Es ist eine verknitterte Kopie aus einem Labor, die Anastasia Wassiljewa von der russischen Gewerkschaft „Allianz der Ärzte“ – sie steht Russlands Opposition nahe – im Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht hat. „Krankenhaus für Sträflinge“ steht da, „Alexej Anatoljewitsch Nawalny“, „Kreatinin 152 (80-114), Kalium 7,1 (3,6-5,5)“. Ein Laborassistent hat unterschrieben. Das Papier hat Wassiljewa in Absprache mit der Familie des inhaftierten russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny offen gelegt.
Allianz der Ärzte appellieren über Twitter an die Öffentlichkeit
Es ist ein erneuter Versuch, Zugang zum erkrankten und hungerstreikenden 44-Jährigen zu bekommen, den der russische Strafvollzug Nawalnys Vertrauensärzten seit Wochen verwehrt. Ein dramatischer Appell. „Unser Patient kann jede Minute sterben“, sagt Nawalnys Hausarzt Aschichmin.

Die Kalium-, Kreatinin- und die Harnsäurewerte seien viel zu hoch. Das deute auf ein drohendes Nierenversagen; die zu hohen Kaliumwerte könnten zum Herzstillstand führen. „Ein Patient mit einem solchen Kaliumwert muss auf der Intensivstation überwacht werden“, sagte Aschichmin in einem Interview mit dem russischsprachigen Internetportal „Meduza“. Nawalny klagt seit Wochen über Schmerzen im Rücken, die in seine Beine ausstrahlten. Zudem waren noch Fieber und Husten hinzugekommen. Behandelt werde er mit Schmerztabletten und Salben, hieß es von seinen Vertrauten. Die Versorgung in russischen Strafkolonien gilt als unzureichend, weil es an Medikamenten wie auch an Personal fehlt.
Nawalnys Gesundheitszustand verschlechtert sich im Straflager rapide
Nach russischem Recht steht jedem Häftling eine Behandlung durch einen Arzt zu, dem dieser auch vertraut. Nawalny wird eine solche Behandlung verwehrt. Um diese zu erreichen, befindet er sich seit mehr als zwei Wochen im Hungerstreik – und nimmt immer weiter ab. Mittlerweile wiege ihr 1,89 Meter großer Mann nur noch 76 Kilogramm, teilte Nawalnys Frau Julia Nawalnaja mit. Das seien 17 Kilogramm weniger als vor seiner Verlegung ins Straflager von Pokrow, etwa 100 Kilometer von Moskau entfernt. Er gebe sich gewohnt witzig, klage aber über Schwindel und Müdigkeit, sagte Nawalnaja nach dem kürzlichen Treffen mit ihrem Mann in der Strafkolonie. Ein Protest einiger russischer Ärzte vor den Toren der Kolonie brachte lediglich Anzeigen gegen die Protestierenden ein. Dem Patienten droht die Zwangsernährung.

Die Strafvollzugsbehörde stellt sich auf den Standpunkt, Nawalny bekomme eine ausreichende medizinische Behandlung. Eine staatliche Kommission für die Rechte von Inhaftierten behauptete, der Mann simuliere nur, es geht ihm gut. Viele aus der Kommission waren zuvor bei der Polizei aktiv und damit Mitglieder von Russlands Sicherheitsorganen. Auf Briefe von Nawalnys Ärzten und deren Bitten, ein Konsilium mit den Ärzten des Strafvollzugs einzuberufen, reagierte die Behörde bislang nicht.
Prominente setzen sich für Nawalny ein
Derweil haben mehr als 70 international bekannte Kulturschaffende, darunter auch bekannte Historiker oder die Literatur-Nobelpreisträgerinnen Herta Müller, Swetlana Alexijewitsch und Louise Glück oder Schauspieler wie Kristin Scott Thomas und Benedict Cumberbatch in einem Brief an Russlands Präsidenten Wladimir Putin die Verlegung von Nawalny gefordert. Auch einige Abgeordnete russischer Regionalparlamente schrieben an Putin – mit der gleichen Forderung wie die Prominenten. An den Behörden prallen die Appelle ab.