Die Leichen sind zurück. Die „Körperwelten“-Show tourt wieder durch die Region. Nach Ulm ist Freiburg dran, vom 17. Mai bis 25. August2019. Seit 1988 zeigt Gunther von Hagens, der aussieht wie ein Wiedergänger von Joseph Beuys, seine präparierten Leichenteile. Pokerspieler, Spitzentänzer, Bogenschützin, alles live und sehr tot.
Leichen wurde die Haut abgezogen, ihr Körper zerlegt und zerfieselt, in Pose geruckt zum starren Totentanz der Knochen, Muskeln und Sehnen. Ästhetik des Schreckens oder schrecklich brutale Ästhetik? Menschen werden ausgezogen bis unter die Haut, bis auf die Knochen. Das gibt es nicht mal im Rotlicht-Viertel.

Diese im Luxuskleid ihres rohen Fleischs hergerichteten Menschen, sie riechen nicht, sie bluten nicht, sie schleimen nicht. Sie sind perfekt – weil sie tot sind. Der Präparator modelliert aus echtem Menschenfleisch und Plastik tote Statuen, das nicht mehr schlagende Herz wird ein Exponat. Kunst?
Kunst beschreitet seit jeher den umgekehrten Weg. Sie will weg vom Tod. Sie will beseelen. Die Fantasie von Prometheus bis zum Animationsfilm richtet sich darauf, totem Material ein Eigenleben zu geben. Marmorstatuen, mechanische Puppen wie Coppelia, Roboter, Nussknacker, Homunculi – alles sollte leben.
Der Mensch als Material
Die „Korperwelten“ funktionieren umgekehrt. Der einstmals lebendige Mensch wird zur Attraktion nur, weil er sich in einen „echten Toten“ verwandelt hat. Seine Seele, seine Lebensgeschichte, all das, was ihn zum Individuum machte, wird unterschlagen. Der Mensch zahlt nur als Material.
Die Toten-Schau wird als Fortbildungsveranstaltung verkauft, sie soll über Gesundheit aufklären. Alles nur Werbung, denn die wichtigste Attraktion hier ist der Tod. Enthautete Tote werden Augenfutter fur Schaulustige – ist das nicht eine besonders feine Spielart von Kannibalismus? Man kann es als Sensationslust abtun.
Vielleicht ist es komplizierter. Der Philosoph Walter Benjamin schrieb über die Gesellschaft: „Ihre Selbstentfremdung hat jenen Grad erreicht, der ihre eigene Vernichtung als asthetischen Genuss ersten Ranges erleben lasst.“