Zu einer Zeit, als in Westdeutschland noch die meisten Rockbands entweder auf Englisch sangen (oder gar nicht: etwa Tangerine Dream oder die frühen Kraftwerk), wurde in der DDR schon auf Deutsch gerockt. Selbstverständlich aus ideologischen Gründen (Englisch galt den ostdeutschen Kultur-Zensoren als die Sprache des Imperialismus).

Ergebnis war, dass jenseits der innerdeutschen Grenze wahre Pionierarbeit geleistet wurde in Bezug auf die Verbindung von knalligen Rhythmen und deutscher Poesie, und die Band Silly – 1978 in Ost-Berlin gegründet – tat sich hierbei besonders hervor. Der Untergang der DDR schmälerte ihre Popularität – nun im wiedervereinigten Gesamtdeutschland – in keiner Weise.

Der Krebstod ihrer überaus charismatischen Sängerin Tamara Danz 1996 stürzte sie jedoch in eine Existenzkrise. Anna Loos fungierte als Frontfrau bis 2018, in der gegenwärtigen Besetzung teilen sich AnNa R. und Julia Neigel den Job. Silly treten am 15. Juli auf dem Honberg auf, und alles Andere als ein proppenvolles Festzelt wäre eine faustdicke Überraschung.

Chris de Burgh: Der irischer Sänger gilt als Urgestein des Folkrock.
Chris de Burgh: Der irischer Sänger gilt als Urgestein des Folkrock. | Bild: Henning Kaiser/dpa

Am Tag danach ist dann ein wahrlich altgedienter Veteran der angloamerikanischen Folkrock-Szene live zu erleben: Chris de Burgh, mittlerweile 73 Jahre alt. Auch er hat hierzulande enorm viele Fans. Apropos Folkrock: Auch die Hooters aus Philadelphia/USA beehren den Honberg dieses Jahr mit einem Besuch – erneut, denn in Tuttlingen waren sie (einen Stadthallen-Gig mit eingerechnet) in den letzten 20 Jahren fünf Mal. Am 13. Juli werden sie das Festivalzelt rocken.

Nico Santos: Der Singer/Songwriter aus Bremen kommt in diesem Jahr zum Honbergsommer in Tuttlingen.
Nico Santos: Der Singer/Songwriter aus Bremen kommt in diesem Jahr zum Honbergsommer in Tuttlingen. | Bild: Paul Huettemann/Semmel Concerts

Und es gibt noch mehr klangvolle Namen, denn wie auch auf den anderen Post-Corona-Festivals in diesem Sommer geben sich die Größen der Szene buchstäblich die Klinke in die Hand: Am 14. Juli tritt der Bremer Singer/Songwriter Nico Santos auf, Shooting-Star des Jahres 2020, mit seinem zweiten schlicht „Nico Santos“ betitelten Album gelangte er bis auf Platz 3 der Longplayer Charts. Die Berlin Reggae/HipHop-Formation Culcha Candela wird am 17. Juli die Honberger Zeltbühne entern – gut möglich, dass da die Zeltstangen im Rhythmus lässig mitwippen.

Saga: Die populäre kanadische Rockband kommt im Sommer nach Tuttlingen.
Saga: Die populäre kanadische Rockband kommt im Sommer nach Tuttlingen. | Bild: Shooter Promotions GmbH

Am 20. Juli ist eine weitere Rock-Legende auf der Tuttlinger Burgruine zu Besuch: Saga aus Kanada, eine der ganz wenigen nordamerikanischen Bands, die sich dem an und für sich eher in Europa beheimateten Progressive Rock verschrieben hat. Im Jahr 1977 hat sich die Truppe in Oakville/Ontario gegründet, und die ersten Top Ten-Platzierungen erreichten ihre Alben keineswegs in ihrem Heimatland, sondern in Norwegen und vor allem in Deutschland. Auch hier ist demzufolge wohl mit großem Andrang zu rechnen, und der epische, orchestrale Sound der fünf Kanadier kommt im Umfeld des pittoresken Burggemäuers bestimmt kongenial zur Geltung.

Matthias Reim: Der Popsänger hat in Tuttlingen in diesem Sommer ein Heimspiel.
Matthias Reim: Der Popsänger hat in Tuttlingen in diesem Sommer ein Heimspiel. | Bild: Felix Kästle/dpa

Ein richtiges Alternativprogramm hierzu ist da natürlich der Auftritt von Matthias Reim (21. Juli), dem offenbar unverwüstlichen deutschen Schlagerstar. Sein Singlehit-Rekord mit dem Lied „Verdammt, ich lieb‘ Dich“ von 1990 (16 Wochen lang ununterbrochen Nummer 1 der Charts) wurde erst 2017 wieder gebrochen, und sage keiner, der mittlerweile 64-Jährige hätte seine großen Jahre inzwischen hinter sich: Mit seinem 19.(!) Album „Matthias“ schaffte er es vor ein paar Monaten immerhin wieder auf Platz 2...

Am Tag drauf gibt es auf dem Honberg den nächsten radikalen Stilwechsel: H-Blockx, die Crossover-Truppe aus dem nordrhein-westfälischen Münster wird dann ihre zweifellos immer noch beachtlich große Anhängerschaft im Festivalzelt um sich versammeln – auch wenn die Kombination aus aggressiven Rap-Lyrics und brutalen Gitarrenriffs etwas aus der Mode gekommen zu sein scheint – „irgendwie so Neunziger“ klingt.

Joris: Mit bürgerlichem Namen heißt der Liedermacher Joris Ramon Buchholz.
Joris: Mit bürgerlichem Namen heißt der Liedermacher Joris Ramon Buchholz. | Bild: Jan Woitas/dpa

Voll im Trend der Zeit liegt da natürlich schon eher der deutsche Liedermacher Joris, der am 23. Juli die 2022er-Ausgabe des Honbergsommers mit einem Auftritt beschließt: Seine Texte treffen offenbar den Nerv einer Generation, die bisher nichts als Krisen kennengelernt hat, und seine schlichten, einprägsamen Melodien sind perfekt dazu geeignet, einen den ganzen Tag über zu begleiten.

Honbergsommer Tuttlingen: 8. bis 24. Juli; weitere Infos und Tickets hier.