Herr Resch, Sie dürften einer der meistgehassten Menschen bei den deutschen Dieselfahrern sein...
Das erlebe ich so nicht. Eigentlich bekomme ich sogar mehr positive Rückmeldungen, auch von Dieselfahrern. Viele von ihnen erkennen, dass nicht die Deutsche Umwelthilfe, sondern die Automobilhersteller ihnen eine nicht funktionierende Abgasanlage eingebaut haben. Die Deutsche Umwelthilfe versucht vielmehr, nicht nur den von den Dieselabgasen belasteten Städtern, sondern auch den Dieselfahrern zu helfen. Wir haben eine Nachrüstung für alte Dieselfahrzeuge durchgesetzt – nach 40 Monaten erbitterten Widerstandes zuerst von Verkehrsminister Alexander Dobrindt und aktuell von Andreas Scheuer. Wir haben anfangs alleine diese für technisch möglich gehalten und nun auch bei der Bundesregierung die Erkenntnis durchgesetzt, dass diese Hardware-Nachrüstung komplett von der Automobilindustrie gezahlt werden muss.
Trotzdem sind Sie für viele zu einer Reizfigur geworden.
Der öffentliche Ton wird rauer und ich staune, wie selbst bekannte Politiker Personen oder Verbände diskreditieren, ohne sich zuvor mit der Materie auseinandergesetzt zu haben oder den Kontakt zu suchen.
Sind Sie schon einmal persönlich bedroht worden?
Nein, ich wurde noch nie bei einer Veranstaltung bedroht. Im Gegenteil: Das Interesse ist jetzt jedes Mal sehr groß, es kommen viele Teilnehmer. Die Diskussionen sind lebhaft und die meisten kritischen Fragen können wir konstruktiv beantworten. Und am Ende bitten uns betroffene Dieselfahrer wie die Bewohner der belasteten Straßenabschnitte, trotz des Gegenwinds weiter für sie zu kämpfen. Die aktuelle Kampagne von Autoindustrie und CDU hat uns übrigens so viele neue Mitglieder wie noch nie beschert.
Dabei greifen die Fahrverbote den Menschen doch direkt in den Geldbeutel…
Im Gegenteil: Wir helfen den von den Dieselkonzernen betrogenen Dieselfahrern, durch die von uns durchgesetzte Nachrüstung auf Kosten der Hersteller den Wertverlust ihrer Diesel zu stoppen. Dieselfahrer haben ein relativ teures Auto gekauft und das noch mit dem Versprechen der Hersteller, dass der Euro-5- oder Euro-6-Diesel ein besonders klimafreundliches, sauberes Fahrzeug sei. Anders als Frau Merkel vorgeschlagen hat, die Dieselbesitzer mit unwirksamen Micky-Maus-Software-Updates abzuspeisen, erhalten nun betroffene Fahrzeugbesitzer eine neue Abgasanlage. Daimler und VW haben die Kostenübernahme bis 3000 Euro erklärt. Ich bin gespannt, wann die restlichen Hersteller nachziehen.
Es gibt Experten, die den Sinn der Grenzwerte für Stickstoffdioxid öffentlich anzweifeln.
Die aktuell geltenden Grenzwerte für das Dieselabgasgift NO2 hat nicht die Deutsche Umwelthilfe festgelegt, sondern im Jahr 1999 die EU-Kommission. Aktiv beteiligt war das von der bis Ende 1998 amtierenden Umweltministerin Angela Merkel geleitete Ministerium. Diese Grenzwerte orientieren sich an einer auch heute noch gültigen Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO. Wenn nun ein industrienah argumentierender Wissenschaftler die Grenzwerte anzweifelt, dann sollte er sich bitte mit seiner Kritik an die Weltgesundheitsorganisation, die EU-Kommission und an das Umweltbundesamt wenden. Dort wird aber derzeit eher über eine Verschärfung nachgedacht. Die Schweiz hat übrigens seit 1986 bereits einen schärferen Grenzwert von 30 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Und diesen halten wir auch für Deutschland für sinnvoll.
Die CDU will prüfen, ob die DUH als gemeinnützige Organisation anerkannt bleibt, Annegret Kramp-Karrenbauer attackiert Ihren Verein. Gibt Ihnen das nicht zu denken?
