Was macht man, wenn man den Eindruck hat, dass der eigene Bestseller vom Großteil der Leserschaft irgendwie falsch verstanden wurde? Weil man weder ein autobiografisches Bekenntnis vorlegen noch als „Stimme einer Generation“ verstanden werden wollte – und in genau diese Schubladen gesteckt wird? Man macht aus dem Buch einfach einen Film. Zumindest wenn man Helene Hegemann ist, die als 18-Jährige mit ihrem Debüt-Roman „Axolotl Roadkill“ Aufsehen erregte – und mit 25 Jahren als Regisseurin und Drehbuch-Autorin die ironisch in „Axolotl Overkill“ umbetitelte Adaption verantwortet.
Im Zentrum ihrer Geschichte steht die junge Berlinerin Mifti (atemberaubend: Jasna Fritzi Bauer), die ihre Mutter verloren hat und sich keinen Deut für die Schule interessiert. Der Vater (Bernard Schütz) macht in seinem kalten Neubau-Eigenheim samt zweiter Gattin zumindest als Erziehungsberechtigter wenig her, und auch die WG mit der hysterischen großen Halbschwester (Laura Tonke) und dem Schluffi-Bruder (Julius Feldmeier) geht kaum als stabiles Zuhause durch. Also träumt Mifti von ihrer Affäre mit Alice, einer schicken Drogendealerin Mitte 40, oder hängt sich an ihre neue Freundin Ophelia (Mavie Hörbiger), einem außer Kontrolle geratenden Fernseh-Star. In einer Mischung aus Trotz, Lebenshunger und Verlorenheit taumelt sie durch die Berliner Nächte, immer auf der Suche nach dem nächsten Kick.
Dass Mifti dabei Sätze sagt wie „Vielleicht sollte ich mal richtig vergewaltigt werden“ dürfte schon reichen dafür, dass manche Zuschauer mit heftiger Ablehnung auf „Axolotl Overkill“ reagieren. Dabei sind Schock und Provokation kaum Hegemanns Punkt. Mifti ist eine Protagonistin, der sehr vieles herzlich egal ist, allen voran die Reaktionen, die sie in ihrem Umfeld auslöst. Eine solche Kino-Heldin zu sehen, ist ungewohnt: Man kann sie nervig finden – oder herrlich erfrischend.
Um Konventionen oder auch nur eine in sich geschlossene Handlung schert die Regisseurin sich wenig, stattdessen geht es um eine mitreißende Stimmung, Impulsivität und die bewusste Abwesenheit von moralischer Bewertung und Psychologisierung, erhobenen Zeigefingern und Rührseligkeit. Und um einen wunderbaren Pinguin-Gastauftritt. So ist „Axolotl Overkill“ ein in teilweise surreal-impressionistischen Momenten unkonventionell, ungestüm und bisweilen rätselhaft erzählter Film, der Spaß macht, auch wenn nicht jede Szene überzeugt. Daran, dass die spannendsten Beiträge zum deutschen Kino derzeit von Frauen gedreht werden, besteht kein Zweifel mehr.
Abspann
Regie: Helene Hegemann
Darsteller: Jasna Fritzi Bauer, Laura Tonke, Mavie Hörbiger, Bernard Schütz
Länge: 94 Minuten
FSK: freigegeben ab 12 Jahren
Verleih: Constantin Film
Fazit: Frisch, cool und energiegeladen.
Der Trailer zum Film