Tilmann P. Gangloff

Wenn sich das deutsche Fernsehen feiert, dann ist diese Szene immer dabei: Am 25. August 1967 drückte Vizekanzler Willy Brandt im Rahmen der Berliner Funkausstellung um 10.57 Uhr auf einen großen Knopf. In diesem Moment sollte das Fernsehbild farbig werden. Weil die Taste jedoch nur eine Attrappe und irgendjemand etwas voreilig war, endete die Schwarz-Weiß-Ära bereits Sekundenbruchteile vorher. Der Knopf befindet sich heute im Rundfunkmuseum Fürth.

Nun feiert das deutsche Farbfernsehen selbst Geburtstag. Viele Zuschauer haben Brandts Auftritt damals am Bildschirm verfolgt, aber kaum jemand in Farbe: Die Apparate kosteten zwischen 1800 D-Mark und 2400 D-Mark. 1968 besaß laut einer Umfrage des Allensbacher Demoskopie-Instituts erst ein Prozent der Haushalte einen Farbfernseher. Zu den wenigen Glücklichen gehörten auch die Eltern des damals 17 Jahre alten Ulrich Deppendorf: „Mein Vater wollte immer das Neueste haben und hat rechtzeitig ein Gerät besorgt.“ Der spätere Leiter des ARD-Hauptstadtstudios weiß noch genau, wie fasziniert die Familie war: „Am Abend gab es die erste Fernsehshow in Farbe, das war schon phänomenal.“ Das war damals die beliebte Spielshow „Der Goldene Schuss“ mit Vico Torriani als Showmaster. Wie die meisten technischen Neuerungen sei auch das Farbfernsehen jedoch „so schnell zur Gewohnheit geworden, dass die Schwarz-Weiß-Sendungen bald exotisch wirkten“.

Der Showmaster Vico Torriani mit seinen Assistentinnen Ina (l), Barbara (M) und Alexandra (r) in der 25. Ausgabe der ZDF-Show «Der ...
Der Showmaster Vico Torriani mit seinen Assistentinnen Ina (l), Barbara (M) und Alexandra (r) in der 25. Ausgabe der ZDF-Show «Der Goldene Schuss» in der Berliner Deutschlandhalle (Archivfoto vom 25.08.1967). Mit der Show kam vor 50 Jahren die farbige Fernsehwelt in die deutschen Wohnstuben. | Bild: Giehr/dpa

Davon gab es allerdings noch eine ganze Menge, denn es dauerte einige Jahre, bis das Fernsehen in Gänze bunt wurde; und das lag nicht nur daran, dass frühere Schwarz-Weiß-Produktionen auch bei der Wiederholung im Farbfernsehen schwarz-weiß blieben. Die Umstellung, erinnert sich Dieter Hoff, bis zu seinem Ruhestand 2004 Technischer Direktor des WDR, „war ein aufwendiger Prozess, der sich über mehrere Jahre hingezogen hat“. Während US-Importe wie „Flipper“ und „Bonanza“ (beide im ZDF) natürlich in Farbe liefen, wurde zum Beispiel die Tagesschau erst ab 1970 bunt. Zu diesem Zeitpunkt hatten nur 20 Prozent der Haushalte einen Farbfernseher.

 

„Plötzlich wurde alles bunt“


Der Autor, Journalist und Fernsehmoderator Rainer Holbe (Archivfoto vom 22.10.2008).
Der Autor, Journalist und Fernsehmoderator Rainer Holbe (Archivfoto vom 22.10.2008). | Bild: Frank Rumpenhorst (dpa)
Rainer Holbe (77) hat mit der Starparade eine der erfolgreichsten Shows in der Geschichte des ZDF moderiert.
  • Herr Holbe, erinnern Sie sich an die Umstellung des Fernsehens auf Farbe?

    Sehr gut sogar! Für uns Macher war das damals so etwas wie eine kopernikanische Wende. Als Zuschauer hatte ich das Erlebnis allerdings schon einige Jahre vorher: Ich war 1963 als junger Journalist in Amerika und war fasziniert, fragte mich aber gleichzeitig, warum das deutsche Fernsehen noch nicht so weit war.
  • Wissen Sie noch, wie viele Haushalte die Farbsendungen überhaupt empfangen konnten?