Der Teil der CDU, der besonders scharf gegen die DUH vorgehen will, ist der politische Arm der Automobilindustrie. Es ist uns nicht gelungen, vor der Entscheidung auf dem CDU-Bundesparteitag mit auch nur einem führenden Christdemokraten ein Gespräch zu führen, es wurden uns keine Fragen gestellt und wir wurden auch nicht zum Parteitag eingeladen. Der Antrag, uns die Gemeinnützigkeit und die Klagebefugnis zu entziehen, wurde vom Bezirksverband Nordwürttemberg gestellt. Dessen stimmberechtigter Ehrenvorsitzender Matthias Wissmann ist der oberste Lobbyist der Autohersteller. Aus diesem Bezirk erhält die CDU zudem die höchsten Spenden der Autokonzerne. Aber die Krönung: Der Bundesparteitag der CDU, der über die Anträge entschied, wurde ausgerechnet von Volkswagen und Audi gesponsert. Die CDU – offensichtlich die „Christliche Diesel-Union“ – ist heute die Partei der Autoindustrie. Zur Frage der Gemeinnützigkeit: Das zuständige Finanzamt hat uns gerade erst geprüft und die Gemeinnützigkeit bestätigt. Der Bescheid gilt bis August 2023. Das Finanzamt entscheidet nach Recht und Gesetz und nicht aufgrund von Parteitagsbeschlüssen.
Verkehrsminister Scheuer attackiert seine eigene Regierungskommission für die Vorschläge zur Verkehrspolitik.
Wann endlich merkt die Autokanzlerin Merkel, dass sie die von den Autokonzernen verhinderte Verkehrswende endlich einleiten muss? Wenn die Umwelthilfe höhere Dieselsteuer, Einhaltung von Abgasgrenzwerten und ein Tempolimit fordert, wird ihr ein „Kreuzzug gegen den Diesel“ vorgeworfen. Jetzt erhalten wir selbst von Regierungsexperten ausdrücklich Rückendeckung. Wie eine moderne Verkehrspolitik aussieht, können wir in Zürich, Wien, Amsterdam oder Oslo sehen. Wenn nun selbst die Regierungskommission das Ende der Dieselsubventionen über die Medien fordert, zeigt dies das tiefe Misstrauen gegenüber der Regierung.
Fragen: Margit Hufnagel
Zur Person
Jürgen Resch, 58, ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer des Vereins Deutsche Umwelthilfe (DUH). Er studierte Verwaltungswissenschaften an der Uni Konstanz und begann seine umweltpolitische Karriere 1975 als Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Naturschutz Bodensee. Resch ist Mitbegründer der Stiftung Euronatur, des Global Nature Fund und der Bodensee-Stiftung. Bekannt wurde er im Zuge des Diesel-Abgasskandals, zu dessen Aufdeckung die DUH beitrug. Er lebt in Bonndorf bei Überlingen. (sk)
Gedankenspiele für Tempolimit und deutlich höhere Spritpreise
- Verkehrsexperten: Eine Kommission im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums schlägt spürbare Einschränkungen für Autofahrer vor, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Die Experten erwägen ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf der Autobahn und eine deutliche Anhebung der Steuersätze auf Benzin und Diesel. Das Verkehrsministerium erklärte, es handele sich um „erste Gedankenspiele“ mit Debatten-Beiträgen, die „weder sozial noch wirtschaftlich zu verantworten“ seien.
- Zukunft der Mobilität: Die Bundesregierung hatte die Nationale Plattform zur Zukunft der Mobilität vor vier Monaten eingesetzt. Sechs Arbeitsgruppen mit externen Experten „sammeln seither Ideen, die weder beraten, abgestimmt oder beschlossen sind“, wie das Verkehrsministerium erklärte.
- Vorschläge: Ziel der Vorschläge sei eine „geringere Fahrleistung“ der Autos, so der „Spiegel“ und eine „Verlagerung auf Bahn, Rad- und Fußverkehr“.
- Teurer Sprit: Die Experten schlugen vor, die Steuersätze auf Benzin und Diesel anzugleichen und anzuheben – ein Liter Sprit würde sich bis 2030 um 52 Cent erhöhen. Beim Kauf von Autos mit hohem Verbrauch könnte eine Abgabe von mehreren hundert Euro fällig werden, mit dem der Bund eine 8000-Euro-Förderprämie für Elektroautos finanzieren könnte. (AFP)