Noch vor wenigen Jahren hätten die chinesischen Erstligisten in Europa oder Lateinamerika noch nicht einmal in Regionalligen mithalten können. Den chinesischen Klubs fehlte es an Nachwuchs, einige Vereine waren regelmäßig in Korruptionsskandale verwickelt, Spieler aus dem Ausland zeigten nur wenig Interesse an China. Als entsprechend schlecht galten die spielerischen Qualitäten. Das könnte schon in der nächsten Spielzeit ganz anders aussehen. Der Grund: In China boomt derzeit der Fußball-Transfermarkt. Er ist sogar der finanzstärkste der Welt.
Für umgerechnet 42 Millionen Euro hat Guangzhou Evergrande Jackson Martinez, Stürmer von Atlético Madrid, verpflichtet. Damit hat der südchinesische Club einen neuen Transferrekord im asiatischen Fußball aufgestellt. In keiner Nationalliga wurde im Wintertransferfenster so viel Geld für neue Spieler hingeblättert wie in China. Mit umgerechnet 154 Millionen Euro werden die chinesischen Klubs sogar mehr Geld für den Spieler-Transfer ausgegeben haben als die der englischen Premier League. In China endet das Wintertransferfenster übrigens erst am 26. Februar.
Vor allem brasilianische Spieler sind bei chinesischen Vereinen angesagt. Für den brasilianischen Mittelfeldspieler Renato Augusto bezahlte der Pekinger Erstligist Guoan Anfang Januar eine Ablösesumme von acht Millionen Euro – um Augusto hatte sich auch der FC Schalke 04 bemüht. Für Augustos Landsmann Carlos Silva, bekannt unter dem Namen Gil, zahlte der Verein Shandong Luneng sogar 10 Millionen Euro.
Der bisherige teuerste Fußballspieler im Reich der Mitte war Ramires vom FC Chelsea. Er wechselte für 28 Millionen Euro vom FC Chelsea zum außerhalb in China kaum bekannten Verein JS Suning. Ebenfalls zu Chinas Neuzugängen gehören Fredi Guarin von Inter Mailand und der ivorische Stürmer Gervinho vom AS Rom.
Doch auch für heimische Spieler bieten die chinesischen Vereine horrende Summen. Den Wechsel des Verteidigers Bi Jinhao von Henan Jianye ließ sich der Shanghaier Klub Shenhua zehn Millionen kosten. Für den im internationalen Maßstab eher mittelklassigen Torwart Zhang Lu zahlte Quanjian Tianjin sogar über elf Millionen Euro. In der Summe gab der Zweitligist im Winter 40 Millionen Euro für neue Spieler aus. „Chinas Vereine haben sich spielerisch noch gar nicht behauptet“, kritisiert Lu Zhiyuan, ein unabhängiger chinesischer Fußballexperte. Trotzdem diese Rekordsummen? „Es sieht“, sagt Lu Zhiyuan, „verdächtig nach einer Blase aus.“
Dass im chinesischen Fußball so hohe Transfersummen geboten werden, ist unmittelbar auf Chinas Staatspräsident Xi Jinping zurückzuführen. Der bekennende Fußballfan hatte vor zwei Jahren den Aufbau einer Profiliga zur „nationalen Prestigefrage“ erklärt. „Ein Aufleben des Fußballs ist entscheidend auf Chinas Weg zu einer Sportnation“, so seine Worte. Die chinesische Nationalmannschaft belegte im weltweiten Fifa-Ranking damals Platz 78. Inzwischen ist China sogar auf den 84. Platz abgerutscht. Trotzdem wird im chinesischen Fußball kräftig geklotzt. Nicht nur hat die Regierung landesweit Hunderte von Fußballschulen errichten lassen, um junge Spieler zu trainieren.
Auch Chinas reiche Unternehmer folgten dem Aufruf ihres Staatschefs. Vor einem Jahr kaufte der Internetkonzern Alibaba für umgerechnet 140 Millionen Euro den chinesischen Meister Guangzhou Evergrande – eine für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich hohe Summe: Auf einen Schlag rangierte das Fußballteam aus der südchinesischen Metropole weltweit auf Platz 16 der wertvollsten Fußballclubs und wurde gar höher bewertet als Atlético Madrid.
Zuvor hatte bereits Immobilienhai Wang Jianlin, der es mit seinem Unterhaltungskonzern Wanda zum derzeit reichsten Chinesen geschafft hat, den Fußballclub seiner Heimatstadt Dalian für 60 Millionen Euro gekauft. Auch andere Milliardäre investieren seitdem kräftig in chinesische Fußballclubs, die so diese Rekordsummen für neue Spieler ausgeben können.
Kritiker befürchten, dass der massive Zukauf ausländischer Spieler dem Ziel der Zentralregierung womöglich sogar entgegenstehen könnte. Schließlich nehmen sie den chinesischen Spielern die Möglichkeit, häufig zum Einsatz zu kommen. Für Einsätze im Nationalteam seien sie unzureichend vorbereitet. Fußball-Experte Liu befürchtet noch verheerendere Folgen. Trotz der hohen Transfersummen bleibe das Niveau der chinesischen Klubs schlecht. Viele ausländische Spieler würden China von sich aus schnell wieder verlassen wollen, prophezeit Liu. Spätestens dann platze Chinas Fußball-Blase.