Gibt es nach den Sommerferien eine Rückkehr zum normalen Schulbetrieb?

Nein, nicht ganz. Geplant ist die Rückkehr in den „Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen“. Das bedeutet: Präsenzunterricht, sprich Unterricht im Klassenzimmer, soll so viel wie möglich stattfinden. Abstandsgebote gelten nicht mehr – ansonsten würden gar nicht alle Schüler einer Klasse in ein Klassenzimmer passen. Um dem Virus dennoch etwas entgegenzusetzen, gilt außerhalb des Unterrichts – auf den Fluren oder im Klo – Maskenpflicht für Schüler ab Klasse fünf aufwärts. Außerdem sollen die Schüler nur noch in festen Gruppen zusammenkommen, so dass man Infektionsketten eingrenzen kann. Wie das konkret funktionieren kann, erklärt der Rektor der Theodor-Heuss-Realschule in Konstanz, Frank Raddatz: „Wir planen mit festen Hofpausen, die Hälfte der Schüler darf in der ersten großen Pause raus, die zweite in der zweiten großen Pause.“ Und der Pausenhof wird in einzelne Bereiche unterteilt.

Kann ich nach den Ferien selbst entscheiden, mein Kind aus Furcht vor Infektionen zu Hause zu lassen?

Ja, das ist möglich. „Eltern, die nicht wollen, dass ihr Kind am Präsenzunterricht teilnimmt, können dies der Schule formlos anzeigen und vom Schulbesuch absehen. Eltern können ihr Kind ebenfalls aufgrund einer relevanten Vorerkrankung unbürokratisch von der Teilnahme am Unterricht entschuldigen“, heißt es im Internet auf der Seite des Kultusministeriums. Formlos heißt: Ein Attest ist nicht nötig. Allerdings sollten Eltern sich das gut überlegen. „Es ist nicht unproblematisch, weil Kinder viel versäumen“, gibt Rektor Raddatz zu bedenken. „Fernunterricht ist besser als nichts, aber wir wissen aus den vergangenen Monaten, dass er den Präsenzunterricht nicht ersetzt.“

Ein Platz muss frei bleiben: Das Abstandsgebot soll es im neuen Schuljahr nicht mehr geben.
Ein Platz muss frei bleiben: Das Abstandsgebot soll es im neuen Schuljahr nicht mehr geben. | Bild: Paul Zinken, dpa

Sind Lehrer verpflichtet, nach den Ferien im Schulgebäude präsent zu sein und zu unterrichten?

Ja, außer sie können mit einem ärztlichen Attest nachweisen, dass sie durch eine Vorerkrankung Gefahr laufen, einen schweren Covid-19-Verlauf zu erleiden.

Wie werden Lehrer ausgestattet und geschützt?

Die Antwort des Kultusministeriums klingt da noch etwas vage: „Der Gesundheitsschutz der Lehrkräfte ist dem Kultusministerium ein sehr wichtiges Anliegen. Deswegen erfolgt unser Vorgehen jeweils in Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden.“ Immerhin: Kultus- und Sozialministerium hätten sich darauf geeinigt, dass Lehrkräfte sowie schulisches Personal zwischen Mitte August und Ende September die Möglichkeit erhalten, auch ohne Symptome zwei Tests auf eine Infektion mit dem Corona-Virus durchzuführen.

„Fernunterricht ist besser als nichts, aber wir wissen aus den vergangenen Monaten, dass er den Präsenzunterricht nicht ...
„Fernunterricht ist besser als nichts, aber wir wissen aus den vergangenen Monaten, dass er den Präsenzunterricht nicht ersetzt.“Frank Raddatz, Rektor der Theodor-Heuss-Realschule in Konstanz | Bild: Kirsten Astor

Dem Lehrerverband VBE (Verband Bildung und Erziehung) reicht das nicht. Er fordert regelmäßige Tests für die Lehrkräfte. Lehrer erhalten im kommenden Schuljahr vom Land Masken zu ihrem Schutz – die Grundschule in Wehr hatte Masken bereits im ausgehenden Schuljahr zur Verfügung gestellt. Überhaupt hängt vieles offenbar an den Schulen selbst: Das „Theo“ in Konstanz wird Sperrzonen um die Lehrer um die Lehrerpulte herum ausweisen und will außerdem Plexiglasscheiben vor die Pulte installieren – allerdings erstmal nur ein paar, um zu schauen, ob sich das bewährt.

