Die besonders konservativen unter den ungarischen Fans haben bei der Euro bestimmt eine für sie seltsame Woche erlebt. Erst wurde ihr Team von einer deutschen Nationalmannschaft in pinken Trikots mit 2:0 besiegt, dann standen ihnen beim 1:0 gegen Schottland auf den Tribünen der Stuttgarter Arena jede Menge Männer im Rock gegenüber. Furcsa, eigenartig!
Verrückt ist auch, was sich in der Innenstadt vor dem Duell der Magyaren mit den Schotten abspielte. Hunderte, ach was, tausende Fans der Bravehearts pilgerten durch die Straßen. Sie trugen Kilts und hatten Flaggen um die Schultern gelegt. Das weiße Andreaskreuz auf blauem Grund war eine beliebte Tätowierung auf Waden oder zierte Fingernägel. An der Treppe vor der Königsbau-Passage, nahe dem Schlossplatz, spielte ein Mann Dudelsack.
Die Schotten-Party ist vorbei
Immer wieder sangen sie ihr Lied: „No Scotland, no party“. Ohne Schottland keine Party. Tatsächlich war diese EM ein Fest, wo immer die Fans von der britischen Insel auftauchten. Ein Mann mit roter Perücke hielt einen aufblasbaren EM-Pokal in die Höhe. Den Turniersieg werden die Schotten nun nicht mehr feiern, sie wären schon froh gewesen, im Kampf um Platz drei und ein mögliches Achtelfinal-Ticket das ungarische Team zu besiegen.
Die Fans lieferten sich ein stimmgewaltiges Duell und gingen vom Anpfiff weg in die Offensive, während es die Mannschaften eher vorsichtig angehen ließen. In der 8. Minute wurde es bei einem Distanzschuss von Bendeguz Bolla gefährlich, der schottische Keeper mit dem wunderbaren Namen Angus Gunn war jedoch zur Stelle. Nach etwa einer halben Stunde dann eine Drangphase der Ungarn. Mehr als einen Kopfball von Willi Orban an die Latte bekamen die 54.000 Zuschauer aber vor der Pause nicht geboten.
In den Bahnhöfen patrouillierten am Nachmittag ungarische Polizisten, die Partie war als Hochrisikospiel eingestuft worden. Die Spieler ließen aber jedes Risiko vermissen, obwohl doch beide Teams unbedingt siegen mussten, um weiter im Turnier zu verbleiben. Das Geschehen spielte sich weiter zwischen den beiden Strafräumen ab.
In der 68. Minute wurden Erinnerungen an die Europameisterschaft vor drei Jahren und den Unfall des Dänen Christian Eriksen wach. Nach einem schlimmen Zusammenprall im schottischen Strafraum wurde der Ungar Barnabas Varga minutenlang hinter einem Sichtschutz behandelt, ehe er unter großem Applaus auf einer Trage abtransportiert wurde. Nach Informationen von Magenta TV war Varga noch vor Schlusspfiff ansprechbar und auf dem Weg ins Krankenhaus.
Wilde Schlussphase
Zehn Minuten nach dieser Szene blieb auf der anderen Seite der Pfiff des Schiedsrichters aus, als Stuart Armstrong im ungarischen Sechzehner fiel. In einer wilden Schlussphase häuften sich die Chancen für beide Mannschaften, doch erst am Ende der zehnminütigen Nachspielzeit fiel das Tor des Tages. Nach einem Eckball der Schotten setzte Ungarn einen letzten Konter – und Kevin Csoboth erzielte auf Vorlage von Roland Sallai den Siegtreffer.
So hieß es für die Schotten: keine Tore, keine Party. Ungarn kann als einer der besten Gruppendritten noch aufs Achtelfinale hoffen.