    Das waren anfangs nur ein paar Tausend. Die ersten Apparate waren ausgesprochen teuer und unter 2000 Mark nicht zu haben. Kaum jemand konnte es sich leisten, seinen funktionierenden Schwarz-Weiß-Fernseher gegen einen Farbgerät zu tauschen; ich auch nicht. In den ersten Jahren wurden ja ohnehin viele Sendungen weiter in SchwarzWeiß produziert. Einige Sender waren auch noch gar nicht so weit. Ich erinnere mich, dass der Hessische Rundfunk später dran war als die anderen ARD-Anstalten, weshalb der „Blaue Bock“ seinem Titel zum Trotz noch eine ganze Weile nur in Schwarz-Weiß zu sehen war.
  • Warum hat sich das so hingezogen?

    Man muss sich die Umstellung als Prozess vorstellen, der sich über Jahre hingezogen hat. Es war ja nicht damit getan, die Kameras auszutauschen, auch hinter den Kulissen musste sich eine Menge ändern; die entsprechenden Kosten waren beträchtlich. Bei großen Abendshows, die nicht im Studio, sondern in einer Halle hergestellt wurden, brauchte der Sender zum Beispiel einen entsprechenden Übertragungswagen. Es war viel Aufwand nötig, damit das ZDF am Tag des berühmten Knopfdrucks von Willy Brandt abends den „Goldenen Schuß“ und die ARD am nächsten Tag den „Galaabend der Schallplatte“ in Farbe ausstrahlen konnten. Für das Prestige der Sender waren die Farbsendungen natürlich enorm wichtig.
  • Wann gab’s Ihre „Starparade“ erstmals in Farbe?

    Das war im März 1969. Für uns bedeutete das eine große Umstellung, denn bis dahin waren Kostüme und Bühnenbild immer auf Schwarz-Weiß-Geräte ausgerichtet, und plötzlich wurde alles bunt. Wir hatten ein eigenes Ballett, bestehend aus zwölf Damen und Herren, die für jede Ausgabe neue Kostüme bekamen. Die Farben mussten besonders knallig sein, damit sie auf dem Bildschirm gut zur Geltung kamen.

    Fragen: Tilmann P. Gangloff
  • Zur Person Rainer Holbe

    Rainer Holbe (77) hat mit der „Starparade“ (1968 bis 1980) eine der erfolgreichsten Shows in der Geschichte des ZDF moderiert. Parallel arbeitete er für Radio Luxemburg, wo er ab 1984 zu den ersten Gesichtern des neuen TV-Senders RTL plus gehörte. Vor vier Jahren ist anlässlich des 50jährigen ZDF-Bestehens sein Buch „Als die Mainzelmännchen laufen lernten“ (Kösel Verlag) erschienen. tpg
 

Seinen Durchbruch verdankte das Farbfernsehen zwei deutschen Sportereignissen: den Olympischen Spielen in München 1972 und der Fußballweltmeisterschaft 1974. Da war die Farbe im Fernsehen für Carolin Reiber (Moderatorin beim Bayerischen Rundfunk und dem ZDF, zum Beispiel Volkstümliche Hitparade) bereits ein alter Hut: „Mein Mann stellte damals sehr großzügig fest, ich bräuchte den Farbfernseher ja schon allein aus beruflichen Gründen, damit ich weiß, welche Farben am besten wirken. In Wirklichkeit wollte er natürlich bloß Fußball in Farbe sehen. Auch wenn die Bilder nicht die heutige Brillanz hatten: Die ersten Farbsendungen waren ein echter Knalleffekt!“

Die Moderatoren Elmar Gunsch und Carolin Reiber (Archivbild).
Die Moderatoren Elmar Gunsch und Carolin Reiber (Archivbild). | Bild: Horst Ossinger/dpa

Beruflich änderte sich für die damals 26-jährige Ansagerin des Bayerischen Rundfunks allerdings nicht viel. „Es hatte im Zeitalter des Schwarz-WeißFernsehens klare Vorgaben gegeben, was man vor der Kamera nicht tragen durfte: nichts Weißes, nichts Gestreiftes, kein Pepita, kein Karo, keine Punkte. Und das war beim Farbfernsehen nicht viel anders.“ Trotzdem war sie von der Umstellung begeistert: „Die Regisseure wollten, dass die Farbbilder besonders schön ausschauten, das kam uns vor der Kamera natürlich sehr zugute.“ Die wichtigsten Stilberater der Ansagerinnen waren die Kameramänner, „denn die wussten: ‚Gelb steht dir nicht, grün lässt dich blass wirken’ et cetera. Heute wird die Kamera in der Abendschau vom Bayerischen Fernsehen ferngesteuert, da sind solche Gespräche gar nicht mehr möglich.“