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Für Risikogruppen werden Fernunterricht und Lerngruppen angeboten. Um wieviele Schüler und Lehrer geht es da?

Genaues weiß man noch nicht. Zahlen zu Risikogruppen bei den Schülern existierten nicht, allerdings bewegten sie sich aller Wahrscheinlichkeit nach in einem sehr niedrigen Bereich, heißt es auf Anfrage aus dem Kultusministerium. Zu der Zahl der Lehrkräfte, die aufgrund eines Attests nicht für den Präsenzunterricht zur Verfügung stehen, führe das Kultusministerium gerade eine Abfrage an den Schulen durch. Am Theodor-Heuss ist Rektor Raddatz nach aktuellem Stand in der glücklichen Lage, alle Lehrer im Präsenzunterricht einplanen zu können, bei den Schülern rechnet er mit drei oder vier Kindern, die zuhause bleiben. Am Gymnasium am Hoptbühl in Villingen-Schwenningen gibt es wenige Lehrkräfte, die derzeit nicht vor Ort tätig sein können, weil sie schwanger oder vorerkrankt sind.

Wie soll das praktisch ablaufen? Halten Lehrer ihren Unterricht dann zweimal?

„Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, werden mit Unterrichtsmaterialien versorgt. Hier sind insbesondere Lehrkräfte, die ggf. nicht im Präsenzunterricht eingesetzt sind, einzubeziehen“, heißt es von Seiten des Kultusministeriums. Wie Lehrer, die eigentlich ganz andere Fächer unterrichten, die Betreuung im Fernunterricht übernehmen sollen – darauf wird hier nicht näher eingegangen. Konkreter klingt das bei Frank Raddatz: „Es wird ein Stück weit Notunterricht sein“, sagt der Realschulrektor über den künftigen Fernunterricht, schließlich könnten die Lehrer ihren Unterricht nicht doppelt halten. Was Raddatz nicht für machbar hält, ist ein per Video nach Hause übertragener Unterricht. Das gehe schon aus Datenschutzgründen nicht, weil darauf ja auch andere Schüler zu sehen und zu hören wären.

„Vor allem der persönliche Kontakt zwischen Lehrkraft und Schüler und Schülern untereinander ist sehr wichtig.“ Sonja ...
„Vor allem der persönliche Kontakt zwischen Lehrkraft und Schüler und Schülern untereinander ist sehr wichtig.“ Sonja Dannenberger, Schulleiterin der Talschule Wehr (mehrzügige Grundschule) | Bild: SK

Am Hoptbühl-Gymnasium in Villingen wird es eine Mischung aus Fernbeschulung und Präsenzbeschulung durch andere Lehrkräfte geben müssen, das sei noch nicht vollständig „ausgebrütet“, so Schulleiterin Simone Duelli-Meßmer. In der Grundschule ist Online-Unterricht schwierig, da die Schüler erst einmal lernen müssen, selbstständig mit dem PC umzugehen. Sonja Dannenberger, Schulleiterin der Talschule Wehr, einer mehrzügigen Grundschule, und Schulkreisvorsitzende des VBE (Verband Bildung und Erziehung) in Lörrach/Waldshut betont: „Vor allem der persönliche Kontakt zwischen Lehrkraft und Schüler und Schülern untereinander ist sehr wichtig.“

Das rollierende System, bei dem nur die halbe Klasse zum Präsenzunterricht kam, ist erstmal vorbei.
Das rollierende System, bei dem nur die halbe Klasse zum Präsenzunterricht kam, ist erstmal vorbei. | Bild: Philipp von Ditfurth, dpa

Stehen genügend Lehrer für den Präsenzunterricht zur Verfügung?

Das Kultusministerium hat – wie erwähnt – noch keine Zahlen, aber gibt sich vorsichtig: Man wolle soviel Präsenzunterricht wie möglich anbieten, aber eben unter Pandemiebedingungen. Ideen, wie auch Lehrer im Homeoffice regulären Unterricht anbieten können, hat man in Konstanz schon: per Videostream nämlich. Die Lehrer könnten sich mit ihrer Klasse zu festen Zeiten zum Fernunterricht zuhause am Rechner verabreden, schlägt Raddatz vor. Technisch sieht sich die Schule dafür gerüstet. Weniger gut sieht es an der Talschule in Wehr aus: Da nach den Sommerferien alle Fächer wieder in der vollen Stundenzahl unterrichtet werden sollen und es Lehrkräfte in den Risikogruppen gibt (zum Beispiel Schwangere), die nicht unterrichten dürfen, ist nicht ausreichend Personal vorhanden, so Rektorin Dannenberger. Dazu kommt noch der allgemeine Lehrermangel: „Der Markt ist zum Schuljahresbeginn schon leergefegt, viele Stellen sind nicht besetzt und die Corona-Pandemie mit ihren Maßnahmen verschärft die Situation noch mehr.“

