Es gibt Angebote, die sind zu gut, um wahr zu sein. Manchmal siegt dann der Preis über die Vernunft, die mögliche Ersparnis über die Vorsicht. Derzeit sind massenweise Betrüger in Online-Shops wie Amazon unterwegs und bieten Schnäppchen. Damit wollen sie Geld und Kontaktdaten abgreifen. Sie kapern dabei bestehende Händlerprofile. Die eigentlichen Besitzer können nur tatenlos zusehen.

Katharina Krönke aus Konstanz und Jessica Bailey aus Villingen-Schwenningen sind solchen gefälschten Amazon-Shops, auch Fake-Shops genannt, beim Einkauf begegnet. Sie freuten sich über den günstigen Preis und bestellten es beim Amazon-Marketplace.

Beim Marketplace werden Produkte nicht direkt von Amazon, sondern von einem anderen Anbieter vertrieben. Amazon bietet eine Garantie, die Sicherheit für solche Bestellungen verspricht. Aber: Sie gilt nur, wenn die Bezahlung über Amazon erfolgt. Wer ein betrügerisches Schnäppchen kaufen möchte, wird aber häufig nach der offiziellen Bestellung kontaktiert und soll die Überweisung außerhalb von Amazon tätigen. Das machte Katharina Krönke und Jessica Bailey misstrauisch.

Wir haben getestet, was betrügerische Händler auf Mails antworten. Man muss nicht einmal ein Produkt nennen, um Versprechungen zu lesen. ...
Wir haben getestet, was betrügerische Händler auf Mails antworten. Man muss nicht einmal ein Produkt nennen, um Versprechungen zu lesen. Wichtig ist, seine Daten nicht anzugeben. | Bild: Südkurier

Krönke ist vor wenigen Wochen an einen dieser Betrüger geraten. „Ich wollte einen Kühlschrank kaufen, der über diesen Anbieter bei Amazon unschlagbar günstig war. Der Name des Verkäufers war gleichzeitig eine Aufforderung, vor dem Kauf eine Mail zu schicken“, berichtet die 31-Jährige aus Konstanz. Auf ihre Mail habe der Händler geantwortet, dass er Adresse und Kontodaten braucht. Amazon würde sich dann zur Abwicklung melden.

Wir haben einem Anbieter dieser unschlagbar guten Angeboten geschrieben. Die überraschende Antwort des Anbieters: Man muss noch nicht einmal ein Produkt nennen und bekommt schon versichert, dass es sich um Neuware mit Originalverpackung handelt. Damit die Transaktion starten könne, benötige man lediglich ein paar Daten: Name, Anschrift, Handynummer. Auf die Frage, warum das Produkt so günstig sei, begründet der Anbieter das mit Black-Friday-Angeboten. Black Friday ist jährlich der umsatzstärkste Verkaufstag in den USA, Händler werben dann mit massiven Rabatten. Dieser Tag ist aber erst Ende November. Und die Firma Artikel-Neu GmbH, die in der Signatur genannt ist, gibt es laut Handelsregister an der entsprechenden Adresse nicht.

Zurück zu Katharina Krönke. Sie berichtet, der Kühlschrank sei von sechs Anbietern verfügbar gewesen. „Fünf davon waren sehr günstig, nur einer üblich teuer“, sagt sie. Amazon habe die Fake-Angebote gelöscht, nachdem sie den Kundendienst verständigte. Dieses Vorgehen bestätigt Christian Blum, Pressesprecher von Amazon: „Erlangen wir Kenntnis über ein unzulässiges Angebot, entfernen wir dieses unverzüglich.“ Da stehen die Angebote häufig aber schon einige Stunden im Netz, wie Karsten Meyer beobachtet hat. Der 59-Jährige aus Konstanz hat sich wie Krönke in einer Online-Diskussion zu Wort gemeldet: „Mir fällt derzeit ins Auge, dass bei praktisch jedem Amazon-Artikel Angebote zum halben Preis oder noch billiger existieren. Ich traue jetzt den Preisangaben überhaupt nicht mehr.“

