Pflegekräfte leisten mit ihrer Versorgungsarbeit einen essenziellen Beitrag zum Gesundheitswesen. Allerdings dürfen sie medizinische Aufgaben nur in begrenztem Umfang übernehmen. Viele Leistungen bleiben hingegen ausschließlich Ärzten vorbehalten. Doch das soll sich nun bald in Teilen ändern. Am 11. September 2025 beriet der Bundestag erstmals über einen Gesetzentwurf der Regierungskoalition, der es Pflegerinnen und Pflegern künftig erlauben soll, selbst mehr Aufgaben durchzuführen und in größerem Umfang eigenständige Entscheidungen zu treffen. Welche Pflegebereiche betrifft das und was verspricht sich die Bundesregierung von dieser neuen Regelung?
In welchen Bereichen sollen Pflegekräfte mehr Aufgaben übernehmen dürfen?
Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode für die Einführung eines Pflegekompetenzgesetzes eingesetzt, das Pflegekräften gestatten sollte, mehr Aufgaben zu übernehmen und eigenständige Entscheidungen zu treffen. Das Gesetz wurde laut bundesregierung.de Ende 2024 vom Bundeskabinett beschlossen, trat jedoch nicht mehr rechtzeitig vor dem Ende der Ampelregierung in Kraft.
Die neue Regierungskoalition aus Union und SPD führte die Idee jedoch fort und will sie nun als „Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ in die Realität umsetzen. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wurde der Gesetzentwurf bereits am 6. August vom Bundeskabinett beschlossen. Am 11. September beriet der Bundestag in erster Lesung über den Entwurf.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Pflegefachpersonal je nach Qualifikation künftig bestimmte Aufgaben übernehmen soll, die bisher nur Ärzten vorbehalten waren, und eigenverantwortlicher handeln darf, ohne sich die Erlaubnis des behandelnden Arztes einholen zu müssen. Konkret geht es dabei um die Versorgung in den Bereichen Diabetes, Wundmanagement und Demenz.
Welche spezifischen Zusatzleistungen Pflegekräfte dann übernehmen dürfen, wurde in dem Gesetzentwurf allerdings noch nicht festgelegt. Hierfür soll zunächst ein sogenannter „Muster-Scope of Practice“ mit einer differenzierten Beschreibung der Aufgaben entwickelt werden. Über die Kompetenzerweiterung hinaus soll das neue Gesetz zudem überflüssige Bürokratie für Pflegerinnen und Pfleger abbauen, etwa indem die verpflichtende Pflegedokumentation auf das gesetzlich notwendige Minimum beschränkt wird. Im Anschluss an die Bundestagsdebatte wurde der Gesetzentwurf dem Gesundheitsausschuss zur Beratung vorgelegt.
Was soll das Kompetenz-Upgrade in der Pflege bewirken?
„Diese Maßnahmen werden sowohl Pflegefachpersonen selbst als auch Ärztinnen und Ärzte entlasten“ und so die Patientenversorgung effektiver gestalten, verspricht der Gesetzentwurf. Ein weiteres Ziel: Die geplante Erweiterung von Befugnissen solle in Kombination mit dem vorgesehenen Bürokratieabbau dazu beitragen, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten und damit dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken. Dieser stellt bereits heute ein akutes Problem dar, das sich in Zukunft noch verstärken dürfte. Das Bundesinstitut für Berufsbildung, das im Gesetzentwurf zitiert wird, prognostiziert für das Jahr 2040 einen Bedarf von mindestens 150.000 zusätzlichen Pflegekräften. Der Deutsche Pflegerat rechnet sogar mit einem zusätzlichen Personalbedarf von bis zu 500.000 Beschäftigten.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) wertete den Gesetzentwurf in der Bundestagslesung als wichtigen Schritt für die Zukunft der Pflege. Es sei nun an der Zeit, den Pflegekräften mehr Befugnisse einzuräumen, „denn sie können oft so viel mehr, als sie dürfen“, so Warken. Die geplanten Änderungen würden der Ministerin zufolge Entlastungen in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern sowie Arztpraxen herbeiführen und zugleich den Pflegeberuf weiter aufwerten.
Verschiedene Redner der Opposition übten aber auch Kritik an dem vorgestellten Entwurf. So warf die Grünen-Abgeordnete Simone Fischer der Regierungskoalition vor, die geplanten Änderungen als großen Reformschritt zu verkaufen, obwohl diese in der Realität keine erheblichen Neuerungen für das Pflegepersonal bieten würden. Denn in weiten Teilen seien Pflegekräfte trotz der vorgesehenen Kompetenzerweiterungen noch immer von ärztlichen Weisungen abhängig.
Verbände und Krankenkassen reagierten hingegen weitgehend positiv auf den Gesetzentwurf. Nach Angaben der ÄrzteZeitung bezeichnete etwa die Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, den Gesetzentwurf als geeignete Maßnahme, den Pflegebereich zu stärken und dem Fachkräftemangel zu begegnen. Auch die Vorstandsspitze der Kassenärztlichen Bundesvereinigung drückte grundsätzlich Unterstützung für die Pläne der Bundesregierung aus, sofern dadurch keine „neuen und entbehrlichen Schnittstellen“ zwischen verschiedenen Berufen oder „Doppelungen von Versorgungsangeboten“ entstehen. Pflegerats-Präsidentin Christine Vogler mahnte zudem an, dass das neue Gesetz möglichst klare, verbindliche Befugnisse schaffen müsse, um Pflegekräften ein selbstständiges Handeln zu ermöglichen.