„Wir können in die Normalität zurückkehren.“ Mit diesen Worten hat der Schweizer Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch die verbleibenden Corona-Infektionsschutzmaßnahmen aufgehoben. Damit fällt nicht nur die Maskenpflicht, die in öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern und Pflegeheimen noch galt, sondern auch die Isolationspflicht für Infizierte. Damit müssen Corona-Positive ab Freitag, 1. April, nicht mehr zu Hause bleiben, können einkaufen, zur Arbeit gehen und alles tun – mit dem vollen Risiko für ihre Umwelt.
Dabei sind die Inzidenzen in der Schweiz nach wie vor hoch, allein seit 2. März haben sich fast 633.000 Eidgenossen infiziert. Die Zahlen sind allerdings nur bedingt belastbar, weil sich nicht mehr so viele Menschen testen lassen: Bereits seit Mitte Februar gibt es keine 3G-Zugangsbeschränkungen mehr.
Fast die Hälfte der PCR-Tests sind allerdings positiv, dies lässt nach Einschätzungen von Experten auf eine hohe Dunkelziffer schließen. Und noch immer werden täglich 160 Menschen mit Covid ins Krankenhaus eingeliefert, immer noch sterben täglich Menschen an dem Virus.

Keine Überlastung der Krankenhäuser in der Schweiz
Die Entscheidung begründet der Minister damit, dass die Aufhebung der umfangreichen Maßnahmen Mitte Februar nicht zur befürchteten Überlastung der Krankenhäuser geführt habe. Zudem seien mehr Menschen immunisiert – auch durch die schnelle Verbreitung von Omikron. „Deshalb gehen wir davon aus, dass wir eine sehr hohe Immunität in der Bevölkerung haben“, erklärt Berset. Geimpft sind allerdings weniger als 70 Prozent der Bevölkerung.
Auch sollen weiterhin kostenlose Tests für Schweizer Bürger angeboten werden. Arbeitgeber forderte Berset auf, „entgegenkommend“ mit den Krankschreibungen zu sein, da mit den nach wie vor hohen Inzidenzen in der Schweiz andernfalls eine Überlastung der Hausarztpraxen zur befürchten sei. Betroffene sollten die Möglichkeit haben, zu Hause zu bleiben, um Menschen mit hohem Risiko eines schweren Verlaufs zu schützen. Die Pflicht dazu aber besteht ab 1. April nicht mehr.
Auch deshalb wird die Schweizer Covid-App abgeschaltet – der Betrieb sei nicht mehr zielführend, wenn Infizierte nicht mehr in Isolation müssen, hieß es dazu in einer Erklärung des Bundesrats. Damit können auch keine Begegnungen mit Infizierten mehr an die deutsche Corona-Warnapp gemeldet werden, was bisher über die Schweizer App möglich war.
Kantone können Maßnahmen treffen
Eine funktionierende Überwachung der Pandemie ist so nicht mehr möglich. Den Kantonen steht es aber frei, eigene Maßnahmen zu treffen – ähnlich wie in Deutschland einzelne Bundesländer über etwaige Hotspotregelungen Maßnahmen treffen können. Die Maskenpflicht kann also in den Kantonen wieder eingeführt werden, auch Krankenhäuser können dies über ihre Hausordnung weiter verlangen. Berset ermutigte zudem dazu, weiter freiwillig Masken zu tragen, wenn es die Situation erfordere: „Ich werde das auch tun.“
„Die Krise ist nicht vorbei“, sagte Gesundheitsminister Berset – „aber die angespannte Phase liegt hinter uns“. Die öffentliche Gesundheit werde nicht mehr gefährdet, so der Minister weiter. Das Coronavirus werde zwar nicht verschwinden, aber endemisch werden, heißt es weiter in einer Erklärung des Bundesrats. Auch in Zukunft könne es demnach zu saisonalen Erkrankungswellen kommen.
Akute Phase der Pandemie vorbei
Dies deckt sich mit der Einschätzung des Beratungsgremium des Bundesrats, die Covid Task Force, das sich mit dem Monatsende aufgelöst: „Die Pandemie ist noch nicht vorüber, aber die akute Phase der Krise [...] ist vorerst vorbei“, hieß es im Abschlussbericht des Gremiums. Darin forderte die Expertengruppe allerdings, „eine kontinuierliche Überwachung des Infektionsgeschehens, der zirkulierenden Varianten und der Immunität in der Bevölkerung“.
Bis zum Frühjahr 2023 soll weiter eine Übergangsphase gelten, in der die Situation weiterhin überwacht werden soll – ohne die Unterstützung der Covid Task Force bleibt diese Aufgabe aber den Kantonen selbst überlassen. Die Schweiz hat sich zudem bereits mit Impfstoff für 2022 und 2023 eingedeckt.
„Nach zwei Jahren Pandemie können wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken“, schließt Berset. Ein gewisses Risiko bleibe, gesteht der Minister. „Aber das sind wir ja inzwischen gewöhnt.“