Nachdem Kapitän Ilkay Gündogan beim 2:0-Sieg gegen Ungarn den zweiten Treffer der DFB-Elf erzielt hatte, sangen die deutschen Fußball-Fans in der Stuttgarter Arena schon „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.“ Die Party bei der Heim-Europameisterschaft geht nach dem vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale weiter, durch den zweiten Erfolg der DFB-Auswahl im zweiten Gruppenspiel träumen die Anhänger schon vom Finale am 14. Juli in der Hauptstadt. Aus gutem Grund: Denn fünf Protagonisten glänzen bei diesem Turnier und machen Hoffnung auf den Titel.
Der Bundestrainer
Julian Nagelsmann scheint derzeit immer das richtige Gespür zu haben. Seine Rollenverteilungen, von denen er seit Wochen immer wieder spricht, greifen. Die Spieler, die aktuell in der Startelf gesetzt sind, überzeugen, die Joker sorgen für frischen Wind und scheinen zu akzeptieren, dass sie eben nicht von Beginn an ran dürfen. Was sich schon bei den Testspiel-Siegen im März gegen die Niederlande und Frankreich angedeutet hat, bewahrheitet sich immer mehr: Der Bundestrainer hat einen Kader geformt, der zusammenpasst. Und dann sorgte der 36-Jährige auch noch in beiden Duellen bei der EM für Einwechslungen, die den Fans in den Stadien besonders gefielen. In München wurde Bayern-Legende Thomas Müller freilich besonders gefeiert, als er den Platz in der für ihn heimischen Allianz Arena betrat. In Stuttgart kamen die VfB-Profis Deniz Undav und Chris Führich ausgerechnet in der MHP Arena erstmals in ihrer Karriere zu einem Turniereinsatz, was zu großem Jubel auf den Rängen führte. „Die Fans dürfen von allem träumen. Unser Job ist, sie weiter träumen zu lassen“, sagte Nagelsmann nach dem Sieg gegen die Ungarn.
Die Fans
Die deutschen Anhänger sind voll im Turnier. Natürlich liegt das vor allem an den beiden Siegen, an den überzeugenden Auftritten der Nationalelf. Und dennoch es ist eben gerade die perfekte Symbiose, die es für den großen Erfolg braucht. Nagelsmann hat einen Weg gewählt, der den Fans gefällt. Die Spieler lassen alles auf dem Platz, was den Zuschauern natürlich ebenfalls gefällt. Und wenn die Deutschland-Anhänger dann für eine derart überragende Stimmung wie in Stuttgart am Mittwochabend sorgen, hilft das wiederum dem Bundestrainer und seiner Mannschaft. Das Stuttgarter Publikum war überragend, in wichtigen Momenten immer da und feierte lautstark. Im Vergleich zur auch schon stimmungsvollen Partie in München gab es diesmal zudem einen organisierten Fanmarsch: Viele Straßen in Stuttgart wurden dafür sogar gesperrt. Nagelsmann hat immer wieder betont, wie wichtig der Fan-Vorteil werden kann. Und dieser Faktor entwickelt sich gerade beeindruckend.
Toni Kroos
Mittlerweile hat der DFB-Rückkehrer wahrscheinlich kaum noch einen Kritiker in Deutschland mehr. Der 34-Jährige ist kurz vor seinem Karriereende ein ganz entscheidender Faktor im Spiel der DFB-Elf. Kroos besticht mit seiner Passsicherheit und Ruhe am Ball, findet in den Zwischenräumen immer wieder Gündogan, Jamal Musiala und Florian Wirtz. Er diktiert das Spiel der deutschen Nationalelf. Gegen Schottland brachte er von 102 Pässen 101 zum Mitspieler. Gegen Ungarn hatte er 143 Ballkontakte: Bisheriger Höchstwert beim Turnier. Zudem präsentiert sich Kroos als absoluter Führungsspieler, der Mitspielern Sicherheit gibt und der Siege und Niederlagen gut einordnet. „Wir haben die ein oder andere Schwierigkeit überstanden. Das bringt der Mannschaft enorm viel, das wird in der K.-o.-Phase wichtig. Wir werden hier nicht sieben Spiele von vorne wegspielen und immer führen. Deswegen ist es wichtig, diese Erfahrungen zu machen“, sagte Kroos nach dem zweiten Sieg im zweiten Spiel.
Jamal Musiala
Der 21-Jährige Offensivstar des FC Bayern zeigte schon bei der WM in Katar sein Potenzial, war beim Vorrunden-Aus einer der Lichtblicke. Auch bei den Münchnern spielt er schon lange auf einem enorm hohen Niveau, allerdings fehlten bei Musiala häufig die Zahlen. Das ist bei diesem Turnier anders. In beiden Spielen traf Musiala, zudem leitete er gegen Ungarn den zweiten Treffer gekonnt ein, als er auf den mitlaufenden Maximilian Mittelstädt wartete und den Stuttgarter im perfekten Moment mit idealer Passschärfe fand. Musialas Selbstvertrauen ist sichtbar, seine Dribblings sind kaum zu verteidigen. „Jamal Musiala ist unglaublich. Es ist so eine Freude, mit ihm zu spielen, ich liebe ihn“, sagte Gündogan und ergänzte: „Er ist vielleicht der wichtigste Spieler für uns im Moment, so ein kompletter Spieler und dazu ein netter Kerl, so bodenständig. Wenn er so weiter macht, kann er einer der Besten werden.“
Ilkay Gündogan
Es gab nicht wenige Fans und Experten, die Ilkay Gündogan vor dem Turnier auf die Bank gesetzt hätten. Auch der 33-Jährige selbst sprach einen Tag vor dem Duell gegen Schottland noch selbstkritisch über seine Leistungen in der DFB-Elf. Doch der Knoten im Dress der deutschen Nationalmannschaft scheint geplatzt, Gündogan lässt aktuell seine Kritiker verstummen. Gegen Schottland war er bei fast allen Treffern entscheidend involviert. Gegen Ungarn eroberte er beim 1:0 den Ball stark gegen Willi Orban zurück und servierte für Torschütze Musiala, das 2:0 erzielte er mit einem präzisen Linksschuss selbst. Zudem spielte er im Zentrum immer wieder kluge Pässe. Der Spielführer des FC Barcelona wurde zum Spieler des Spiels gewählt und wird nun die kommenden Herausforderungen mit mächtig Selbstvertrauen angehen können.