Wäre mein Gehirn ein Schrank mit Schubladen, die man einräumen und ausräumen könnte, dann wüsste ich, was ich machen würde. Ich würde meine Schublade, in der mein ganzes Wissen über Autonummern, also Autokennzeichen steckt, rauswerfen. Die Schublade ist so groß, dass darin Platz für eine neue Fremdsprache wäre. Doch echt.
Von LEO zu BB
Dabei habe ich das Wissen nie gelernt. Es ist mir einfach ins Hirn gerutscht aus reiner Beobachtung des Kennzeichen-Wesens im In- und Ausland. Schon 1973, als die Kreisreform in Kraft trat, fing mein Hirn an, dieses unnütze Wissen anzusammeln.

Der LEO war abgeschafft, wir Leonberger, wo ich damals wohnte, sollten BB werden. Dennoch erkannte ich die Leonberger unter den BBs. Ihre Kennzeichen hatten als Buchstaben-Kombination zunächst immer PA, PC, PE etc.
Keine Bs, keine Fs etc
Übrigens: PB ging nicht. Noch bis vor einigen Jahren, also weit nach 1973, gab es in der mittleren Buchstaben-Kombination deutscher Autokennzeichen keine Bs, keine Fs, keine Gs, keine Is, keine Os (glaube ich) und keine Qs. Warum, weiß ich nicht. Habe ich halt beobachtet.
Aus STO wurde KN-SW zum Beispiel
Im Kreis Konstanz waren die Herkünfte auch erkennbar: Radolfzeller und Singener Autos trugen ihre zwei Buchstaben in der Mitte meist beginnend mit C oder mit D in Verbindung mit drei Ziffern zum Beispiel. Die Stockacher, die auf ihr STO verzichten mussten, kombinierten in der Mitte S oder T mit einem weiteren Buchstaben und drei Ziffern.
Beobachtungen in Holland
Aber meine Auto-Kennzeichen-Schublade im Hirn trägt noch weiteren Ballast mit sich rum: Holländische Kennzeichen hatten früher drei mal zwei Ziffern, also zum Beispiel 22 35 26. Als das nicht mehr ausreichte, kamen die Buchstaben, zum Beispiel AH 35 36.

Dann wanderte die Buchstabenkombination in die Mitte oder nach hinten. Wieder später wurden es vier Buchstaben und zwei Zahlen.

Und heute tragen neue Autos eine Kombination aus 1 Buchstabe, 3 Zahlen und wieder zwei Buchstaben, oder 1 Zahl, drei Buchstaben und wieder zwei Zahlen. Wieso ich das weiß? Reine Beobachtung.
Von 01 wie Ain bis 95 wie Val d'Oise
Auch Frankreich stopfte mein Hirn voller Kennzeichen-Wissen. Wobei ich die Nummern der Départements tatsächlich in der Schule lernte: Im Klassenzimmer hing eine Frankreichkarte mit allen Départements von 01 für Ain bis 95 für Val d'Oise. War der Unterricht langweilig, was immer wieder vorkam, hing mein Blick an der Frankreichkarte.
Lyon hatte vierstellige Zahlen
Die Kennzeichen-Studien setzten früh ein: Frankreich war immer unser Sommerferien-Domizil. Es ging zur Oma im Département Ain, also 01. Der Nachbardépartement ist Rhône mit der Hauptstadt Lyon, Nr. 69. Zunächst verstand ich nicht, warum denn die mittlere Buchstabenkombination im Ain schon weiter war, als im Rhône, das doch eine Großstadt mit viel mehr Autos hat.

Bis ich sah, dass im Ain die erste Zahl nie höher als dreistellig war, also zum Beispiel 605 MB 01, während im Rhône die erste Zahl vierstellig ist, zum Beispiel 1432 CE 69.
Ab Buchstabe Q vierstellig
Tja, und diese Drei- und Vierstelligkeit lässt sich in ganz Frankreich beobachten: Spätestens beim Buchstaben Q stellten die Départements von der Dreistelligkeit auf die Vierstelligkeit um.

Aber es gab Feinheiten. Manche Départements, die noch nicht beim Q angelangt waren, stellten bisweilen schon früher um. Der Tarn (Kennzahl 81) zum Beispiel beim P, die Lozère (48) oder der Aveyron (12) sogar schon beim L, glaube ich.
In Paris drei Ziffern und drei Zahlen
Und gespannt war ich natürlich, was denn in Paris (75) nach der Buchstabenkombination ZZ kommen würde, zum Beispiel nach der 9999 ZZ 75.

