Überstunden gehören für Millionen Beschäftigte in Deutschland zum Arbeitsalltag. Laut Statistik haben 2024 rund 4,6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Mehrarbeit geleistet – im Schnitt 28,2 Stunden pro Kopf, schreibt die Vereinigte Lohnsteuerhilfe. Bislang hieß das: Wer die Mehrarbeit ausbezahlt bekommt, muss dafür Steuern und Sozialabgaben zahlen. Doch das soll sich ändern. Die Bundesregierung hat sich auf ein neues Arbeitsmarktstärkungsgesetz verständigt. Kernpunkt: Zuschläge für Überstunden sollen künftig steuerfrei sein.
Überstunden und Gehalt: So viel blieb bislang übrig
Bislang gilt eine einfache Regel: Werden Überstunden ausbezahlt, fließen sie ins Bruttogehalt ein. Damit steigen sowohl die Steuerlast als auch die Beiträge für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, wie die Vereinigte Lohnsteuerhilfe (VLH) auf ihrer Website aufschlüsselt. Wer länger arbeitet, bekommt in vielen Fällen nicht nur seinen normalen Stundenlohn, sondern auch einen Zuschlag. Doch dieser Bonus landet bislang nicht eins zu eins auf dem Konto, weil er wie reguläres Gehalt versteuert wird.
Ein Beispiel der VLH:
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Ein Arbeitnehmer verdient 3000 Euro brutto im Monat bei einer 40-Stunden-Woche.
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Sein Stundenlohn liegt damit bei rund 17,24 Euro (3000 € geteilt durch 174 Arbeitsstunden).
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Leistet er 15 Überstunden, bekommt er dafür 258,60 Euro zusätzlich.
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Sein Arbeitgeber zahlt außerdem einen Zuschlag von 30 Prozent – das sind weitere 77,58 Euro.
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Insgesamt steigt sein Bruttogehalt von 3000 Euro auf 3336,18 Euro.
Ohne Überstunden bleiben dem Arbeitnehmer laut dem VLH-Beispiel 2064 Euro netto. Mit Überstunden sind es 2254 Euro. Von den insgesamt 336,18 Euro Mehrarbeit landen also nur 189,60 tatsächlich im Geldbeutel.
Einzige Ausnahme: Zuschläge für Nachtarbeit, Sonn- und Feiertage sind bereits heute steuerfrei, sofern sie separat zum Arbeitslohn ausgewiesen werden. Allerdings dürfen Arbeitgeber für die Berechnung maximal 50 Euro Grundlohn pro Stunde ansetzen.
Steuerfreie Überstunden: Das soll sich jetzt ändern
Mit dem Entwurf für das Arbeitsmarktstärkungsgesetz, der am 12. September veröffentlicht wurde, bringt die Bundesregierung eine Entlastung auf den Weg. Während der Grundlohn für Überstunden weiterhin steuerpflichtig bleibt, sollen die Zuschläge dagegen steuer- und beitragsfrei werden – und zwar bis zu einer Höhe von 25 Prozent des Grundlohns. Die Änderung soll in § 3 EStG aufgenommen worden. Es wird also keine komplett neue Gesetzesgrundlage geschaffen, sondern eine bestehende Steuerbefreiungsregelung erweitert.
In unserem früheren Beispiel liegt der Grundlohn bei 17,24 € pro Stunde, 25 Prozent davon entsprechend 4,31 Euro pro Stunde. Pro Überstunde könnte der Zuschlag steuerfrei also bis zu 4,31 Euro betragen. Für den Arbeitnehmer aus dem Beispiel würden von seinen 77,58 Euro Überstundenzuschlag 64,65 Euro steuerfrei bleiben.
Allerdings wichtig: In vielen Betrieben werden Überstunden nur ohne Zuschläge erfasst – für diese Beschäftigten dürfte die Reform wenig, bis gar keinen Vorteil bringen.
Die Regierung verspricht sich laut Referentenentwurf gleich zwei Effekte: Zum einen sollen Beschäftigte für ihre Mehrarbeit stärker belohnt werden. Zum anderen soll die Reform Anreize setzen, offene Arbeitsstunden tatsächlich zu übernehmen – ein Signal angesichts von Fachkräftemangel und wachsendem Arbeitsdruck.
Gleichzeitig bleibt der Freizeitausgleich von Überstunden unverändert steuerfrei. Wer seine Mehrarbeit auf einem Arbeitszeit- oder Lebensarbeitszeitkonto sammelt und später abbaut, muss weiterhin keine Abgaben zahlen – außer die Stunden werden zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt, erinnert die VLH.
Ob und wann die Entlastung tatsächlich kommt, steht aber noch nicht endgültig fest. Der Gesetzentwurf ist bislang nur ein Referentenentwurf der Bundesregierung. Im Herbst soll er im Bundestag beraten werden, anschließend muss auch der Bundesrat zustimmen. Geplant ist ein Inkrafttreten zum 1. Januar 2026 – bis dahin können im parlamentarischen Verfahren jedoch noch Änderungen erfolgen.