Winnetou jagte einst mit Pfeil und Bogen, auch Robin Hood kannte sich damit aus. Und jetzt Brandenburg? In der Gemeinde Stahnsdorf am Rande Berlins will man mit der Jagdmethode den Wildschweinen, die dort ihr Unwesen treiben, Herr werden. „Bundesweit wären wir die ersten“, sagt Bürgermeister Bernd Albers (parteilos).

Friseurin Hannelore Heinrich hatte in dem Ort vor kurzem eine Begegnung, an die sie immer noch mit Grausen denkt. Ein offensichtlich verletztes Tier drückte die Tür zum Laden auf, warf Stühle und Mobiliar um. Überall sei Blut gewesen. „Ich habe laut geschrien“, erzählt die Frau. Damit habe sie das Schwein wieder raus getrieben.

Blutspuren und Chaos hinterließ ein Wildschwein in einem Stahnsdorfer Frisör-Salon.
Blutspuren und Chaos hinterließ ein Wildschwein in einem Stahnsdorfer Frisör-Salon. | Bild: dpa

Jagd in Wohngebieten gefährlich

60 bis 70 Wildschweine werden jährlich in Stahnsdorf gesichtet, manchmal schon tagsüber. Jäger lehnen die Jagd mit dem Gewehr in dem dichtbewohnten Ort als zu gefährlich ab: Querschläger könnten Unbeteiligte gefährden. Sicherer erscheinen einigen Waidmännern Pfeil und Bogen – sie verbreiteten den Vorschlag, damit auf Jagd zu gehen.

Seit 1976 verbietet das in Deutschland jedoch das Bundesjagdgesetz. Der Deutsche Jagdverband lehnt die Methode nach wie vor ab. „Insbesondere das Abprallverhalten ist völlig ungeklärt, gerade in Siedlungen mit Bordsteinen, Asphalt oder Zäunen“, heißt es vom Verband. Für eine Ausnahmegenehmigung wäre das Brandenburger Landwirtschaftsministerium als oberste Jagdbehörde zuständig. Prüfungen liefen, heißt es dort. Sprecher Jens-Uwe Schade sagt, es müsse sichergestellt werden, dass das Wild tierschutzgerecht getötet werde.

Pfeil und Bogen könnte möglicherweise bald in Stahnsdorf bei der Jagd gegen Wildschweinen zum Einsatz kommen.
Pfeil und Bogen könnte möglicherweise bald in Stahnsdorf bei der Jagd gegen Wildschweinen zum Einsatz kommen. | Bild: dpa

Pilotprojekte zeigen Machbarkeit

Die Bogenjagd wird nach Angaben des Deutschen Bogenjagdverbands in 17 europäischen Ländern als zusätzliche waidgerechte Jagdart akzeptiert. Ein ausgebildeter, geübter Jäger könne auf die maximale Distanz von 25 Metern die Größe eines Handtellers treffen, sagt Jan Riedel, 1. Vorsitzender des Verbands, der in Biederbach in Baden-Württemberg sitzt. In Madrid würden Wildschweine im städtischen Raum mit Pfeil und Bogen erlegt. In einem zweimonatigen Pilotprojekt seien so hunderte Tiere getötet worden.

„Wir halten das Risiko innerorts für vertretbar“, sagt Bürgermeister Albers. Eine alternative Möglichkeit sehe er derzeit nicht: Duftzäune zum Vergrämen hätten nicht den erhofften Erfolg gebracht. Pillen, die Nachwuchs verhindern, seien nicht praktikabel einsetzbar.

Der Stahnsdorfer Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt steht an einem neuen Zaun, der die Tiere vom Zentralkirchhof fernhalten soll.
Der Stahnsdorfer Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt steht an einem neuen Zaun, der die Tiere vom Zentralkirchhof fernhalten soll. | Bild: Bernd Settnik

Auch auf dem 206 Hektar großen Zentralkirchhof Stahnsdorf verwüsteten Wildschweine immer wieder Flächen. Inzwischen gibt es einen 4000 Meter langen und 1,65 Meter hohen Maschendrahtzaun. „Wir sind jetzt frei“, sagt Friedhofsleiter Olaf Ihlefeldt. Die Wildschweine suchten sich allerdings weiter gern Lücken. Besucher werden darum mit Hinweisschildern gebeten, die Tore zum Friedhof geschlossen zu halten. „Das hilft auch“, sagt Ihlefeldt. (dpa)

Ein selbstgefertigtes Schild bittet die Friedhofsbesucher das Tor zu schließen.
Ein selbstgefertigtes Schild bittet die Friedhofsbesucher das Tor zu schließen. | Bild: Bernd Settnik