Zuhörer ja auch einfach mit ihren Juwelen rasseln, ätzte er.

Fußball, das war mal ein Straßensport

Und Fußball, das war einmal ein Sport, den man auf der Straße spielte statt in hochgerüsteten Arenen. Mitkicken durfte jeder, der zwei Beine hatte. Herkunft, Bildung, Wohlstand: Das alles spielte keine Rolle. Die Reichen schickten ihre Kinder zum Tennis oder zum Reiten. Doch wenn die verachteten Jungs von der Straße plötzlich bei einer Weltmeisterschaft spielen durften, saß die ganze Nation vor dem Radio.

Diese Zeiten sind vorbei. Bei ihrem Auftritt in Stuttgart richten die Rolling Stones für das betuchte Publikum eigens VIP-Plätze ein. Wer Geld hat, braucht weder Schlange zu stehen noch Juwelen-Witze auf seine Kosten zu befürchten. Und der einstige Arbeiter-Sport gibt seine größten Momente nur noch gegen viel Geld preis: Wer sich die Exklusiv-Angebote des Bezahlfernsehens leisten will, sollte nicht knapp bei Kasse sein. Von den Eintrittspreisen der hochmodernen Wohlfühl-Arenen oder Reisekosten zur kommenden Weltmeisterschaft nach Katar ganz zu schweigen. Bayern München gegen Real Madrid oder Borussia Dortmund gegen Manchester United: Kinder aus ärmeren Familien lernen solche Höhepunkte der Ballkunst kaum mehr kennen.

Kommt trotzdem eines auf die Idee, später selbst mitkicken zu wollen, dann reicht nicht mehr das Bolzen auf dem Hinterhof. Es müssen schon beste Platzverhältnisse sein, eine hochwertige Trainingsausrüstung und regelmäßiger Spielbetrieb mit weiten Fahrten. Aber vor allem geht es so früh wie möglich ins Fußball-Internat mit hauseigenen Physiotherapeuten, High-Tech-Geräten und Videoanalyse. Nichts für einfache Arbeiterkinder.

Wo etwas zugrunde geht, wächst Neues nach. Mit dem Hip-Hop ist längst eine neue Ausdrucksform der jugendlichen Rebellion entstanden. Und so wird bald auch eine neue Sportart in jene Lücke stoßen, die der Fußball hinterlässt. Um den Sport in seiner jetzigen Form ist es wirklich nicht schade.