Während in Baden-Württemberg schon die Krisenszenarien für einen Import-Stopp russischer Gaslieferungen aufgezogen werden, muss sich die Schweiz darüber weniger Sorgen machen. Zwar kamen im Jahr 2021 laut Verband der Schweizerischen Gasindustrie 43 Prozent der Gasimporte in die Schweiz aus Russland, gefolgt vom Herkunftsland Norwegen mit 22 Prozent und EU-Ländern mit 19 Prozent. Allerdings spielt Gas in der Gesamtbilanz des eidgenössischen Energieimports mit rund sieben Prozent nur eine geringe Rolle.

In der Schweizer Gesamtenergiestatistik von 2021 lagen beim Endverbrauch laut der vorläufigen Schätzung des Bundesamts für Energie BFE vom März 2022 wie in den Vorjahren Erdölprodukte – Brennstoffe und Treibstoffe – klar auf dem ersten Platz vor Elektrizität und Gasverbrauch. Die Schweiz könnte sich durch Wasserkraft, erneuerbare Energien und Atomkraft zwar mit Energie selbst versorgen, handelt aber dennoch etwa Strom mit Deutschland – im Sommer wird exportiert, im Winter importiert.

Immer weniger Haushalte in der Schweiz nutzen Gas

Der größte Teil des Gasimports in die Schweiz wird für Heizungen von Privathaushalten gebraucht. Deren Zahl allerdings sinkt bereits seit dem Beschluss des neuen Schweizer Energiegesetzes im Jahr 2017 beständig. Damit wurde der erlaubte CO2-Ausstoß von Öl- und Gasheizungen drastisch reduziert, für Neubauten sind sie ohnehin schon verboten.

Um diesen Wandel zu beschleunigen und die Abhängigkeit von Gasimporten schneller zu verringern, fordern die Grünen im Schweizer Nationalrat ein Programm zum Austausch der Heizungen. „190.000 Heizungen müssten noch ausgetauscht werden, dann wären wir unabhängig. Das ist machbar“, sagte Alina Trede, Fraktionspräsidentin der Grünen im Nationalrat, am Mittwoch am Rande eines Delegationsbesuchs bei der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag.

„Es bräuchte für drei Jahre jeweils 1,5 Milliarden Franken, für Schweizer Bundeshaushaltsverhältnisse ist das eine eher bescheidene Summe“, sagte Trede. Aber selbst wenn die Gasimporte aus Russland einbrechen würden, so Trede, habe die Schweiz bereits vorgesorgt und zusätzliche weitere LPG-Lieferverträge abgeschlossen. „Eine Winterlücke wird es nicht geben“, so die Schweizer Grünen-Politikerin.

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Auch Rahmenabkommen Teil der Gespräche

Die Abhängigkeit von fossilen Brenn- und Treibstoffen, der Ausbau der erneuerbaren Energien und eine gesamteuropäische Energiepolitik angesichts des Kriegs in der Ukraine standen neben den Folgen des gescheiterten Rahmenabkommens im Mittelpunkt der politischen Gespräche.

„Energiepolitik ist auch Sicherheitspolitik. Baden-Württemberg, die Schweiz, Deutschland und Europa müssen schnellstmöglich unabhängig werden von Öl, Kohle und fossilem Gas“, heißt es in einer von Trede und dem Grünen-Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz am Mittwoch gemeinsam unterzeichneten Erklärung.

Andreas Schwarz, Grünen-Fraktionsvorsitzender in Baden-Württemberg.
Andreas Schwarz, Grünen-Fraktionsvorsitzender in Baden-Württemberg. | Bild: Marijan Murat

Darin wird auch gefordert, die Schweiz möge sich angesichts des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine künftig selbstbewusster, stärker und als verlässlicher Partner in die europäische Gemeinschaft einbringen. Die derzeitigen Ereignisse seien auch eine Chance, das „Klein-Klein“ der Schweizerisch-Europäischen Beziehungen zu überwinden, heißt es weiter.

Zumindest zum Thema Energiesparen hatte die Schweizerin für die deutschen Nachbarn auch noch einen Praxistipp im Gepäck. Sie sei ein bisschen neidisch auf die Tempolimit-Diskussion in Deutschland, sagte Trede. „Mit einer Drosselung auf Tempo 120 lässt sich sehr viel Treibstoff einsparen. Die Einsparmasse haben wir in der Schweiz nicht mehr, da haben wir ja das Tempolimit schon lange.“

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