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„Das ist ein Menschheitsthema, das man nicht alleine den Wissenschaftlern überlassen darf.“ Das sagt der Chef des Deutschen Ethikrates, Professor Peter Dabrock, mit Blick auf die Gen-Technik Crispr/Cas. So heißt eine Art chirurgische Gen-Manipulation, mit der sich sehr zielgenau und einfach Änderungen an den Erbinformationen vornehmen lassen. Die Methode wird zwar erst seit einigen Jahren angewandt. Doch bei Pflanzen und Tieren sind die Forscher schon recht weit. Einige Länder schreiten auch in Richtung Anwendung am Menschen voran. Dabrock spricht sich im Interview deshalb für eine internationale Institution aus, die diesen Prozess beobachtet.

Wann denken Sie, von wissenschaftlicher Seite her, könnte es einen Menschen als gentechnisch veränderten Organismus geben?

Ich betreibe Ethik, und ich bin Theologe, ich bin kein Glaskugel-Leser. Dennoch: Wenn man hört, was in den wissenschaftlichen Communities debattiert wird, würde ich mich nicht wundern, wenn auf chinesischer Seite in den nächsten Jahren bereits das erste genmanipulierte Baby geboren wird.

Der Ethikrat plant eine Stellungnahme zum Thema Eingriffe mit der Gen-Schere in die Keimbahn. Wie weit ist die?

Da ist es wichtig, an die Vorgeschichte zu erinnern. Im letzten August kamen aus einem amerikanischen Labor erste Versuche, Embryonen so zu manipulieren, dass erkennbar das Ziel eine Keimbahn-Veränderung war. Das hat uns aufgeschreckt. Wir haben recht unmittelbar eine Empfehlung an die Bundesregierung und den Bundestag veröffentlicht, in der wir auffordern, sich für eine internationale Konferenz zum Thema einzusetzen. Ganz in Entsprechung zu der Klimakonferenz. Das ist ein Menschheitsthema, das man nicht alleine den Wissenschaftlern überlassen darf.

Und wie ging es weiter?

Der damalige Bundesgesundheitsminister Gröhe hat uns gebeten, die Pro- und Contra-Argumente zusammenzustellen. Wir hoffen, dass wir allerspätestens Ende des Jahres damit fertig sind.

Welches sind zentrale Fragen, die schwer zu klären sind?

Bei der neuen Technik geht es um unsere biologische Grundlage als Mensch. Wenn man sich die Debatte dazu anschaut, wird es sehr schwer werden, eine einheitliche Position auf Weltebene zu finden. Aber wir müssen zumindest darüber reflektieren, unter welchen Bedingungen so etwas gemacht wird: Welches Risiko ist man bereit einzugehen für sich, für die eigenen Kinder, aber auch für die Kindeskinder? Wenn Sie der Auffassung sind, in der zweiten oder dritten Generation könnten noch gravierende gesundheitliche Schäden auftreten, die wir in der ersten Generation, an der die Manipulation durchgeführt wurde, nicht sehen, dann müssten Sie eigentlich sagen: Das Risiko ist zu groß, denn das wäre ein unverantwortlicher Menschenversuch. Oder Sie sagen: Nein, das ist ein relativ unwahrscheinliches Risiko, das können wir eingehen. Darüber muss man miteinander ringen und versuchen gemeinsam Standards zu entwickeln.

Wer hat die größte Aufgabe: Politik, Mediziner?

Wir sehen, dass in der Forschung, gerade im Bereich der Medizin, in einer Intensität mit der Gen-Schere gearbeitet wird. Das kommt einer Goldgräberstimmung gleich. Da wird viel getan, und da fließen Milliarden an Forschungsgeldern, aber auch an Investitionsgeldern rein. Die Politik müsste meines Erachtens die Bildungsfrage dazu intensivieren. Außerdem müsste es, außer einer Konferenz, ein internationales Beobachtungsverfahren, eine Institution, geben, die diesen Prozess begleitet. Also etwas wie die Atomenergiebehörde in Wien.

ZUR PERSON: Peter Dabrock, Jahrgang 1964, ist Leiter des Deutschen Ethikrates. Das Expertengremium berät die Politik und soll die öffentliche Debatte fördern. Dabrock ist Theologe und Professor für Systematische Theologie (Ethik) an der Universität Erlangen-Nürnberg.