- Der Traumstart für den neuen Mann – und doch nicht: Was wäre denn das für ein verrücktes Startelf-Debüt bei diesem Turnier für Nico Schlotterbeck gewesen? Der Dortmunder Innenverteidiger, der im Achtelfinale der Heim-Europameisterschaft gegen Dänemark Leverkusens Jonathan Tah (Gelbsperre) ersetzte, traf nach einer Ecke per Kopf (4. Minute), doch der Ex-Freiburger und die deutschen Fans im Signal-Iduna Park in Dortmund jubelten zu früh. Denn Schiedsrichter Michael Oliver ahndete ein Foulspiel von Joshua Kimmich, der Schlotterbeck im Strafraum den Weg freigeblockt hatte. Schlotterbeck ließ sich davon aber nicht beirren, brillierte in der Innenverteidigung neben Antonio Rüdiger, der zum Spieler des Spiels gekürt wurde. „Kompliment an unsere Verteidiger, das haben sie wirklich stark gemacht“, sagte Torwart Manuel Neuer. Auch Schlotterbeck selbst befand selbstbewusst: „Wir haben außergewöhnlich verteidigt.“ Fürs Viertelfinale am Freitag in Stuttgart ist Rüdiger gesetzt, doch wer spielt neben ihm? Tah oder Schlotterbeck? Nagelsmann hat nun „eher eine Luxussituation“, wie er befand.

- Die starke Anfangsphase – aber kein Tor: „Wir waren zunächst überragend drin. Die ersten 20 Minuten waren die besten unseres Turniers“, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann. Deutschland dominierte auch nach dem aberkannten Schlotterbeck-Treffer, ließ Ball und Gegner mit hohem Tempo laufen. Was fehlte, war lediglich das Tor. Mehrmals war der dänische Schlussmann Kasper Schmeichel im Mittelpunkt, doch weder Schlotterbeck noch Joshua Kimmich, Kai Havertz oder Jamal Musiala konnten den 37-Jährigen überwinden.

- Das Unwetter: Nach einer halben Stunde begann ein „skurriles Spiel voller Widerstände“, wie es Nagelsmann nach der Partie treffend formulierte. Nach zwei ungewöhnlichen Fehlpässen von Mittelfeld-Chef Toni Kroos setzte das Unwetter in Dortmund ein. Schwarzer Himmel, der erste Blitz. Und ein lauter Knall, der Fans und Journalisten auf der Tribüne plötzlich zusammenzucken ließ. Es schüttete anschließend minutenlang in Strömen, tausende Anhänger verließen ihre Sitzplätze, die Spieler wurden von Schiedsrichter Oliver in die Kabinen geschickt. 25 Minuten Unterbrechung. Den Humor verloren die Zuschauer allerdings keinesfalls: „Oh wie ist das schön“, hallte es von den Rängen. Und als die Spieler beider Teams auf den Platz zurückkehrten, jubelten die teilweise völlig durchnässten Anhänger beider Lager.
- Der Dach-Kletterer: Es gab allerdings neben dem Wetter noch ein weiteres Problem, weshalb auch der zweite Durchgang minimal verspätet startete. „Eine Person gelangte um 22.27 Uhr während des Spiels auf das Dach des Stadions“, sagte Polizeisprecher Peter Bandermann. Polizisten näherten sich der Person an, ein Hubschrauber leuchtete das Stadiondach aus. Bis etwa eine Stunde nach dem Duell dauerte der Polizei-Einsatz noch an. Dann die Entwarnung: „Zu keinem Zeitpunkt bestand Gefahr für andere Menschen.“
- Das vermeintliche 1:0 für Dänemark: Es wurde in Durchgang zwei wieder Fußball gespielt – ganz regulär. Und das erste Tor fiel, Dänemark feierte den ersten Länderspieltreffer von Joachim Andersen, doch wieder einmal schaltete sich der VAR ein, weil Thomas Delaney hauchdünn im Abseits stand (48.). Die Fußspitze des ehemaligen Dortmunders ließ die deutschen Fans aufatmen. Hui, das war knapp. Wobei aufatmen untertrieben ist: Deutschland feierte den Eingriff des Schiedsrichtergespanns ähnlich frenetisch wie einen eigenen Treffer.
- Das Führungstor für die DFB-Elf: Deutschland ließ sich nicht beirren, spielte wieder nach vorne und wurde belohnt mit der verdienten Führung. Und für Andersen kam es noch schlimmer: Denn bei der nächsten nennenswerten Aktion bekam der Abwehrspieler den Ball an die Hand. Strafstoß für Deutschland – wieder einmal hatte sich der Videoschiedsrichter gemeldet. „Als Fußballer kann ich mich mit solchen Elfmeter-Entscheidungen nicht anfreunden. Da ist das Spiel gekippt“, gab Robin Gosens, TV-Experte, der nicht für die Heim-EM nominiert wurde, ehrlich zu. „Die Handregel wird seit Jahren diskutiert. Kann man pfeifen, muss man nicht“, meinte Nagelsmann. Kai Havertz, der aus dem Spiel heraus einige Chancen vergab, blieb vom Punkt eiskalt, traf wie schon gegen Schottland aus elf Metern (53.). „Ich trainiere das viel, schieße gerne Elfmeter, das macht mir Spaß. Ich versuche, mir den Druck zu nehmen, den Moment zu genießen und heute hat das wieder geklappt“, sagte der Angreifer des FC Arsenal, der wieder den Vorzug vor Niclas Füllkrug erhielt und das Vertrauen von Nagelsmann durchaus zurückzahlte.
- Die Erlösung, das 2:0: Jamal Musiala stand bis zur 68. Minute an diesem Abend selten im Mittelpunkt. Der Star der deutschen Nationalmannschaft kam kaum zur Entfaltung, wurde von den Dänen zugestellt, hatte wenig Räume. Dann aber der lange, präzise Ball von Schlotterbeck. Der 21 Jahre alte Münchner erlief den Ball, obwohl er kurz gezögert hatte, blieb vor Schmeichel eiskalt und sorgte für die Vorentscheidung. Sein drittes Tor bei diesem Turnier. Und nach dem Havertz-Elfmeter das erste für die DFB-Elf gegen Dänemark aus dem Spiel heraus. Und das trotz vieler Abschlüsse so spät: „Wir hatten Chancen, wo wir das Spiel einfacher machen können. Das Gute ist, dass wir Chancen kreieren. An anderen Tagen gehen die rein“, sagte Musiala.

- Die Party in Dortmund: Das Sommermärchen geht weiter, nach Stationen in München, Stuttgart und Frankfurt wurde in Dortmund gefeiert. Und wie! „Die Fans waren extrem da“, sagte Kimmich nach seinem 90. Länderspiel. Er sprach von „der mit Abstand besten Stimmung“, die beim vierten Turnierspiel geherrscht habe. „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“. Auch wenn eine Steigerung nötig sein wird für die ganz großen Herausforderungen: Deutschland träumt vom vierten EM-Titel.