Marc Jourdier, AFP und dpa

Die Iraner sollten ihn anrufen, man könne einen „Deal“ machen, so US-Präsident Trump. Doch der iranische Präsident Hassan Ruhani gibt sich unnachgiebig: „Kapitulation ist mit unserer Mentalität und Religion nicht vereinbar“, sagte Ruhani, ließ aber gleichzeitig eine Hintertür offen. Bedingung für ein Gespräch sei, dass der US-Präsident den Ausstieg aus dem Atomabkommen von 2015 und die Sanktionen gegen Teheran zurücknehme.

Ein Jahr nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen befindet sich die Wirtschaft im Iran auf Talfahrt. Die seit August von Washington verhängten Sanktionen befeuern die Inflation und lassen die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellen. Der Lebensstandard insbesondere der Mittelschicht in dem streng konservativen Land sinkt drastisch, die Hoffnungen vieler Menschen auf Wohlstand lösen sich in Luft auf.

Hartes Schicksal

So wie bei Aliresa. Bis vor wenigen Monaten arbeitete der heute 42-Jährige, der seinen Familiennamen lieber nicht nennen will, in einer Niederlassung des französischen Autokonzerns PSA. Dort habe er gutes Geld verdient, vom Kauf einer Wohnung und eines Autos geträumt. „Als das Abkommen funktionierte, erlebten wir wirklich eine Boom-Phase“, sagt er. „Man musste sich keinerlei Sorgen machen.“

Doch dann kam der Schock. Trump kündigte einseitig das mühsam ausgehandelte internationale Atomabkommen mit Teheran. Die meisten der ausländischen Firmen, die nach dem Abkommen aus dem Jahr 2015 im Iran investiert hatten, zogen sich wieder zurück oder schränkten ihr Geschäft drastisch ein. Darunter befanden sich der deutsche Siemens-Konzern, die französischen Autobauer PSA und Renault und der Ölkonzern Total. Die iranische Wirtschaft brach zusammen. Im vergangenen Jahr ging das Bruttoinlandsprodukt nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) um 3,9 Prozent zurück. Für dieses Jahr sagt der IWF einen Rückgang von sogar sechs Prozent voraus.

Mittelschicht fürchtet Rezession

Es könnte allerdings noch schlimmer kommen. Die Prognosen wurden vor der jüngsten Ankündigung der USA aufgestellt, die Ausnahmen für den Ölexport des Iran in acht Ländern zu streichen. Washington setzt damit auf „maximalen Druck“ im Atomstreit mit Teheran. Die iranische Mittelschicht fürchtet dagegen eine Rückkehr der großen Rezession von 2012 und 2013.

Bereits jetzt bekommen Angehörige der Mittelschicht wie Aliresa die Folgen der US-Sanktionen unmittelbar zu spüren. Er verlor zusammen mit hunderten Kollegen seinen Job bei PSA. „Seither suche ich überall nach einer neuen Arbeit, aber vergeblich“, sagt der 42-Jährige. Aus der Arbeitslosenversicherung erhalte er weniger als die Hälfte seines letzten Einkommens. Das Gehalt seiner Frau, die noch einen Job hat, kann die Verluste nicht ausgleichen.

Lebensmittel werden zum Luxusgut

Zugleich zogen die Preise massiv an. Die Inflation liegt nach Angaben der Behörden nun bei jährlich 51 Prozent. Vor einem Jahr hatte die Inflation noch acht Prozent betragen. Die Löhne stiegen nicht ansatzweise im gleichen Maße. Besonders Lebensmittel sind betroffen. Ein Vertreter der iranischen Lebensmittelindustrie sprach von Preiserhöhungen um 70 Prozent seit März 2018. Bis Juli drohen demnach weitere Steigerungen um 20 Prozent.

In manchen Geschäften in Teheran wird Fleisch knapp. Pistazien, die von iranischen Festen bislang nicht wegzudenken waren, sind mittlerweile ein Luxusgut. Auch Wohnen wird deutlich teurer: Seit März 2018 verdoppelten sich die Wohnungspreise in Teheran, wie die iranische Zentralbank vorrechnet.

Für Aliresas Träume von einem besseren Leben bedeutete diese Entwicklung das vorläufige Ende. „Die Immobilienpreise sind in die Höhe geschnellt“, klagt er. „Und inzwischen ist es auch praktisch unmöglich, ein Auto zu kaufen.“ Hoffnungen auf eine rasche Kehrtwende macht er sich nicht.