Ein Kameramann hinter einer elektronischen Farbfernsehkamera des NDR (Norddeutscher Rundfunk). Die Kamera wurde bei der Eröffnungsfeier ...
Ein Kameramann hinter einer elektronischen Farbfernsehkamera des NDR (Norddeutscher Rundfunk). Die Kamera wurde bei der Eröffnungsfeier des Farbfernsehens in Berlin eingesetzt. (Aufnahme von 1967). | Bild: Willi Gutberlet/dpa

Dass diese Zeit den größten Umbruch in der Geschichte des deutschen Fernsehens darstellte, lag allerdings nicht nur an der Farbe. Laut Dieter Hoff nutzten die Sender die Gelegenheit für weitere Neuerungen, „darunter auch die Umstellung von Röhren- auf Halbleitertechnik. Außerdem konnte dank des Farbfernsehens die Bluescreen-Technik eingeführt werden, die es ermöglichte, Gegenstände oder Personen nachträglich in einen Hintergrund einzufügen.“ Dabei hinkten ARD und ZDF ohnehin schon viele Jahre hinterher. In den USA war das Farbfernsehen bereits 1954 eingeführt worden.

Mit der Entwicklung des PAL-Systems kam das Farbfernsehen nach Deutschland. Eine Erfindung von Fernsehpionier Walter Bruch.
Mit der Entwicklung des PAL-Systems kam das Farbfernsehen nach Deutschland. Eine Erfindung von Fernsehpionier Walter Bruch. | Bild: Roland Witschel/dpa

In Deutschland wollte Telefunken 1961 ein eigenes System (PAL) patentieren lassen, aber das Patentamt weigerte sich mit Hinweis auf die amerikanische Erfindung, weshalb sich die Einführung des Farbfernsehens erheblich verzögerte. Außerdem, so Hoff, mussten die Gerätehersteller gewährleisten, dass der Übergang ins Zeitalter der Fernsehfarbe für alle Zuschauer reibungslos ablief: „Es ging ja nicht, dass Haushalte mit alten Geräten plötzlich auf dem Trockenen saßen, sie sollten weiterhin mit möglichst gleichbleibender Qualität versorgt werden“. Im Rückblick sei „der gesamte Prozess angesichts der enormen Herausforderungen erstaunlich reibungslos abgelaufen. Es hatte viele Unkenrufe gegeben, vor allem in Bezug auf die Qualität der Farbsendungen auf Schwarz-Weiß-Bildschirmen, aber sie haben sich alle nicht bewahrheitet“. Carolin Reiber erinnert sich dafür an ein Phänomen, das sie schon in den Fünfzigerjahren erlebte, als es nur wenige Fernsehgeräte gab: „Wer einen Farbfernseher besaß, lud seine Nachbarn zur Samstagabendshow ein.“
 

Das Fernsehen feiert sich

Anlässlich des Farbfernseh-Jubiläums zeigt das ZDF an vier Donnerstagen die Sendereihe „Wir lieben Fernsehen!“. Die Auftaktshow am 17. August beschert ein Wiedersehen mit den größten Film- und Serienstars. Als Gäste werden unter anderem Wolfgang Stumph, Mariele Millowitsch und Mario Adorf erwartet. Zur Ausgabe über die größten Spaßvögel (24. August) hat das ZDF Dieter Hallervorden, Annette Frier, Oliver Welke und Christoph Maria Herbst eingeladen. Am 31. August werden die größten Sporthelden gefeiert; zu ihnen gehören Jürgen Hingsen, Sven Hannawald, Harald „Toni“ Schumacher und Klaus Fischer. Zum Abschluss am 2. September erinnert das „Zweite“ gemeinsam mit Ulrich Wickert, Marietta Slomka, Carmen Nebel, Thomas Gottschalk, Michael Schanze, Lothar Matthäus und Henry Maske an die größten TV-Momente. Moderiert werden die Shows von Johannes B. Kerner und Steven Gätjen. (tpg)