Do Schmitt-Hollstein

Politisch aktueller könnte die Große Landesausstellung im Karlsruher Schloss nicht sein, und das, obwohl sie einen „alten“ Pharao würdigt. Nach einem Weltkrieg zweier Großmächte der Antike, der das Land zwischen dem heutigen Libanon und Syrien verwüstete, aber keiner den Sieg brachte, schloss Ramses II. 1259 v. Chr. mit dem Hethiterkönig Hattuschili III. (aus der heutigen Türkei) den ersten bekannten Friedensvertrag der Welt – die Kopie einer Tontafel hängt jetzt im UN-Hauptquartier in New York. Doch nicht nur an diese beispiellose Großtat, auch an das ungewöhnlich lange und erfolgreiche Leben des „göttlichen Herrschers am Nil“ (1303-1213 v. Chr.), der in 66 Jahren Regierungszeit Ägypten prägte wie kein anderer, erinnert das Badische Landesmuseum in seinem kulturhistorischen Rückblick.

Wie sich eine Beinahe-Niederlage propagandistisch in einen glorreichen Sieg ummünzen lässt, auch das machte Ramses II. beispielhaft vor. Das Museum hat das dem Frieden vorangegangene Kriegsgeschehen medial-anschaulich inszeniert. Aus der Fülle der Schilderungen haben Historiker nämlich herausgelesen, dass bei der berühmten Schlacht von Kadesch 1274 v. Chr., unweit des heutigen Homs in Syrien, nur die gerade noch rechtzeitig aufgetauchte Elitetruppe das Leben des Pharao rettete. Er selbst sah sich unter dem Schutz seines „göttlichen Vaters Amun-Re“.

Beim Friedensschluss standen dem Pharao im Nachfolger des damaligen Kontrahenten ein kluger Hethiterherrscher und dessen umsichtige Gattin gegenüber – auch ihr Siegel ziert den im Original auf Silbertafeln gravierten Staatsvertrag. Hin- und herreisende „Außenminister“, die sich auf beiden Seiten in der Diplomatensprache Akkadisch verständigten, hatten das Abkommen sorgfältig vorbereitet. Der folgende Briefwechsel zwischen den Herrscherhäusern ist, in den Twitter-Stil übersetzt, vergnüglich nachzulesen.

Auch bei der späteren Verheiratung zweier Hethiterprinzessinnen mit dem Pharao sorgte die Mutter Puduhepa offenbar dafür, dass die Töchter nicht als Beute für den Harem reisten, sondern jede mit großem Gefolge als „Große Königliche Gemahlin“ (deren es freilich einige gab) in Ägypten mit allen Ehren empfangen wurde. Der männliche Nachwuchs aus solchen Ehen erhielt hohe Amtstitel und wichtige Aufgaben. Die Töchter wurden gut verheiratet, aber aus heiratspolitischer Vorsicht umgekehrt nie aus dem Land gegeben. Namentlich überliefert sind fast hundert Kinder von Ramses II., der, wenn auch schwerkrank, ein Alter von mindestens 80 Jahren erreichte.

Wer nie Gelegenheit hatte, die Pyramiden zu bestaunen, bekommt in Karlsruhe einen ungefähren Eindruck von der Gigantonomie der altägyptischen Bauweise in der Spätbronzezeit. Kein anderer Pharao habe so viele Bauwerke und Statuen hinterlassen wie Ramses der Große, heißt es. Die Tempelanlagen in Abu Simbel, erst in den 1960er Jahren in einer internationalen Hilfsaktion vor den Fluten des Assuan-Staudamms gerettet, und sein Tempelpalast, das Ramasseum in Theben, sind die spektakulärsten Beweise unter zahlreichen anderen Bauten. Mitunter ließ der Pharao auch Statuen seiner Vorgänger „aktualisieren“.

Besonders stolz ist Kurator Lars Petersen auf eine aus Straßburg geborgte tonnenschwere Sitzfigur des Pharao. Aus London stammt die Riesenfaust einer ehemals 15 Meter hohen Statue. Virtuell rekonstruiert ist die neue Hauptstadt des Pharao, Pi-Ramesse, damals eine der größten Metropolen des Vorderen Orient. Dort wird immer noch, auch mit deutscher Beteiligung, ausgegraben.

Typisch für das Badische Landesmuseum ist darüber hinaus der bewusste Blick auf das Alltagsleben in jener Zeit, das in vielen kleinen Exponaten zu erahnen ist. Dass all die eigenen Stücke wie die Leihgaben seit langem in Europa gehütet werden und kein Kollege Antikes aus zweifelhaften Quellen ankauft, versicherte BLM-Chef Eckart Köhne auf Frage des SÜDKURIER. Er erwähnte aber auch, dass Ägypten zur Zeit ein „schwieriger Partner“ sei.

Dass Kairo die echte Ramses-Mumie nicht ausleiht, ist nachvollziehbar. Eine Kopie dient als Ersatz. Und schließlich lässt sich auch an einer echten Katzenmumie die Technik studieren, der der tote Ramses unterzogen wurde. Nur eine Frage bleibt offen: ob der biblische Exodus der Israeliten und ihre Flucht durch das Rote Meer historisch nachzuweisen ist. Auf einer späteren, als „Israelstele“ bekannten Siegessäule rühmt sich der Ramses-Nachfolger Merenptah um 1208 v.Chr., eine „hebräische Volksgruppe vernichtet“ zu haben. Mehr weiß man bislang nicht.

Wenn aber ein Pharao Misserfolge in Siege umdeutet, um seine Macht zu festigen, warum sollen dann nicht auch hebräische Nomaden überlieferte Erfahrungen zu einem Gründungsmythos verdichtet haben, um sich als kleines Volk mit eigener Identität neben anderen zu behaupten?

Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Schloss. Bis 18. Juni. Di bis So, Fei 10-18 Uhr. Katalog 29,90 Euro. Weitere Infos: www.landesmuseum.de