Schon lange gehört Paul Thomas Anderson zu den bemerkenswertesten und vielseitigsten Regisseuren des amerikanischen Kinos. Immer wieder widmet er sich neuen Seiten seiner Heimat, sei es das San Fernando Valley der Gegenwart in „Magnolia“, Südkalifornien zu Beginn des 20. Jahrhunderts in „There Will Be Blood“ oder das Drogen- und Hippie-Milieu im Los Angeles der Siebziger Jahre zuletzt in „Inherent Vice“. Für seinen neuen Film „Der seidene Faden“ kehrt er den USA nun erstmals den Rücken – und läuft dabei zu neuerlicher Höchstform auf.
Im London der Fünfziger Jahre betreibt der Modedesigner Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) erfolgreich sein House of Woodcock und kleidet von der britischen High Society über reiche Amerikanerinnen bis hin zum europäischen Festland-Adel Damen von Rang und Namen ein. Fest an seiner Seite steht dabei seine Schwester Cyril (Lesley Manville), die die Geschäfte des exzentrischen Kreativen führt, ihm schon am Frühstückstisch den Rücken freihält und zur Not auch mal seinen Geliebten den Laufpass gibt. Doch als sich Reynolds während eines Abstechers aufs Land in die Kellnerin Alma (Vicky Krieps) verguckt und sie als seine Muse mit nach London bringt, gerät der sorgsam strukturierte Alltag des Kontrolle liebenden Couturiers zusehends aus den Fugen.
So feinsinnig, detailverliebt und delikat wie der Protagonist hier seine erlesenen Kleider entwirft, tut es ihm Anderson mit der Konstruktion dieser ganz besonderen Geschichte nach. „Der seidene Faden“ wirft dabei nicht nur einen Blick auf die faszinierende, sehr spezifische Welt der Modeszene im Nachkriegs-London, sondern seziert vor allem menschliches Verhalten in verschiedenen Beziehungskonstellationen.
Einmal sehen reicht eigentlich nicht aus, um „Der seidene Faden“ in all seiner Komplexität, aber auch seiner ganzen Pracht wahrzunehmen. Denn der Film, der gerade für sechs Oscars nominiert wurde, ist auch jenseits des Drehbuchs in jeder Hinsicht erlesen. Von der Musik Jonny Greenwoods über die Kostüme von Mark Bridges bis hin zu den atemberaubenden Tapeten ist hier jedes noch so kleine Detail absolut meisterlich.
Seine Darsteller halten das Niveau mit spielender Leichtigkeit. Sollte Day-Lewis seine Ankündigung wahrmachen und nach dieser Rolle dem Kino den Rücken kehren, verabschiedet er sich in Bestform.
Abspann
Originaltitel: Phantom Thread
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Daniel Day-Lewis, Vicky Krieps, Lesley Manville
Produktionsland: USA 2017
Länge: 131 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
Fazit: Ein Meisterwerk von atemberaubender Schönheit