Es war die Kombination aus drei Ziffern, drei Buchstaben und die 75.
Weitere Départements folgten
Auch die Alpes Maritimes (06) mit der Hauptstadt Nizza und Isère (38) mit der Hauptstadt Grenoble kamen schon früh in die drei-drei-Kombination. Allerdings hatte die Isére erst bei Q auf die vordere Vierstelligkeit umgestellt. Ebenso wie die Ile-et-Vilaine (35) in der Bretagne, die auch relativ früh auf die drei-drei-Kombination umstellte.
Langeweile in Frankreich und Italien
Heute sind die französischen und übrigens auch die italienischen Autokennzeichen viel langweiliger: zwei Buchstaben, drei Zahlen, zwei Buchstaben, die nichts zu tun haben mit der Herkunft.

In Italien fahren etliche Autos rum, die ihre Herkunftsprovinz (zum Beispiel CZ für Catanzaro oder FI für Firenze) nicht rechts im blauen Feld zeigen.
UF und AP für Brighton
Die Herkunft zu ermitteln ist übrigens auch in England gar nicht einfach. Wollen Sie es wissen? Sind Sie noch dran? Also gut. Als ich 1973 zum Sprachkurs in Brighton weilte, fiel mir auf, dass dort viele Autos eine Dreierbuchstabenkombination hatten, deren hintere zwei Buchstaben oft AP oder UF hatten. Also zum Beispiel UUF945J. Die Häufung fiel mir einfach auf. Erst viel später habe ich erfahren, dass es da tätsächlich Zuordnungsmöglichkeiten gibt, aber nicht wie hierzulande: KN steht für KoNstanz.
Ein Buchstabe fürs Zulassungsjahr
In England sind die Kombinationen eher willkürlich. Auch die Sache mit dem J in der eben genannten Autonummer hat eine Bedeutung. Es ist das Jahr der Zulassung, das irgendwann eingeführt wurde.

Ältere Nummern konnten zum Beispiel lauten 430KAA. Da war das Jahr noch nicht sichtbar.
Die New Registration
Irgendwann gelangte man ans Ende des Alphabets bei der Kennzeichnung des Autojahrgangs. Dann drehten die Briten die Kombination um: Der Jahresbuchstabe wanderte nach vorne, also zum Beispiel A455KAP. Wer einen Gebrauchtwagen kaufen wollte, musste das wissen, denn dann stand in der Anzeige nicht das Baujahr sondern "New A-Reg." für A-Registration nach der neuen Formel.
66 ist gleich 2016
Diese neue Formel ist mittlerweile auch an ihr Ende gelangt. Geschätzt nach der Jahrtausendwende tauchten die Jahre auf, also tatsächlich 02 fürs Jahr 2002. Was aber sollte man mit einer 52 anfangen? Das ist schlicht das zweite Halbjahr des Jahres 2002. Wie geht dann aber das zweite Halbjahr von 2012? Es kann ja nicht 52 heißen, denn das war ja schon vergeben.

Die Briten nahmen die 6, ein Auto aus der zweiten Hälfte des Jahres 2012 trägt im Kennzeichen eine 62.
Bitte schnell vergessen
Nachdem ich nun diesen ganzen Kennzeichenschrott bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, abgeladen habe, möchte ich Sie höflich darum bitten, sich davon nichts zu merken. Ihr Hirn hat wertvolleres Wissen verdient. Ich könnte Ihnen jetzt noch sämtliche Autonummern vorbeten, die ich im Gedächtnis habe, zum Beispiel die Nummern früherer Chefredakteure im SÜDKURIER, oder jene von noch lebenden oder schon gestorbenen Onkels, Tanten, Schwestern, Brüder, Schwager, Nachbarn. So viel Hirnmüll! Ich lass es lieber.
Mein Chrysler New Yorker aus Lyon
Ach übrigens: Mein heiß geliebtes Spielzeugauto im Maßstab 1:43 von der französischen Spielwarenfirma Norev war ein Chrysler New-Yorker Cabrio mit Bootsanhänger. Er hatte die Lyoner Autonummer 515 AQ 69. Jetzt wissen Sie das auch.