Wenn es zu einem Covid-19-Ausbruch kommt: Geht es dann für ganze Klassen oder Schulen wieder zurück in den Fernunterricht?

Das entscheiden die örtlichen Gesundheitsämter von Fall zu Fall. Über mögliche Lösungen hat man sich an den Schulen Gedanken gemacht: In Villingen gibt es Pläne, wie man mit A- und B-Tagen in halben Gruppen nach Stundenplan weiter unterrichten kann. „Das Kollegium bildet sich gerade kräftig im Umgang mit der Lernplattform ‚moodle‘ weiter“, sagt Rektorin Duelli-Meßmer. Raddatz kann sich beispielsweise vorstellen, Klassen zu teilen und Unterricht per Videostream abzuhalten. Gerade werde das technische Equipment dafür bestellt, dass auch im Raum ohne Lehrer Fragen gestellt werden können. Dafür nutzt die Schule Sondermittel von Bund und Land, die für Leih-Tablets und Streaming-Sets gedacht ist.

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Apropos: Was ist aus dem Vorhaben geworden, Schüler ohne eigene Endgeräte damit auszustatten?

300.000 Laptops und Tablets will das Land bereitstellen, das heißt, tatsächlich stellt es nur das Geld bereit, denn die Ausstattung der Schulen ist Sache der Schulträger, also der Kommunen oder der Landkreise. In Konstanz sind die Geräte auf dem Weg, die Bestellung wurde vor kurzem abgeschickt und man hofft, dass bis zum Beginn des neuen Schuljahrs alles vorhanden ist. „Das sind schon ein paar tausend iPads„, verrät Raddatz. Betreut würden die Geräte dann zentral vom Kreismedienzentrum – eine große Erleichterung für die Schulen. Zur Vergabe an die Schüler sagt Raddatz: „Wir sind in der Lage, im großen Stil Geräte auszuleihen. Wir müssen da nicht kleinlich sein. Wenn eine Familie mit drei Kindern drei Geräte brauche, gebe es die.

Wie geht man mit Urlaubsrückkehrern aus Risikogebieten um? Müssen sie sich testen lassen oder zuhause in Quarantäne bleiben?

Ja, für Schüler gelten die gleichen Regeln wie für alle anderen Bewohner Baden-Württembergs. Und wer aus einem Risikogebiet reinreist, ist verpflichtet, sich bei der zuständigen Ortspolizeibehörde zu melden und sich in eine 14-tägige Quarantäne begeben, informiert das zuständige Sozialministerium. Schulleiter Raddatz hat soeben einen Brief an die Eltern verschickt, aus dem hervorgeht, was das bedeutet: Damit die 14-tägige Quarantäne nicht in die Schulzeit fällt, möchten die Eltern den Urlaub bitte so planen, dass bis zum Ende der Ferienzeit noch zwei Wochen übrig bleiben. Bei Zuwiderhandeln werden in Konstanz Bußgelder angedroht.

Zug statt Feier: Die Abschlussklassen der Realschule Stühlingen bekamen ihre Zeugnisse wegen Corona auf der Fahrt von Eggingen nach ...
Zug statt Feier: Die Abschlussklassen der Realschule Stühlingen bekamen ihre Zeugnisse wegen Corona auf der Fahrt von Eggingen nach Stühlingen im Zug – da wegen der Corona-Pandemie keine normale Abschlussfeier stattfinden kann. | Bild: Philipp von Ditfurth, dpa

Am Ende der Sommerferien gibt es ein zusätzliches Lernangebot – die Lernbrücke. Wer kann da alles mitmachen?

