Der Sombrero kommt vom Kopf und die Kuh ist vom Eis: Der bizarre Kostümstreit um das Awo-Seniorinnen-Ballett auf der Bundesgartenschau ist beigelegt. Nach zweieinhalbstündiger Krisensitzung am Montagabend zwischen den Damen des Awo-Balletts, der Mannheimer Awo-Leitung und dem Leiter des Buga-Kulturprogramms stand der Kompromiss fest: Die Damen verzichten in ihrer Show auf drei Kostümelemente – die mexikanischen Sombreros, die Perücken zu den Kimonos – und aus den ägyptischen Pharaoninnen sollen ägyptische Arbeiter werden, wie auch immer die Kostüme dazu aussehen mögen.
„Wir machen das Beste draus“, sagt Erika Schmaltz, die Leiterin und Mitbegründerin der Tanztruppe. Nach wie vor ist sie ratlos ist über das, was da über ihre harmlose Truppe hereingebrochen war. Man könnte sagen: Sie und ihre Mitstreiterinnen verstehen diese Welt nicht mehr.
Ausgelöst hatte die bundesweite Aufregung die kurzfristige Aufforderung der Buga an das Awo-Ballett, bei ihrer seit langem geprobten Einlage auf der Buga aus kultureller Rücksichtnahme auf sechs der insgesamt 14 Kostüme zu verzichten – was neben der Frage, ob das eigentlich wirklich ernst gemeint ist, eine Welle der Berichterstattung und Solidarisierung mit den betagten Damen ausgelöst hatte.
Nun dürfen die 60- bis 85-Jährigen im Gegenzug mit ihrer halbstündigen Tanz- und Showeinlage von dem für Seniorennachmittage vorgesehenen Nebenschauplatz sogar auf die Buga-Hauptbühne. Dort sollen dann die eher der Bewegung und Senioren-Unterhaltung als der künstlerischen Hochkultur dienenden Auftritte in einen korrekten gesellschaftspolitisch-kulturellen Rahmen eingebettet werden: Die Buga will im Anschluss an die Darbietungen jeweils eine Diskussionsveranstaltung anhängen, „die zeigt, wie wir mit solchen Auseinandersetzungen in Mannheim umgehen“, teilte Fabian Burstein, Leiter der Kulturveranstaltungen der Buga 23, in der Pressemitteilung zu dem Kompromiss mit aller Ernsthaftigkeit mit.
Was genau die Verantwortlichen nun eigentlich bewogen hatte, in der Verwendung von Sombreros oder Perücken zu Kimonos kulturelle Aneignung zu sehen, erschließt sich noch immer nicht allen Beteiligten. Die Antidiskriminierungsstelle der Stadt Mannheim mochte sich kurzfristig auf Anfrage des SÜDKURIER zu einer Bewertung des Sachverhalts nicht zurückmelden.
Ballett-Leiterin Erika Schmaltz, 75, trägt den Kompromiss zwar mit, rätselt aber nach wie vor. „Die Mexikanerhüte lassen wir weg. Warum auch immer“, sagt sie. „Und warum wir im Kimono jetzt die schönen, teuren schwarzen Perücken weglassen sollen und unsere graue Haare zeigen sollen, das versteht auch keine. Wir sind doch alte Frauen.“
Man habe zwar versucht, ihnen alles zu erklären, sagt Schmaltz. „Aber fragen Sie mich nicht. Ich habe es nicht verstanden, die haben nur Fremdwörter benutzt.“ Eines aber steht für Schmaltz und ihre Mitstreiterinnen fest: Die bemängelten Kostüme verschwinden jedenfalls nur für die Buga-Auftritte. Danach kommen Sombreros und Perücken wieder auf die ergrauten Häupter. Und die kulturellen Debatten darüber, die werden bei ihrem gewohnten Publikum in den Alten- und Pflegheimen jedenfalls nicht geführt.