„Na Chef, alles klar? Wie immer? – Alles klar, Chef, einmal mit alles.“ Ein typischer Kurzdialog bei der Bestellung eines Döner Kebab – klingt lustig, lässt aber auch tiefer blicken. Was wir mit Cihan Anadologlu versuchen wollen.
Er ist Autor des Prachtbandes „Einmal mit alles – Der Döner und seine Verwandten“. Das ist mehr als eine edle Werbeschrift. Genau gelesen ist „Einmal mit alles“ sogar eine Streitschrift pro Döner, pro deutsch-türkische Freundschaft, kontra Respektlosigkeit dem Dönermann und dem Essen gegenüber.
Herr Anadologlu, in Ihrem Buch listen Sie ein paar Dos und Don‘ts für Kunden eines Dönerladens auf. Ein Tipp lautet: „Es ist besser, mit dem kleinen Finger auf die Zutaten zu weisen und nicht mit dem Zeigefinger – das gilt als unhöflich“. Wieso das?
Cihan Anadologlu: In der Türkei bedeutet der ausgestreckte Zeigefinger Befehl. Darum zeigt man nicht ohne Grund auf Menschen und auch nicht auf Essen. Überhaupt hat der Türke mehr Respekt vor dem Essen. Wenn im Restaurant ein Kellner mit Essen vorbei kommt, schauen Deutsche dahin und hinterher. Türken nicht. Will man auf etwas deuten, dann mit dem kleinen Finger.
Gibt es weitere Fallen, die der Kunde beachten sollte?
Cihan Anadologlu: Bitte keine missglückten Türkisch-Versuche! Einfach normal Deutsch sprechen! Noch schlimmer ist, „Gastarbeiterdeutsch“ zu imitieren wie: „machen rein nur Kraut.“ Am schlimmsten aber ist, sich über den Nachnamen des Dönermannes lustig zu machen.
Sie sprechen aus Erfahrung?
Cihan Anadologlu: Ich bin hier in Deutschland geboren und seit 43 Jahren Deutscher. Doch bestimmte Sachen wiederholen sich immer wieder. Anadologlu kann ein Deutscher noch immer nicht aussprechen. Und wenn er es versucht, hört es sich sehr seltsam an. Darum stelle ich mich auf Branchentreffen meist als „Cihan, ich verkaufe Döner“ vor. Dann will man anfangs nicht mit mir reden. Erst wenn sie erfahren, das ist der mit den vielen Auszeichnungen – dann drängeln sie sich um mich.
Ein bisschen Spaß machen Sie aber auch mit Ihrem Namen. So heißt ein Döner-Rezept in Ihrem Buch „Der Sohn aus Anatolien“. Das ist die deutsche Übersetzung von Anadologlu. Und der Name Ihres Schwabinger Edel-Dönerladens ist ja auch nicht unkomisch: Hans Kebab. Hans Braten!
Cihan Anadologlu: Ich mag auch Ironie im Marketing. Kein Name ist so deutsch wie Hans. Und Hans kombiniert mit dem türkischen Wort für gegrilltes Fleisch – das zeigt meinen Ansatz: Der Döner verbindet die Kultur meiner Herkunft, der Türkei, mit der meiner Heimat – Deutschland.
Ist der Buchtitel „Einmal mit alles“ nicht auch Lustigmachen über Gastarbeiterdeutsch?
Cihan Anadologlu: Bis jetzt gab es überhaupt kein Marketing für Döner. Döner war immer billiges Fastfood für Türken und deutsche Arbeiter. Für 3,50 Euro braucht man kein Marketing. Döner war lecker und billig, mehr war nicht nötig. Doch für so wenig Geld kann es keine Qualität geben.
Will man Qualität beim Fleisch, beim Salat, beim Brot, will man die Mitarbeiter fair bezahlen und sozialversichern, betritt man ein völlig neues Preissegment. Hier braucht es Marketing. Social Media gehören dazu, Events, verrückte Ideen. Mein Buch ist auch ein Teil davon. Und der Titel ist eine Art Verarsch-Marketing: Der Dönermann lacht über sich selbst. Diese Selbstironie zahlt sich aus, was man am Erfolg des Buches und meiner Geschäfte sieht.
Was unterscheidet Döner in Deutschland von Döner in der Türkei?
Cihan Anadologlu: In der Türkei wird Döner zu 90 Prozent so gegessen: ein Brot, Lamm- oder Kalbfleisch daneben, Zwiebel. Das Fleisch wird stückchenweise ins Brot gerollt und gegessen. Die Türken gehen zum Essen wegen des Fleisches und des Fleischgeschmacks. Fleisch war immer Luxus in der Türkei, schon weil man hier kein Schweinefleisch hat. Darum gilt beim Essen: Das Fleisch ist der Star.
In Deutschland ist Fleisch nicht der Hauptakteur. Hier liebt man die Kombination aus Fleisch, Salat, Zwiebeln und Sauce. In der Türkei isst man selten Sauce. In Deutschland sind Knoblauch- und Joghurtsaucen unverzichtbar. Sogar im Hans Kebab, wo man Damen mit Gucci-Taschen trifft, hört man das bekannte „bitte mehr Sauce“.

Der Döner Kebab ist eine Erfindung der Türkei. Griechenland und arabische Länder erheben ebenfalls Ansprüche – aus Berlin stammt er jedenfalls nicht. Trotzdem ist der Berliner Döner etwas Eigenes geworden. Nun gibt es in der Türkei viele deutsche Touristen – gibt es auch den Reimport des deutschen Döners in die Türkei?
Cihan Anadologlu: Das ist am ehesten der Tombik-Döner, das ist Fleisch mit Zwiebeln und Tomaten zwischen einem rundlichen Brot, „tombik“ heißt so viel wie „pummelig“. Für Ärmere wird weniger Fleisch verwendet, dafür Kartoffelpüree zum Sattwerden. Auch hier gilt aber: keine Sauce!
Und wie passt Hühnerfleisch ins Dönerkonzept? Ihr billigster Döner im Hans Kebab ist ein Chicken Döner für 8,50 Euro.
Cihan Anadologlu: Huhn hat eigentlich im Döner nichts verloren. Doch Kalb ist extrem teuer geworden. Dazu passt, dass immer mehr Leute Hühnerfleisch mögen. Die Abwendung vom roten Fleisch kommt sicher hinzu.
Bitte noch ein paar Tipps zur Frage: Woran erkenne ich einen guten Dönermann?
Cihan Anadologlu: Meine Oma hat immer gesagt: Geh‘ zuerst auf die Toilette. Ist es dort sauber, ist es wahrscheinlich auch in der Küche sauber. Und dann: Achten Sie auf den Spieß. Erkennen Sie einzelne geschichtete Fleischlappen, ist das ein gutes Zeichen. Ein schlechtes Zeichen ist es, wenn das Fleisch aus einer Warmhaltebox kommt. Dann würde ich wieder gehen.