Nicht jeder, der möchte. Für freiwilliges Büffeln stehen die 54 Sommerschulen zur Verfügung, die zum Teil aber schon ausgebucht sind. 2000 Schüler pauken dort – im vergangenen Jahr waren es noch 1400. Wer in der zweiwöchigen Lernbrücke Stoff aufholen darf, das entscheiden die Klassenlehrer in Abstimmung mit den Fachlehrern. Auswahlkriterien sind Leistungsdefizite, die bereits vor der Schulschließung bestanden, schlechte oder keine Erreichbarkeit während der Schulschließung, erkennbare Defizite im Fernlern- und Präsenzunterricht sowie eine erkennbare Gefahr des Wiederholens im Folgeschuljahr. Bei einer Empfehlung durch die Schule ist die Teilnahme für die Schülerin verbindlich eingeplant. Letztlich aber ist es eine Entscheidung der Eltern, ob sie ihren Sprössling in die Kurse schicken. Das Kultusministerium rechnet damit, dass bis zu 150.000 Schüler die Lernbrücken wahrnehmen könnten. Zweifel am Sinn und Zweck der Lernbrücke kommt vom VBE: „Wir fordern mehr Förderstunden und kleinere Klassen, damit Versäumtes aufgeholt werden kann“, sagt die VBE-Schulkreisvorsitzende in Lörrach/Waldshut, Sonja Dannenberger.

In diesem Schuljahr ist vieles auf der Strecke geblieben. Kann man das wieder aufholen? Wo stehen die Klassen im Schnitt?

Im Moment verfassen die Lehrer alle Erklärungen, in denen sie dokumentieren, welche Themen nicht vertieft behandelt werden konnten. Was dann in Klasse 8 zu kurz kam, soll am Anfang von Klasse 9 aufgeholt werden. Rektor Raddatz hält das für machbar. „Uns fehlen drei Wochen Unterricht, sehr über den Daumen gepeilt“, sagt er. Wobei die Unterschiede von Schüler zu Schüler und auch von Lehrer zu Lehrer beträchtlich sind. „Manche Schüler haben wir gar nicht mehr erreicht mit dem Fernunterricht.“ Rektorin Duelli-Meßmer geht davon aus, dass in den allermeisten Fällen Wege gefunden werden, die Lücken wieder zu schließen oder auch mal Lerninhalte wegzulassen, die weniger wichtig sind. Konzentration aufs Wichtige – das hält auch Grundschulrektorin Dannenberger für die richtige Herangehensweise in Krisensituationen. Bei ihr an der Talschule sei der Bildungsplan so gut wie erfüllt, Themen wie kreatives Schreiben oder Buchpräsentationen müssten nachgeholt werden.

Sollten Kinder über die Ferien Stoff nacharbeiten?

Mitunter ja, sagt Raddatz. Bei Bedarf geben die Lehrer Hinweise, wo Nachholbedarf besteht. Aber der Realschulrektor hält es auch für wichtig, dass Kinder eine Pause machen und in den Ferien Energie tanken. Ein Nein kommt von Schulleiterin Duelli-Meßmer: „Was den Kindern fehlt, ist nicht das Nacharbeiten zu Hause, sondern der Unterricht vor Ort.

„Was den Kindern fehlt, ist nicht das Nacharbeiten zu Hause, sondern der Unterricht vor Ort. Daher erscheint mir ein ...
„Was den Kindern fehlt, ist nicht das Nacharbeiten zu Hause, sondern der Unterricht vor Ort. Daher erscheint mir ein ,Weitermachen‘ mit Fernbeschulung nicht zielführend.“ Simone Duelli-Meßmer, Schulleiterin des Hoptbühl-Gymnasiums in Villingen | Bild: Alexander Chlup

Daher erscheint mir ein ,Weitermachen‘ mit Fernbeschulung nicht zielführend. Für manche, die von ihren Klassenlehrkräften dafür gemeldet wurden, gibt es mit den Lernbrücken Vor-Ort-Angebote zum Nacharbeiten.“ Grundschul-Rektorin Dannenberger sagt: „Die Schüler sollten auch Zeit haben um durchzuatmen und sich zu erholen. Aber ein wenig Lernen und Üben wäre in sechs Wochen Sommerferien empfehlenswert.“

Falls sich während der Ferien Änderungen ergeben: Wie erfahre ich, wie es an der Schule meines Kindes wirklich weitergeht?

Auf der jeweiligen Homepage der Schule. So wird es im Fall der Theodor-Heuss-Realschule gehandhabt. Das Hoptbühl-Gymnasium nutzt zusätzlich einen Email-Verteiler, über den die Eltern erreicht werden können.