Wenn es sich das deutsche Fernseh-Publikum an Weihnachten auf dem Sofa bequem macht, gesättigt von festlichem Essen und ermattet vom großzügigen Geschenke-Austausch, dann darf eines nicht fehlen: das Traumschiff. In alter Gewohnheit stechen die Kreuzfahrer am zweiten Weihnachtstag in See, begrüßt und umsorgt seit bereits 36 Jahren von Chef-Hostess Beatrice, gespielt von Heide Keller.

Die beiden Folgen der Reihe, die das ZDF am 26. Dezember und 1. Januar zeigt – dazu im Anschluss der Ableger „Kreuzfahrt ins Glück“ – sind die letzten, in denen die 76-jährige Schauspielerin zu sehen sein wird. Ihre Nachfolgerin Barbara Wussow steht schon bereit.

Das Geheimnis des Erfolgs: "Eskapismus"

36 Jahre sind eine lange Zeit – damals wie heute lässt sich der Erfolg des Traumschiffs gleich begründen. Eskapismus nennt man das Phänomen, ein Lieblingswort der Medienpsychologen. Laut dieser These sehen wir fern, um Bedürfnisse zu befriedigen.

Eskapismus bedeutet nichts anderes als Wirklichkeitsflucht – diesen Wunsch kann jeder Film erfüllen, das Traumschiff jedoch am besten. Weil man nicht einfach andere bei ihren Alltagsverrichtungen beobachten und so den eigenen Stress abbauen und Probleme vergessen kann, sondern weil man gleichzeitig Orte dieser Welt sieht, die man im echten Leben niemals sehen wird. Da werden unerfüllte Wünsche wenigstens stellvertretend wahr. Reisen mag heute erschwinglicher sein als zum Traumschiff-Start 1981 – aber eine Luxus-Kreuzfahrt (20 Tage Asien mit der Amadea gibt es ab 3500 Euro) kann sich auch heute noch nicht jeder leisten.

Das sieht nicht nur Heide Keller so, sondern auch Nick Wilder, der Schiffsarzt Wolf Sander spielt. Die Lust am Reisen und das Fernweh der Zuschauer machen seiner Meinung nach die Faszination der Reihe aus. Und, nicht zu vergessen, „dass die Geschichten immer gut ausgehen“. Die Sehnsucht nach einem Happy End ist in unsicheren Zeiten stärker denn je.

Und wenn das Traumschiff etwas bietet, dann Happy Ends. Man mag einwenden, dass das alles zu vorhersehbar sei. Stimmt – aber das ist gefragt, wenn man die Seele baumeln lassen will. Heitere Verwicklungen, leichte Spannung, die das Herz nicht aus dem Rhythmus bringt, sympathische Figuren (gespielt von vertrauten Gesichtern) und die große weite heile Welt.

Genauso hatte es Traumschiff-Vater Wolfgang Rademann gewollt: etwas Spannendes, etwas Lustiges, etwas fürs Herz. Ein bisschen mehr als die Hälfte der Geschichte spielt an Bord, ein bisschen weniger im Reiseland. Am Ende ist der Streit beigelegt, die Ehe gerettet, der Bösewicht überführt. Da findet sich jede Generation wieder. ZDF-Intendant Thomas Bellut lobt „opulentes Star-Fernsehen, Familienunterhaltung und begeisterndes Reise-Erlebnis“.

Der Regisseur Hans-Jürgen Tögel (l-r) und die Schauspieler Harald Schmidt (als Kreuzfahrtdirektor Schifferle), Siegfried Rauch (als ...
Der Regisseur Hans-Jürgen Tögel (l-r) und die Schauspieler Harald Schmidt (als Kreuzfahrtdirektor Schifferle), Siegfried Rauch (als Kapitän Paulsen), Heide Keller (als Chefstewardess Beatrice), Nick Wilder (als Schiffsarzt Dr. Sander) Wolfgang Rademann (Gesamtleitung) und Inka Bause (als Fitnesstrainerin Inka). | Bild: Angelika Warmuth (dpa)

Immer noch ein Quoten-Hit

Bei der Quote kommt das Traumschiff heute nicht mehr an Zeiten heran, in denen bis zu 25,5 Millionen Zuschauer einschalteten – das war 1984. Spitzenreiter ist das Format trotzdem regelmäßig, zuletzt am Ostersonntag mit 6,53 Millionen Zuschauern.

Christian Opitz, Professor an der Zeppelin Universität Friedrichshafen, und sein Osnabrücker Kollege Kay Hofmann haben sich gefragt, warum Reihen so erfolgreich sind. Zwar am Beispiel von Kino-Filmen – aber das Prinzip lässt sich übertragen, so die Wissenschaftler. Sie glauben: Je mehr man über ein Format weiß, desto lieber schaut man zu. „Fortsetzungen von erfolgreichen Filmen signalisieren ein ebenfalls erfolgreiches Produkt, ziehen entsprechend eine größere Menge an Zuschauern an und reduzieren auf diese Weise das Risiko von Filmproduzenten.“ Man könnte sagen: Wer einmal das Traumschiff gesehen hat und Gefallen daran findet, weiß jede weitere Folge wertzuschätzen – solange das Gerüst bestehen bleibt.

Das sagt, in anderen Worten, auch Nick Wilder. Das Erfolgsgeheimnis des Traumschiffs ist seiner Meinung nach: „Kontinuität! Man reist immer mit zu einem Traum-Urlaubsziel, erfährt so einiges über das Land und die Leute, und die Kapitäns-Rede und die Tortenparade sind garantiert!“ Das einzige Problem, das wusste schon Wolfgang Rademann, könnte also sein: Irgendwann geht dem Traumschiff die Welt aus.

 

Zahlen und Fakten zum Traumschiff

  • Die Serie
    Die erste Traumschiff-Folge lief am 22. November 1981 im ZDF – Reiseziel waren damals die Bahamas. Die Idee zu dem Format stammte von dem Produzenten Wolfgang Rademann (1934-2016). Produziert wird die Reihe von der Polyphon Film- und Fernsehgesellschaft.
  • Die Musik
    Die bekannte Titel-Melodie (seit Folge 13, 1986) stammt von James Last – ebenso wie der Dinner-Marsch, der am Ende jeder Folge erklingt
  • Die Besatzung
    Neben der Chef-Hostess (seit der ersten Folge gespielt von Heide Keller), läuft an Bord nichts ohne den Kapitän (zuerst Günter König, dann Heinz Weiss von 1983-1999, Siegfried Rauch von 1999-2013, seit 2014 Sascha Hehn, der bereits als Chef-Steward und Erster Offizier Traumschiff-Erfahrung gesammelt hat) und den Schiffsarzt (von 1983-2010 Horst Naumann, seit 2011 Nick Wilder). Neuerdings gibt es auch einen Kreuzfahrtdirektor (Harald Schmidt).
  • Die Urlauber
    Die Liste der Schauspieler mit fünf und mehr Auftritten auf dem Traumschiff ist gar nicht mal so kurz – dazu gehören Marek Erhardt, Günther Maria und Elmar Wepper, Gaby Dohm, Gila von Weitershausen und Gerit Kling.
  • Das Schiff
    Auf fünf verschiedenen Schiffen wurde bislang gedreht. Recht kurz war das Vergnügen auf der Vistafjord (1981-1982) und der Astor (1983-1984). Die Berlin war von 1986-1999 im Dienst, die Deutschland danach bis zur Insolvenz der Betreibergesellschaft 2015. Seitdem heißt das Traumschiff Amadea.