Wasser. Und Wellen und Wind. Wie ein kornblumenblaues Seidennachthemd liegt der Forggensee an diesem Sommermorgen da. Wiesen und Wälder schmiegen sich an das Ufer. Dieser See also, der nun so friedlich wirkt, dieser See hat den Menschen im vergangenen Jahr Sorgen bereitet. Denn ihm fehlte etwas, das einen See eben zu einem See macht: Wasser.
Anstatt blaues Wasser nur braunes Brachland
Weil ein Damm in die Jahre gekommen, undicht war und saniert werden musste, wurde der Stausee 2018 nicht wie üblich Anfang Juni geflutet. Was blieb, war eine matschige Pfütze. Vielerorts sogar nur braunes Brachland. 1954 wurde der Donau-Nebenfluss Lech gezähmt und künstlich aufgestaut, um Strom zu erzeugen. Jeden Winter liegt die Ebene trocken, um im Frühsommer die Schneeschmelze aufnehmen zu können.

Der Forggensee dient vielen Orten so als Hochwasserschutz – und Gästen aus aller Welt als Badesee. Nur eben nicht im vergangenen Jahr. Und das hatte Folgen: Urlauber waren entsetzt. Hoteliers, Wirtsleute und Bootsverleiher fürchteten um ihr Geschäft. Die Zeitungen waren voll mit Bildern, die eher an eine Mondlandschaft als einen Badesee erinnerten.
Nun, ein Jahr später, fragt man sich: Wie schlimm war das damals? „Es war schon eine Ausnahmesituation im letzten Jahr“, sagt Ulrike Schnöller, Besitzerin des „Seehotel Schnöller„ im kleinen Ort Riedern am Westufer des Sees. Und das, obwohl direkt vor ihrem Hotel noch ein bisschen Wasser übrig war, eine Art überdimensionale Lache, in der man tatsächlich noch baden konnte.
Anrufe von verunsicherten Touristen
Als klar war, dass der See kein Wasser haben würde, hätten ständig verunsicherte Touristen angerufen, erzählt Schnöller. Einige fragten sogar nach einem Preisnachlass. Insgesamt habe es aber nur wenige Stornierungen gegeben – und das seien alles Wassersportler gewesen. Trotzdem musste Schnöller den Café-Betrieb ihres Hauses gewaltig zurückfahren, weil insgesamt viel weniger Menschen am See unterwegs waren.
Tränen in der Ferienwohnung
Ihre Cousine, erzählt Schnöller weiter, habe aber auch ganz andere Erfahrungen gemacht. „Da standen die Menschen heulend vor der Ferienwohnung, weil das Wasser weg war.“ Auch wenn sie keine allzu großen Probleme hatte – eines ärgert die Hotelbetreiberin heute noch: Man sei lange im Unklaren gelassen worden, wann und ob der See denn nun wieder aufgestaut würde. „Ich glaube, dass viele die Wertigkeit des Forggensees für den Tourismus total unterschätzt haben“, sagt Schnöller.

Besonders große Probleme hatten Campingplätze, die unmittelbar am See liegen. „Wir hatten massive Einbrüche bei den Gästezahlen“, erzählt ein Betreiber. Seinen Namen will er nicht nennen, viele andere wollen sich zu dem Thema überhaupt nicht mehr äußern. Und auch die Schifffahrt hat es hart getroffen. Der finanzielle Verlust beläuft sich auf etwa 800 000 Euro.
Die Gäste sind dieses Jahr vorsichtiger
Und in diesem Jahr? Die Buchungssituation unterscheide sich nicht von der in den Vorjahren, heißt es von der Füssener Tourismuszentrale. Rike Döring hat indes andere Erfahrungen gemacht. Die Gäste seien beim Buchen vorsichtiger geworden, sagt Döring, die drei Ferienwohnungen am Nordufer vermietet. Normalerweise seien ihre Wohnungen schon im Winter ausgebucht – nun gibt es sogar jetzt noch freie Plätze für die Sommersaison.

Christa und Jörg Stein-Wiese verbringen seit vielen Jahren ihren Urlaub am Forggensee. Auch im letzten Sommer waren sie da. „Aber hätte ich vorher gewusst, dass kein Wasser im See ist, wären wir wohl woanders hingefahren.“
Deutschlands größter Stausee
- Der See: Mit 15,2 Quadratkilometern ist der Forggensee der größte Stausee Deutschlands sowie der fünftgrößte See Bayerns. Er ist bis zu zwölf Kilometer lang und drei Kilometer breit. Er hat ein Volumen von 166 Millionen Kubikmetern.
- Entstanden 1954: Der Forggensee, der vom Lech durchflossen wird, entstand im Jahr 1954, als das Wasserkraftwerk in Betrieb ging. Seinen Namen erhielt er vom Weiler Forggen.
- Stromerzeuger: Das Kraftwerk Roßhaupten versorgt knapp 50 000 Haushalte mit Strom. Zudem dient der See als Rückhaltebecken während der Schneeschmelze.
- Nicht immer voll: Die volle Stauhöhe hat der See nur von Juni bis Mitte Oktober. Im Winter kann man im leeren See die Reste der römischen Militärstraße Via Claudia Augusta sehen. (az)