Michael Eichhammer

Virtual Reality (VR) hat seine Wurzeln in der Welt der Videospiele. Doch Experten glauben, dass die Technik ihren wahren Siegeszug an ganz anderer Stelle antreten wird. „Mit Virtual Reality entsteht nicht nur eine neue Plattform für Games und Filme, sondern auch für neue Anwendungen in Bereichen wie Tourismus, eCommerce, Events und vielen anderen“, ist Dr. Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), überzeugt.

Eine dieser Anwendungen ist bereits in über 100 Reisebüros im Einsatz. Potenzielle Kunden können die Reiseziele mit der „Virtual Travel Lounge 360“ virtuell besuchen – beispielsweise über das Deck eines Kreuzfahrtschiffes flanieren. Ikea startete in Berlin ein Pilotprojekt, bei dem der Kunde ein virtuelles Wohnzimmer nach eigenen Wünschen gestalten kann. „Materialien, Texturen und Wandfarben sind änderbar“, erzählt Unternehmenssprecherin Isolde Debus-Spangenberg. Auch Autohäuser und Makler liebäugeln damit, Kaufträume auf diese Art emotional anzupreisen.

Audi bietet das „Autohaus im Aktenkoffer“. Um das Wunschauto zu konfigurieren, setzen Kunden eine Datenbrille auf und können in Echtzeit Ausstattungskombinationen ausprobieren, ohne dass der Händler all diese Fahrzeugvarianten vor Ort haben muss. Auch virtuelle Hausbesichtigungen sind möglich. Dank einer Datenbrille kann man auch Luftschlösser besuchen, die noch auf Investoren warten. Das Städel Museum in Frankfurt erlaubt VR-Fans, bequem von der Couch aus Kunst zu betrachten. Damit nicht genug: Die Museums-App „Städel Zeitreise“ lässt virtuelle Besucher durch das Museum lustwandeln – im Jahr 1878. Auch andere Museen können Besucher damit in die Steinzeit schicken.

Bei Konzert-, Sport-, Theater- und Filmübertragungen scheinbar mittendrin zu sein – auch dieser Möglichkeit der Virtual Reality sagt man eine große Zukunft voraus. Das ZDF stellte bei den Olympischen Spielen in Rio erstmals Wettkämpfe auch in 360-Grad-Ansicht zur Verfügung. Unter vr.zdf.de finden sich VR-Inhalte, die den Betrachter in einen Gladiatorenkampf versetzen, einen Vulkan besteigen oder den Petersplatz in Rom besuchen lassen. Arte und die Deutsche Welle bieten ebenfalls online bewegte VR-Erlebnisse. Auch Größen aus der Filmindustrie wie Regisseur Michael Bay („Transformers“) experimentieren mit der neuen Technik.

Man muss nicht nach Hollywood schielen, wenn es um filmreife Virtual Reality geht: In München entsteht gerade eine VR-Serie, bei welcher der Zuschauer im Gegensatz zur klassischen Fernsehsendung per Kopfbewegung entscheiden kann, wohin er schaut. „Eine Folge wird nur etwa zehn Minuten dauern“, verrät Sara Boss, Producerin bei dem für die Serie zuständigen Tochterunternehmen der Filmproduktionsfirma tb-vent Media GmbH. Denn: „Längere Filme in dem neuen Format anzusehen, ist extrem anstrengend“, berichtet Boss. „Motion Sickness“ (Bewegungskrankheit) nennt sich die Sehkrankheit unter der manche Betrachter leiden, wenn sie zu lange durch die Datenbrille schauen. Experten hoffen, dass es sich dabei lediglich um eine Kinderkrankheit der aktuellen Gerätegeneration handelt.

Apropos Krankheiten: Das beeindruckendste Beispiel für die ungeahnten Möglichkeiten von Virtual Reality kommt aus der Medizin: Bereits im Jahr 2006 fand Doktor Hunter Hoffman von der University of Washington Seattle heraus, dass das Eintauchen in sein Virtual Reality-Spiel „SnowWorld“ die Schmerzen von Brandwunden-Opfern effektiver linderte als starke Schmerzmittel. Mittlerweile ist die dafür benötigte Technik so erschwinglich, dass immer mehr Krankenhäuser über den Einsatz nachdenken.

Mark Zuckerberg kaufte 2014 für über zwei Milliarden Dollar das VR-Pionierunternehmen Oculus VR. Die Vision des Facebook-Gründers: Zwischenmenschliche Interaktionen in den Sozialen Medien sollen sich bald nicht mehr virtuell anfühlen. Auch der Schulunterricht könnte von der Virtuellen Realität profitieren. Die berühmte Harvard University in den USA bietet bereits heute eine ihrer beliebtesten Vorlesungen (den Computerkurs CS50) als Virtual-Reality-Stream auf YouTube an. Warum Mark Zuckerberg einmal als Überraschungsgast vorbei schaute? Er war der berühmteste Absolvent des Kurses.

Die Preise

  • PlayStation VR (für Sony PlayStation 4): 400 Euro
  • HTC Vive (für PC): 900 Euro
  • Oculus Rift (Facebook): 700 Euro
  • Samsung GearVR (für Samsung Galaxy Handys): 90 Euro
  • Google Cardboards (für Android-Smartphones): 10 Euro (zum Selbstbasteln aus Pappkarton)