Gefälschte oder gehackte Shops konzentrieren sich häufig auf Technik. Bei Jessica Bailey, 30 Jahre alt und aus Villingen-Schwenningen, war es vor zwei Wochen ein Laptop. „Ja, wir sind drauf reingefallen“, sagt sie. Das Gerät sei etwa 200 Euro günstiger gewesen. „Mein Mann dachte, das sei ein Blitzangebot.“ Nach einer Woche Wartezeit ohne Benachrichtigung kontaktierten sie Amazon. „Daraufhin hat sich der „Verkäufer“ gemeldet und schrieb, dass seine Seite gehackt wurde“, sagt Bailey.

Das ist auch für Händler ein Problem. Christian Mey aus Hürtgenwald in Nordrhein-Westfalen ist Inhaber des Shops IT-Mey und kann seit Sonntag nur zusehen, wie sein Verkäuferprofil missbraucht wird. Deshalb warnt er Kunden auf der Amazon-Facebook-Seite: „Derzeit habe ich keinen Zugriff auf das Konto und auch keine Möglichkeit, Artikel einzustellen oder zu deaktivieren. [...] Bitte KEINE Bestellung tätigen.“ Im Gespräch mit dem SÜDKURIER berichtet er, dass sich sein Angebot innerhalb kürzester Zeit von etwa 15 auf bis zu 50 000 Produkte gesteigert hat.

Christian Mey von IT-Mey warnt auf der Amazon-Facebook-Seite davor, in seinem eigenen Shop zu bestellen. Er gehört zu den Händlern, die ...
Christian Mey von IT-Mey warnt auf der Amazon-Facebook-Seite davor, in seinem eigenen Shop zu bestellen. Er gehört zu den Händlern, die gehackt wurden. | Bild: Screenshot FacebookAmazon

Wie Betrüger sein Konto hacken konnten, kann Christian Mey sich erklären: Er habe eine Verkäuferabrechnung von Amazon erhalten und die darin enthaltene Datei geöffnet. So eine Mail sei nicht unüblich, nur sei der Anhang sonst eine Pdf-Datei. In diesem Fall war es wohl die Eintrittstür für Betrüger. Der IT-Berater hat Amazon und die Polizei benachrichtigt. Welchen Schaden der Zwischenfall für ihn haben wird, kann er nicht sagen. „Bei Amazon gibt es nur ein Online-Formular, da erreicht man als Händler keinen“, sagt er. Inzwischen habe Amazon sein Konto vorübergehend gesperrt.

Kunden sollten alle Käufe ausschließlich über die Amazon-Webseite abwickeln, rät Amazon-Pressesprecher Christian Blum. „Niemals Ware beim Verkäufer direkt bezahlen. Laut unseren Amazon-Marketplace Teilnahmebedingungen sind Verkäufer verpflichtet, alle Transaktionen nur über die Amazon-Plattform laufen zu lassen.“ Dass gesundes Misstrauen ratsam ist, bestätigt auch Hannelore Brecht-Kaul von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Wenn ein Markenartikel zu unschlagbaren Preisen angeboten wird, sollte man hellhörig werden.“
 

Betrugsfälle

Gefälschte Internet-Shops, auch Fake-Shops genannt, bieten Smartphones, Laptops, Medikamente oder Markenkleidung zu besonders günstigen Preisen an. Dem Käufer wird oft mangelhafte, falsche oder gar keine Ware geliefert. Das Landeskriminalamt Niedersachsen schätzt nach einer im Jahr 2013 durchgeführten Dunkelfeldstudie rund 70 000 Betrugsfälle pro Jahr allein in Niedersachsen. Nur rund 30 Prozent der Taten würden angezeigt.

Die Strafverfolgung sei schwierig, weil sich die Server der Webseiten oft im Ausland befänden. Warenbetrug kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Bei gewerblichem Betrug sind Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren möglich. (dpa)